Archiv der Kategorie: Illustration Christian Badel

Bolle, Badel und Bormann

Vor nicht allzu langer Zeit lud mich der Pankower Künstler und Zeichner Christian Badel in sein Atelier in der Pestalozzistraße ein. Herr Badel ist nicht nur Künstler, er interessiert sich ganz besonders für das historische Pankow.

Christian Badel, Florakiezfest 2017

Nachdem er mich durch das ehemalige Intrac-Gebäude führte, in dem sich sein Atelier befand, behielten wir den Kontakt bei. Seither hat Christian schon die ein oder andere einzigartige Illustration für unsere Geschichten gezeichnet.

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Gemeinschaftsarbeit Badel u. Bormann Geschichten aus Schönholz 2017, Illustration Badel

Auch die letzten Heide-Geschichten aus Schönholz wären ohne seine Bilder nicht die selben. In Zukunft werden hoffentlich noch viele unserer Geschichten mit seinen histostorischen Illustrationen geschmückt.

Christian Bormann unter dem Luna Lager Schönholz 2017

Gern bin ich als Historiker mit ihm auf den Spuren des alten Pankow’s unterwegs. Unter der Kategorie: „Illustration Christian Badel“ werden ab heute alle Geschichten mit seinen Illustrationen auf einen Blick angezeigt. Diese Woche bekam ich meine Neugestaltung des Bolle-Bilds vom ihm. Ich habe nicht schlecht gestaunt. Die einzelnen Bildelemente weisen mit Ausnahme der Flugzeuge am Himmel alle auf einzelne Geschichten auf Pankowerchronik.de hin.

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Neuauflage des historischen Bolle-Bildes von Christian Badel 2017

Um mal einige kleine Beispiele zu nennen, beginnen wir mit dem roten Ballon rechts oben im Bild. Hierhinter verbirgt sich der Hinweis auf unsere Geschichte zu einer der ersten Ballonfahrten der Welt durch Blanchard, der mit diesem in Karow auf dem Ballonplatz landete. Das von mir wiederentdeckte Rettschlag-Tor, sowie das alte Schloss Schönholz und das Riesenrad, welches einst im Traumland Schönholz stand, sind ebenfalls abgebildet. Das Bild lädt den Betrachter ein, Element für Element zu ergründen und die dazugehörige Geschichte auf unserer Seite zu finden. Auch für den geübten Pankower kein leichtes Unterfangen bei inzwischen über 150 Geschichten.

Geschichte: Bolle reiste jüngst zu Pfingsten, – Wer war Bolle?

Autor: Christian Hintze: 01.10.2017

red. Bearbeitung: Martina Krüger, 01.10.2017

Foto: Christian Bormann

Illustration: Christian Badel 2017, www.kikifax.com

Das letzte Stück Schloss Schönholz

Anlass für diese kleine Geschichte war ein Besuch in der Schönholzer Heide mit Christian Badel. Zu meinem Entsetzen musste ich feststellen das der Sockel, auf dem einst der Schützenpokal stand, zerschlagen wurde.

Zeitungsauschnitt 1936

Es hat einige Jahre gedauert, die zwei Sockel zu bestimmen, die heute noch am versunkenen Heide-Theater stehen. Auch der Sockel der Weberstatue wurde beschädigt. Was den kleineren der Beiden angeht, so war es jahrelange Recherche bis ich ihn eindeutig dem Schloss Schönholz zuordnen konnte. Der Pokal wurde von der Schützengilde installiert, als sie das alte Planteuerhaus als Vereinsheim übernahm.

Christian Badel an den Resten der Weißen Säule 2017

Letztendlich war es ein Zeitungsartikel, der mich auf die Spur brachte. Mit Lageplänen des Lunalagers und vom Traumland Schönholz machten wir uns daran, den einstigen Standort von Schloss Schönholz noch einmal auszumessen. In alten Zeitzeugenberichten war oft die Rede von einer „Weißen Säule“.

polnische Teilnehmer an einer Fortbildung, Schloss Schönholz 1940

Ich hatte von Anfang an die Vermutung, dass es sich bei der sogenannten „Weißen Säule“ am Schloss um den Steinpokal handeln könnte. Auf einem Foto vom Museum Pankow sind die Teilnehmer eines Fortbildungslehrganges von 1940 vor der Säule zu sehen. Deutlich zu erkennen ist das P-Abzeichen auf Ihrer Kleidung.

Badel beim Zeichnen am Heide Theater 2017

Auch im Schloss Schönholz waren bis Kriegsende Zwangsarbeiter untergebracht. Der Steinpokal war tatsächlich sehr hoch, vor allem war er aber prächtig verziert. Er stand vermutlich, wenn auch in beschädigter Form, noch bis zum Abriss von Schloss Schönholz nach dem Zweiten Weltkrieg. In den Bauamtakten vom Heide-Theater ist die Weberstatue im Ganzen zu sehen und als Statue bezeichnet. Der Pokal aber ist nur als unbestimmtes Qadrat im handgezeichneten Lageplan zu finden.

Illustration Christian Badel 2017

Nachdem es nun so lange dauerte die Herkunft zu erforschen, schmerzt mich der Anblick des zerschlagene Sockels ganz besonders. Über hundert Jahre und zwei Weltkriege blieb er stehen, um dann in einer Nacht zerschlagen zu werden. Ich habe Christian Badel gebeten, die Reste noch einmal für mich zu zeichnen. Die nächsten zwei Winter wird der Sockel nicht überstehen und so verschwindet das letzte Stück Schloss Schönholz.

Autor: Christian Bormann, 12.07.2017

red. Bearbeitung: Martina Krüger, 12.07.2017

Bilder: Christian Bormann, Museum Pankower

Illustration: Christian Badel

Der Ofen ist aus in Pankows ältester Bäckerei

Pankows älteste Bäckerei gibt auf. Als Café Hein 1896 in der Florastraße 34 eröffnet, hielt sich der Betrieb bis zum 30.06.2017. Ganze 121 Jahre begleitete die Bäckerei ihre Pankower Kundschaft durch die Irrungen und Wirrungen der Geschichte.

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Bäcker Gabriel 29.06.2017

Wie viele andere auch kaufte ich hier schon als Kind auf meinem Schulweg Kekse und Pfannkuchen. Auch mein Vater holte hier gern seine Mohnstangen. Der Bäckermeister selbst ist am 10.04.1941 in der Köpenicker Straße in Berlin-Mitte geboren. Der Vater 1944, eingezogen fiel bereits 9 Monate später.

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Bäckerei Hein 1902

Die ersten Jahre seiner Kindheit verbringt er wie viele andere Kriegsgeschädigte auf der Flucht. In Niederschönhausen besucht Jürgen Gabriel die Schule. Auf dem historischen Foto der Bäckerei Hein von 1902 ist ein kleiner Junge zu sehen. Dieser unscheinbare Junge war später sein Lehrer in Niederschönhausen und dafür verantwortlich das Gabriel 1955 seine Bäckerlehre  begann. Arnold Hein gab seine Bäckerei 1971 an einen Nachfolger ab.

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historische Backwarenauslage

Dieser verfiel zunehmend dem Alkohol. Die Bäckerinnung und das Rathaus Pankow mussten reagieren und so wurde aus dem Gesellen der Bäcker. Am 18.08.1981 übernahm Jürgen Gabriel das Gewerk. Seine Wohnung befand sich gleich hinter der Fein Bäckerei. Mit einem verschmitzten Lächeln erzählt er: “ Ich hatte die Auflage bekommen innerhalb eines Jahres den Meister zu machen.“

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Bäckermeister Jürgen Gabriel in seiner Backstube 2017

„Für die Buchhaltung gab man mir 6 Monate.“ Es wird 2 Sekunden still, dann haut sich der Meister auf die Oberschenkel und lacht laut los. „Das habe ich bis heute nicht gemacht.“ Verwundert frage ich ihn: „Woher kommt dann der Meiser?“

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Der Bäckereiofen

Der Meistertitel wurde ihm später auf Grund seiner Leistung offiziell zuerkannt. Der Bäckermeister ist in den letzten Jahren oft zu Gast bei mir gewesen. Ich habe den ruhigen freundlichen Man sehr schätzen gelernt. Wir wollten schon vor 2 Jahren die Geschichte seiner Bäckerei aufschreiben. Als mich Christian Badel informierte, dass Gabriel schließt habe ich den Meister nochmal in seiner Bäckerei besucht. Bereits um 10 Uhr war die Bäckerei an ihrem letzten Tag wie leer gefegt.

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Feinbäckerei Gabriel, Illustration Christian Badel

Kunden konnten sich ihre Lieblingsbackwaren vorbestellen und einen kleinen Vorrat im Tiefkühler anlegen. Entlang der Florastraße werden also auch in den nächsten Wochen noch Schrippen von Gabriel gegessen. Die Illustration von Christian Badel hat es im Original bis in die Hauptstadt von Tunesien geschafft. Dort lebt jetzt ein ehemaliger Hausbewohner, der die Bäckerei auf dem Aquarell mit seinem Pankow verbindet. Der Titel „Pankows älteste Bäckerei“ geht heute über an die Bäckerei und Konditorei Pawlik in der Wilhelmsruher Hauptstraße. Die Konditorei ist seit 1918 in Familienbesitz und mit dem heutigen Tage wird sie zur ältesten Bäckerei in Pankow. Wir wünschen Jürgen Gabriel einen wohl verdienten ruhigen Lebensabend und der Familie Gabriel und ihren Mitarbeitern Frau Neumann und Frau Rekke alles Gute für die Zukunft.

Autor: Christian Bormann

red.Bearbeitung: 01.07.2017, Martina Krüger

Bilder: Christian Bormann,

Illustration: Christian Badel

Carl Maria von Weber in Pankow

Anlass für diese Geschichte ist ein kleiner, unscheinbarer Sockel. Genauer gesagt sind es zwei. Den zweiten kleineren Sockel konnte ich bei meinen Recherchen „Auf den Spuren von Schloss Schönholz“ zuordnen.

Das „Rettschlagtor“ empfing seine Gäste an der Hermann-Hesse-Straße, damals Bismarckstraße. Dahinter befand sich das ehemalige Gutshaus Schloss Schönholz. Hans Rettschlag betrieb hier seine Gastwirtschaft nebst erweitertem Tanzsaalanbau. Später stand hier das heute versunkene Heide Theater.

„Rettschlagtor“ 2017, heute rückwärtige Einfahrt vom Paul-Zobel-Sportplatz

Für die Geschichte habe ich mich mit meinem Bekannten, dem Künstler Christian Badel in der Schönholzer Heide verabredet. Ich schätze seine kolorierten Zeichnungen sehr. Die Kinderillustrationen ebenso sehr wie die historischen Pankower Ansichten. So verabredeten wir uns kurzerhand zu dieser und weiteren Geschichten.

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Rätselhafter Sockel am Heide Theater

Hinter dem Retschlagtor liegt das Heide-Theater und an seinem Foyer steht noch der mächtige Sockel einer überlebensgroßen Statue. Als Jugendlicher habe ich mich geradezu unter der Schönholzer Heide durchgewühlt. Bis Ende 2016 gelang es mir nicht, die fehlende Plastik zu bestimmen.

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Kleiner Pokalsockel der Schützengilde vom Schloss Schönholz 2017

Anders verhielt es sich bei dem zweiten, weitaus kleineren Sockel. Diesen konnte ich als Überrest des einstig als Schützenhaus genutzten Gutshauses Schönholz identifizieren. Altersbestimmung des Sockels und ein archivierter Zeitungsausschnitt machten es möglich. Auf dem Sockel, der im rückwärtigen Garten stand, befand sich noch bis in die 1940er Jahre ein Schützenpokal aus Steinzeug.

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Carl Maria von Weber-Plastik in der Schönholzer Heide

Im Februar 2017 traf ich mich mit dem Freundeskreis der Chronik Pankow e.V. zu einer Begehung in der Heide. Inhalt des Treffens war ein Gedankenaustausch anlässlich ihrer aktuellen Ausstellung über die Schönholzer Heide.

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Weberdenkmal vermutlich zur Einweihung

Es war Frau Mach vom Freundeskreis der Chronik Pankow die mich darauf hinwies, dass es sich einst um die Statue von Carl Maria von Weber handelte. Frau Mach war es auch, die mir diese historischen Aufnahmen gab. Sie selbst war als junge Frau Gast im einstigen Freilichttheater. Meine Neugier war geweckt.

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Weber-Sockel Christian Badel 25.06.2017

Und tatsächlich wurde ich in den Sammlungen der Deutschen Weber Stiftung fündig. Der am 18. oder 19.11.1786 in Eutin geborene Komponist, Dirigent und Pianist Carl Maria Friedrich Ernst von Weber war in Pankow. Das geht aus den Reise-Briefen Webers hervor.

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Historische Nachillustration Christian Badel 25.06.2017

In tagebuchähnlichen Eintragungen heißt es beispielsweise: „Sonntag 28. Juni 1812 Berlin, Pankow“ – nach Pankow zu Jord. Fried. gefahren, – mit Jettchen angezettelt, Kutscher Trinkgeld

Oder an anderer Stelle: „Mittwoch 22. Juli 1812 Berlin, Pankow“ – Mittag zu Hause, -Nachtische nach Pankow zu Kielemann und Hellwigs morgenden Geburts. gefeiert, gesungen, gespielt der arme Fuchs um 2 Uhr nach Hause fuhre.

Im Zusammenhang mit dem einstiegen Heidetheater stand Weber hier wohl goldrichtig. Frau Mach erzählte weiter, dass sich im Nachlass des Bildhauers eine Miniatur der Weber-Statue befand. Die Deutsche Weber Stiftung lehnte den Ankauf seiner Zeit ab. Der weitere Verbleib der Miniatur ist nicht bekannt.

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Christian Badel beim zeichnen des Weber-Sockels

Vielen Dank Christian für den schönen Nachmittag und die historische Illustration der Geschichte.

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Christian Badel (links), Christian Bormann (rechts) Juni 2017 Schönholz

Link zum Beitrag von Christian Badel

https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=1520016371394614&id=100001587964267

 

 

Video 22: Dreharbeiten mit der Drohne zum Dreiteiler Schönholzer Heide im April 2017.

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https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=1419531424784145&id=954046311332661

Autor: Christian Bormann, 05.06.2017

red.Bearbeitung: Martina Krüger, 26.06.2017

Illustrationen: Christian Badel, 25.06.2017

Fotos: Christian Bormann, Christian Badel, Jutta Mach (Freundeskreis der Chronik Pankow e.V.), Museum Pankow

Das falsche Schmelka Grab

Der am 1. Dezember 1777 in Schwedt geborene Johann Heinrich Ludwig Schmelka war Theaterschauspieler, Regisseur und Sänger.

Johann Heinrich Ludwig Schmelka

Die Komik war sein Genre, gelegentlich betätigte er sich auch auch in Operetten als Tenor.

Als Wirt in dem Lustspiel „Minna von Bornholm“

Schmelka selbst behauptete stets, von adliger Abstammung zu sein, doch verarmte seine Sippe bereits, als er ein Jüngling war. Er begann seine berufliche Laufbahn als Gaukler. Schnell verließ er die Niederungen der Schaustellerei und debütierte am Städtischen Theater in Riga.

Relief Schmelka

Ab 1818 arbeitete er als Komischer Schauspieler am Königsstädtischen Theater Berlin. Schmelka spielte in Stücken von Raimund, Bäuerle und Holtei. Zu seinen Kollegen zählten unter anderem Plock, Rosicke und Beckmann.

Schmelka Denkmal 2017

Schmelka wohnte lange Zeit in Pankow, mit seinen gut betuchten Pankower Freunden wuste er auch Feste zu feiern. Bei meinen Recherchen lese ich immer wieder vom Grabmal Schmelkas an der Pankower Pfarrkirche „Zu den Vier Evangelisten“. Gemeint ist die gusseiserne Gedenktafel an der Südseite der Kirche.

Schmelka Denkmal mit Kirche

Ein Beispiel ist das liebevoll erstellte Buch „Bummeln durch Pankow“ von Arwed Steinhausen 2. Auflage 1995. Hier heißt es: […]“Besonderheiten im direkten Umfeld der Kirche[…] .Dort steht noch das Grabmal für den Schauspieler J. Heinrich Schmelka (1777-1837), von Freunden für ihn errichtet. Das ist so nicht richtig.

Vorderseite mit Lebensdaten

Richtig ist, dass Schmelka am 27. April in Pankow starb. Beerdigt wurde er hier nicht. Schmelka war der Falco seiner Zeit und Pankow war sein Wien. Kenner wissen, dass der ausschlaggebende Text auf der Rückseite der Gedenktafel steht.

Rückseite mit Widmung seiner Freunde

„Dem Andenken des Entschlafenen gewidmet von seinen Freunden“. Und so kam es, dass seine gut betuchten Freunde ihm und ihrer gemeinsamen Zeit in Pankow ein Denkmal setzten.

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Zeichnung des falschen Schmelka-Grabes von Christian Badel

Wir freuen uns, unseren Lesern Zeichnungen des bekannten Pankower Künstlers Christian Badel bei uns zeigen zu dürfen. Besonders bemerkenswert finden wir, dass sogar unsere QR-Codes, die wir im Rahmen unserer Aktion „Hundert mal Geschichte an Ort und Stelle“ auch dort angebracht haben, auf der wundervollen Zeichnung abgebildet ist.

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Zeichnung des falschen Schmelka-Grabes von Christian Badel

Autor: Christian Bormann, 22.02.2017
red.Bearbeitung: Martina Krüger, 22.02.2017/22.05.2017

Zeichnungen: Christian Badel

 

Fotos: Christian Bormann
Zeichnungen: Christian Badel, www.kikifax.com

Bolle reiste jüngst zu Pfingsten, – Wer war Bolle?

„Bolle reiste jüngst…“
Wer war „Bolle“ eines der bekanntesten Berliner Volkslieder besingt „Bolle“. „Bolle“ als echte Person gab es nicht.

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historische Bolle-Postkarte aus Pankow

Der Name steht vielmehr für den typischen Berliner, der nach harter Arbeit werktags oder am Wochenende sein Vergnügen in Pankow suchte. Durch Vorstadtwagen und Kremserfahrten, nicht zuletzt auch durch seine gute Luft, war Pankow im 19. Jahrhundert einer der beliebtesten Berliner Ausflugsorte. In der Schönholzer Heide sowie in unzähligen Schankstuben, Biergärten, Badeanstalten und Theatern, tobte der „Berliner Mob“. So auch besungen im Lied, „Bolle reiste jüngst …“ Das „Bollelied“ gibt es in einigen verschiedenen Varianten.

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Bollezeichnung von Christian Badel für pankowerchronik de 2017

Liedtext:

Bolle reiste jüngst zu Pfingsten

Bolle reiste jüngst zu Pfingsten, Pankow war sein Ziel.
Da verlor er seinen Jüngsten janz plötzlich im Jewühl.
‚Ne volle halbe Stunde hat er nach ihm jespürt.
Aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert.

In Pankow jab’s keen Essen, in Pankow jab’s keen Bier.
War allet uffjefressen von fremden Leuten hier.
Nich‘ ma‘ ’ne Butterstulle hat man ihm reserviert!
Aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert.

Auf der Schönholzer Heide, da jab’s ’ne Keilerei,
Und Bolle jar nich‘ feige, war mittenmang dabei,
Hat’s Messer raus jezogen, und Fünfe massakriert.
Aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert.

Es fing schon an zu tagen, als er sein Heim erblickt.
Das Hemd war ohne Kragen, das Nasenbein zerknickt.
Das linke Auge fehlte, das rechte marmoriert.
Aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert.

Als er nach Haus jekommen, da ging’s ihm aber schlecht.
Da hat ihm seine Olle janz mörderisch verdrescht!
Ne volle halbe Stunde, hat sie auf ihm poliert.
Aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert.

Und Bolle wollte Sterben, er hat sich’s überlegt:
Er hat sich uff die Schienen der Kleinbahn druffjelegt.
Die Kleinbahn hat Verspätung, und vierzehn Tage druff,
Da fand man unseren Bolle als Dörrjemüse uff.

Geschichte: Bolle, Badel und Bormann

Autor: Christian Bormann, 18.06.2014

Zeichnung: Christian Badel – www.kikifax.de

Technische Leitung: Nadine Kreimeier
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 25.01.2016

Quelle: mündliche Überlieferung Wikipedia