Archiv der Kategorie: Denkmal

Affenalarm im Haus Horridoh

Im Juli 2021 haben wir in einem Beitrag einen Blick auf das „Haus Horridoh geworfen. Es ist oft sehr mühselig, an Informationen aus der Geschichte eines solch altehrwürdigen Hauses zu gelangen. Fast zwei Drittel des amtlichen Aktenbestandes von Pankow wurden während des Vorrückens der Roten Armee 1945 auf Berlin im Innenhof des Rathauses Pankow verbrannt.

Haus Horridoh im Winter 1933, Linden Straße, heute Grabbeallee

Umso größer war die Freude, als sich Simone Kehrer meldete. Vorfahren von ihr lebten von 1931 bis 1934 im „Haus Horridoh“. Wir verabredeten uns und ich durfte einen Blick in die alten Fotoalben der Familie werfen. Hier spiegelte sich nicht nur die Geschichte der Familie, sondern auch Bezirksgeschichte wider. Die Urgroßeltern von Frau Kehrer, Alfred Bünsow (1884-1937), Schilderfabrikbesitzer, und seine Frau Anna Alma Bünsow, geb. Pflugradt (1884-1976), lebten drei Jahre mit ihren Kindern im „Haus Horridoh“.

Alfred Bünsow in seiner Ordenstracht als Pankgraf, wohl in jüngeren Jahren

Alfred Bünsow war gestandener Pankgraf, hiervon zeugen noch zahlreiche Bilder. Sie zeigen ihn mit seinen Ordensbrüdern auf Ausflügen und bei Besuchen von Biergärten, stets in voller Ordenstracht. Überraschend für mich war das Foto, auf dem Anna Alma Bünsow sich vor einer Mauer des Anwesens in weiblicher Ordenstracht zeigt.

Anna Alma Bünsow, geb. Pflugradt, in Ordenstracht der Pankgrafenschaft am Haus Horridoh, um 1933

Von der damaligen Linden Straße 33, heute Grabbeallee, hatte es Alfred Bünsow nicht weit bis zum Stammlokal seiner Ordensbrüder. Das Restaurant „Zum Pankgrafen“ lag direkt in der heutigen Ossietzkystraße auf Höhe der Panke. Hier hatte das Lokal neben Sitzplätzen für mehrere Tausend Gäste auch eine angeschlossene Panke-Badeanstalt. Die Pankebäder wurde in den 1920er Jahren wegen zu starker industrieller Verschmutzung der Panke alle geschlossen und das Restaurant nebst Biergarten fiel den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs zum Opfer.

Dackel des Hauses

Wir bleiben zeitlich Anfang der 1930er Jahre im „Haus Horridoh“. Die Bilder zeigen den Alltag, wie er auch anderen Ortes sein könnte. Der Dackel hütet das Haus. Es werden Hühner gefüttert. Man genießt die Tageszeitung bei ersten Sonnenstrahlen. Aber eine Besonderheit verbirgt „Haus Horridoh“ in den 1930 er Jahren.

Hühnerfüttern morgens auf dem Hof Horridoh, 1933

Nicht nur für heutige Verhältnisse befremdlich, dürften die Affen von Alfred Bünsow wol damals schon für Aufsehen und Gerede gesorgt haben. Vermutlich brachte eine Schwester von Alfred Bünsow die Tiere mit. Sie hatte 1919 einen deutschen Konsul geheiratet, mit dem sie viele Jahre erst in Kamerun, dann an der westafrikanischen Küste lebte.

Affenkäfig in der Remise Hof Horridoh, 1933

Neben einigen Schnappschüssen der Affen im Haus und in der Remise zeigen sie auch das Pankower Leben am Wochenende. Während es sich Alfred Bünsow mit seinen Ordensbrüdern im Restaurant „Zum Pankgrafen“ gutgehen lässt, besucht Anna Alma Bünsow das nur 15 Fußminuten entfernte Traumland Schönholz, der Vergnügungspark, der nur wenige Jahre später zum Zwangsarbeiterkomplex Lunalager wird.

Der Affe spielt mit dem Staubsauger im Haus Horridoh, 1933

Die Kulissen vom Traumland Schönholz sind unverwechselbar. Damals gab es hier ein Riesenrad, die Himalayabahn, das Oberbayern, Restaurant Schloss Schönholz und vieles mehr. Es gab auch einen Pavillion, die Traumstadt Liliput, bei der sich kleinwüchsige Menschen zur Schau stellten oder gestellt wurden. Heute unvorstellbar, aber damals üblich.

Motorrad auf dem Hof Horridoh, 1933
Mittags auf dem Hof Horridoh, 1933
Lindenallee 1933, heute Grabbeallee Haus
Horridoh
Terasse Haus Horridoh, 1933
Restaurant zum Pankgrafen, heutige Ossietzkystraße, 1933

1935 zog Familie Bünsow in die Parkstraße. Was aus den Affen wurde? Wer weiß? Bilder von ihnen gibt es nur aus „Haus Horridoh“. Alfred Bünsow musste jetzt nur noch einige Meter die Parkstraße entlang, in den Elisabethweg abbiegen und saß sofort im „Restaurant zum Pankgrafen“ unter seinen Ordensbrüdern. Der kurze Heimweg war bestimmt kein Zufall. Leider verstarb Alfred Bünsow schon drei Jahre nach seinem Umzug.

Vergnügunspark Traumland Schönholz, 1933
Kulisse im Traumland Schönholz, 1933
Vergnügungspark Traumland Schönholz, 1933

Dass wir heute einmal hinter die Fassade des Hauses einen kurzen Blick in die 1930er Jahre werfen konnten, verdanken wir zwei Frauen, die diese historischen Bilder aufbewahrt, gehütet, weitergegeben und mit uns geteilt haben, die Tochter von Anna Alma Bünsow, Irmgard Bünsow und deren Tochter Simone Kehrer.

Haus Horridoh und das Pflaster der Linden Straße 1933, heute Grabbeallee

Unser kleiner Einblick endet wie er begann, mit einer seltenen historischen Privataufnahme von „Haus Horridoh“. Vielen Dank an Simone für diese interessanten Aufnahmen aus dem Herzen Pankows.

Autor: Christian Bormann

Red. Bearbeitung: Martina Krüger

Fotos: Christian Bormann, Simone Kehrer

Haus Horridoh

An der Grabbeallee in Berlin-Pankow stehen noch so einige altehrwürdige Vorstadtvillen aus dem Historismus. Zu den schönsten gehört zweifelsohne „Haus Horridoh“. Wer kennt sie nicht, die zwei Hirschköpfe, die seit 150 Jahren stur und unbeirrt auf die gegenüberliegende Straßenseite blicken.

Haus Horridoh, Foto um 1995

Wer diese morbide wirkende Vorstadtvilla in der Grabbeallee 39 schon einmal gesehen hat, der vergisst den märchenhaften Anblick nicht so schnell. Die Eindrücke reichen von traumhaft bis gruselig, je nach Betrachter.

Haus Horridoh, Grabbeallee 39, auf diesem Foto aber als Hausnummer 38 angegeben, Foto 1958

Die Vorstadtvilla im Stil des Historismus wurde um 1870 am Verbindungsweg zwischen Pankow und Niederschönhausen errichtet. Die Straße wurde später auf Grund ihres Baumbestandes Lindenstraße genannt. Einhundert Jahre nach dem Tod des Dichters Christian Dietrich Grabbe (1801-1836) wurde die Lindenstraße 1936 zur Grabbeallee.

Denkmalgeschützte Vorstadtvilla „Haus Horridoh“, Straßenansicht, Foto Juli 2021

Die Fassade von „Haus Horridoh“ ist mit Säulen, Pfeilern und Rundbögen ausgestattet. Am nördlichen Seitengiebel des dreiachsig gegliederten Hauses, hinter der gemauerten Durchfahrt, befindet sich ein großes rundes Stuckrelief, das eine sitzende junge Frau zeigt. Soweit alles sehr typisch für die Epoche des Historismus.

Treppenaufgang zu den Präsentationsräumen seiner Zeit, Foto Juli 2021

Eine besondere Abweichung ist die Giebelgestaltung. Zwei lebensgroße Hirschköpfe zieren die Fassade. Zwischen ihnen ist in altdeutscher Blockschrift „Haus Horridoh“ zu lesen. Horridoh auch Horrido ohne H geschrieben geht auf die Jägersprache zurück und soll sich vom Anfeuerungsruf bei der Treib- und Hetzjagd ableiten.

Balkon mit schmiedeeiserner Balustrade, gefasst von kleinen gemauerten Pfeilern, Foto Juli 2021

Zu dem Gesamtensemble gehört noch eine wunderschöne, gut erhaltene zweistöckige Remise. Hinter der Villa fällt das Gelände stark ab, mittig steht die Remise, die äußerlich weitgehend im Original erhalten scheint und im Gegensatz zur vorstehenden Villa fast unbekannt ist.

Frontgiebel zur Straße, zwei lebensgroße Hirschköpfe rahmen den Spruch „Haus Horridoh“ Wappenjartzsche ist raus geschnitten, Foto Juli 2021

Haus Horridoh ist als herausragendes und gut erhaltenes Beispiel für die Villen vermögender Bürger in den Vororten Berlins denkmalgeschützt. Das Dach ist vor einigen Jahren erneuert worden und dem Betrachter fällt auf, dass die Wappenkartusche im Giebel herausgeschnitten wurde. Wahrscheinlich geschah dies zu ihrem Schutz, um weitere Verwitterung zu verhindern.

Hirschkopf am Giebel Haus Horridoh, Foto Juli 2021

Auch wenn die alte Villa mit ihrem bröselnden Putz in Teilen schon einen bedauerlichen Eindruck macht, so ist sie tatsächlich in einem außerordentlich vollständigen und auch baulich noch gutem Zustand.

Römischer Säulenschmuck am Sichteingang, Foto Juli 2021

Der Bauherr war zweifelsohne Jäger oder in diesem Milieu zuhause. Und obwohl Haus Horridoh schon so lange existiert, ist über seine Besitzer so gut wie nichts bekannt.

Seitlicher Blick in den Treppenaufgang zur Straße, Foto Juli 2021

Das älteste zu recherchierende Foto ist eine Bestandsaufnahme von 1953, dort ist das Haus mit der Nummer Grabbeallee 38 und nicht wie heute mit der Hausnummer 39 angegeben.

Kleiner Figurenspiegel über dem Fenster der Frontfassade, Foto Juli 2021

Die schmiedeeiserne Einfriedung ist wohl ebenfalls noch im Originalzustand. Sie ist etwas einfach gehalten für den Historismus. Möglicherweise geschah das absichtlich, um den Blick auf die prächtige Villa nicht abzulenken.

Gemauerte Tordurchfahrt, links befindet sich der Eingang zum Hausflur, Foto Juli 2021

Was beim Vergleich der Fotos 1953 und 2021 auffällt, sind die Rundbögen, die die Einfriedung krönen. Auf dem Foto von 1953 ist im Abstand von je 2 Metern ein Rundbogen zu sehen. Auf dem Foto von 2021 trägt nur noch das erste Eingangstor den Rundbogen, der sich als Krönung aus beiden geschlossenen Torflügeln zusammensetzt.

Zwei typische kleine Bogenfenster am Nordgiebel über der Einfahrt im Historismusstil, Foto Juli 2021

Auf der gesamten Länge der Einfriedung wurden die Bögen abgesägt und durch Stacheldrahthalter ersetzt. Warum die Bögen abgesägt wurden, bleibt unbeantwortet. Der Stacheldraht zur Grundstückssicherung hätte auch so angebracht werden können.

Seitenansicht der Nordfassade mit Durchfahrt und runder Stuckkassette, Foto Juli 2021

Über den derzeitigen Besitzer ist nicht viel bekannt. Er wohnt eine halbe Treppe tiefer im ausgebauten Keller und die anderen Wohnungen im Haus sind vermietet.

Stuckkassette am nördlichen Seitengiebel zeigt eine erschöpfte Frauendarstellung sitzend in einem Stuhl. Foto Juli 2021

Durch die mit Rundbögen verzierte gemauerte Durchfahrt, an deren Ende ein zweites Tor steht, geht es zum großen Garten, in dem die gut erhaltene Remise steht. Das rückliegende Grundstück wird heute zu einem großen Teil als Nuzgarten betrieben, in dem eine kleine elektrische Eisenbahn Ihre Runden im Gehölz dreht.

Zweistöckige Remise im Garten von Hause Horridoh, Foto Juli 2021

Ich selbst war erstaunt, was hinter der so bekannten Frontfassade des Haus Horridoh noch alles erhalten geblieben ist und vor allem in welcher Vollständigkeit.

Autor: Christian Bormann

Red. Bearbeitung: Martina Krüger

Bilder: Christian Bormann

Das Bürgerparktor in Pankow

Das Bürgerparktor gehört zu den Wahrzeichen Pankows und die Mehrheit der Pankower wird wohl schon ein- oder mehrmals hindurchgeschritten sein.

Autor Bormann bei Drohnenaufnahmen vom Tor, Luftaufnahme Juni 2021

Der römische Triumphbogen im Stil der italienischen Neorenaissance ist ein typischer Historismusbau und ein Glück für Pankow. Zum Gesamtensemble gehört auch das alte Kastellanhaus.

Sonntäglicher Spaziergang des Fräulein Johanna, Foto 1914

Dr. Hermann Theodor Killisch v. Horn, der Herausgeber der Berliner Börsenzeitung, ließ das Tor 1865 als Prachteingang zu seinem englischen Landschaftspark an der Spandauer Straße, dem alten Triftweg nach Jungfernheide und heute Wilhelm-Kuhr-Straße errichten. Das Tor soll damals zu Festlichkeiten angeleuchtet worden sein.

Bäckerei Karl Hartmann aus der Wollankstraße 130 mit Pferdegespann vor dem Torensemble, Foto um 1930

Der Parkeingang lag am westlichen Ende des Angerdorfes und war für die Bevölkerung bis 1906 tabu. Nach der Aufgabe des Landschaftsparks sollte das Gelände verkauft, parzelliert und von einer Straße durchtrennt werden. Es war der damalige Dorfbürgermeister Wilhelm Kuhr, der sich für den Gesamterhalt als Parkanlage einsetzte. Für diesen Einsatz bedankten sich die Pankower mit der Umbenennung des Straßennamens von Spandauer Straße in Wilhelm-Kuhr-Straße.

Die Gemeinde erwarb den Grundbesitz und schon 1907 konnten die Bürger Pankows durch Ihren Bürgerpark flanieren. Zu dieser Zeit hatte der Park noch einen üppigen Figurenbestand und war weitgehend im Original vorhanden. Der Vorplatz am Tor wurde 1925 umgestaltet und das große schmiedeeiserne Tor unter dem Hauptbogen schloss sich für immer. Die Straße und der Gehweg wurden gepflastert und eine Mittelinsel umschloss die damals hier stehende kleine Baumgruppe vor dem Tor.

Beschädigtes Bürgerparktor, Foto Ende der 1990er Jahre

Der Krieg hat die historischen Gebäude weitgehend zerstört. Mangel an Baustoffen und schlechte Planung kosteten den Park auch noch den restlichen Bestand an historischer Ausstattung. Der Bürgerpark sollte wieder hergerichtet und die Erinnerungen an den Krieg getilgt werden.

Gesamtensemble Bürgerparktor und Kastellanhaus, Luftaufnahme Juni 2021

Aus Mangel an Geld, Material und Expertise ging Abriss vor Wiederaufbau. Ein Wunder, dass die Teufelsbrücke über die Höllenschlucht noch erhalten ist. Aus heutiger Sicht ist ein solches Vorgehen kaum mehr vorstellbar. Aus Kostengründen wurden viele dieser Objekte nicht komplett enfernt sondern liegen heute noch als Sockel und Trümmerreste im Boden des Parks. Gewonnene Klinker wurden an anderer Stelle wieder verbaut. Hierzu sind bereits einige Sondierungen im Park von mir und Frau Cornelia Wagner vom Straßen- und Grünflächenamt Pankow geplant.

Das Tor hatte keinen Bombentreffer, war aber von leichter Artillerie beschädigt worden. Die Hauptfiguren auf der Attika wurden bereits 1953 vom Tor abgenommen und gesichert, die ersten Instandsetzungsarbeiten am Tor erfolgten 1966. Nach langem hin und her und diversen Fehlplanungen war es dann 1975 soweit. Der Rat des Stadtbezirks Berlin-Pankow beauftragte den Bildhauer Günther Gohlke mit der Wiederherstellung der Figuren.

Saniertes Bürgerparktor in Pankow, Luftbild Juni 2021

Hier kam es zu einer Besonderheit, wie ein Gutachten von 2005 feststellt. Aus Sorge, die Rundbögen könnten die schweren Sandsteinfiguren statisch nicht tragen, wurden die Kopien aus glasfaserverstärktem Kunstoff hergestellt. Die überlebenden Originalteile sollen sich im Depot des Museum Pankow befinden. Auch hier setzten sich Materialmangel und Fehlplanungen fort. So dauerte der Abschluss der Restaurierungen noch bis 1978.

Bürgerparktor, oberer Teil der Rückseite, Luftbild Juni 2021

Die Jahrzehnte vergangen und das Tor war in den 1990er Jahren wieder in einem erbärmlichen Zustand. Als am 10. Juli 2002 während eines Sturms der musizierende Torengel herabstürzte, reichte es den Pankowern. Der gefallene Engel stand ein halbes Jahrzehnt auf dem Hof des Kastellanhaus. Hier sah auch ich ihn mit blutendem Herzen noch stehen. Für die Sanierung wurden 300.000 Euro veranschlagt.

Bürgerparktor, Rundungen von unten, Foto Juni 2021

Organisiert von engagierten Pankowern wie Willy Manns und dem Verein für Pankow rollte die Rettungsaktion an. Am 27. August 2005 fand das erste vom Verein für Pankow organisierte Benefizkonzert statt. Im Jahr darauf, 2006, genau 12 Monate später noch das zweite. So konnte die letzte Restaurierung im September 2006 beginnen.

Bürgerparktor, Säule zum Triumphbogen, Foto Juni 2021

Pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum des Bürgerparks am 25. und 26. August 2007 wurde ein Bürgerfest ausgerichtet. Jetzt konnten die Pankower das für diesen Zweck geöffnete historische Mitteltor durchschreiten und ihr saniertes Bürgerparktor bewundern.

Schmiedeeisernes Originaltor von 1868, Foto Juni 2021

Bei der Bestandsaufnahme des Tores im Juli 2021 musste ich schwere Wasserschäden feststellen. Scheinbar dringt Wasser ungehindert durch die Attika und sackt durch das Tor, bevor es seitlich durch den porösen Putz wieder austritt.

Originaldurchgang von 1868, Foto Juni 2021

Ich werde in den nächsten Wochen die verantwortlichen Ämter informieren und zum unverzüglichen Handeln auffordern. Noch sind die Schäden übersichtlich und behebbar. Schauen Sie bei Ihrem nächsten Parkspaziergang mal etwas genauer hin.

Autor: Christian Bormann

Red. Bearb.: Martina Krüger

Bilder: Christian Bormann, Guido Kunze, Bundesarchiv, Ralph Hoppe

Das alte Kastellanhaus

Das alte Kastellanhaus in der Wilhelm-Kur-Straße geht noch auf den Parkgründer Baron Killisch von Horn zurück. Um 1860 erbaut, beherbergte es den Parkaufseher.

Luftaufnahme Kastellanhaus mit Mousoleum Juni 2021

Das Kastellanhaus wird umgangssprachlich auch Torhaus oder Torwächterhaus genannt. Ein Kastellan war der Aufsichtsbeamte eines größeren Anwesens.

Kastellanhaus von 1860, Foto Juni 2021

Der Putzbau mit schiefergedecktem Walmdach ist mit einigen typischen, aber dezent gesetzten Historismuselementen geschmückt und in seiner Art an das heute nicht mehr existierende Herrenhaus angelegt. Besonders auffällig sind die Motivkassetten an der südlichen und westlichen Sichtfassade.

Balustrade auf dem Anbau von 1908, Foto Juli 2021

Bis in die 1960er Jahre soll es tatsächlich noch einen Parkwächter gegeben haben. Seine Hauptaufgabe war das Öffnen und Schließen der Parkanlage sowie die Aufsicht darüber. Das Kastellanhaus wurde gern für Werbeaufnahmen von Pankower Fuhrunternehmen und Händlern genutzt.

Werbung 1926 Brautaus und Hochzeitskutschen vor dem Kastellanhaus

Unter anderem entstanden auch Ansichtskarten zum 50-jährigen Jubiläum der Brautautos und Hochzeitskutschen Vermietung Mühlenstraße oder der Bäckerei Hartmann aus der Wollankstraße.

Bäckerei Hartmann in den 1930er Hahren vor dem Kastellanhaus

Ursprünglich bestand das Haus nur aus einem Kastenbau. Links davon auf dem alten Acker wurde 20 Jahre zuvor der ehemalige Gemeindefriedhof 1841 angelegt. Der Verlauf der heute nicht mehr existierenden Einfriedung und des Vorgartens des Kastellanhauses ist noch an der Beetkante der Grünfläche zu erkennen.

Historischer Eingang zum Kastellanhaus, Foto 2021

Mit dem Kauf des Bürgerparks durch die Gemeinde wurden öffentliche Bedürfnisanstalten für die Parkbesucher benötigt. So erhielt das kleine Haus seinen Anbau im gleichen Historismusstil mit aufgesetzter Balustrade. Ich erinnere mich, dass diese Bedürfnisanstalt bis zum Mauerfall noch betrieben wurde.

Schiefergedecktes Walmdach, Foto Juli 2021

Der Anbau schloss die Lücke zwischen Kastellanhaus und dem 1904 erbauten Mausoleum für die Familie Killisch von Horn, einem Sandsteinkuppelbau des Pankower Maurermeisters Malingriaux, der unter anderem auch Schul- und Wohnbauten in der Grunow-, Mühlen- und Thulestraße realisierte.

Stuckkasette Historismus, Foto Juni 2021

So kamen sich das Kastellanhaus und der Friedhof immer näher. Der Vorplatz vom Bürgerparktor wurde 1925 neu gestaltet. Bis dahin war es möglich, die Torzufahrt zu nutzen. Der Bordstein wurde angehoben und die Zufahrt für immer geschlossen.

Stuckkasette Südfassade, Foto 2021

Auch die sich rechts vom Haus befindende Zufahrt auf den Friedhof wurde geschlossen. Erst bei bei Sanierungsarbeiten 2021 wurde diese vergessene kleine Toreinfahrt samt dem neu entdeckten Noteingang von der Kreuzstraße aus wieder sichtbar gemacht.

Kastelkanhaus ohne Einfriedung, Foto Juni 2021

Zu dem Haus gehört ein kleiner, heute verwilderter Garten. Bis in die 1990er Jahre war hier eine von mehreren Personalunterkünften des Straßen- und Grünflächenamtes Pankow. Ich kenne das Gebäude selbst noch von innen. Im Zentrum befand sich ein mittelgroßer Aufenthaltsraum, die restlichen Zimmer erinnerten eher an Kammern.

Kastellanhaus mit Einfahrt vom Bürgerpark, Foto Juni 2021

Nach umfangreichen Modernisierungen gibt es zwar zur Freude der Parkbesucher noch die historische Sichtfassade, im Inneren erinnert außer der Holztreppe nichts mehr an die ursprüngliche Raumaufteilung.

Stuckkasette Westdassade zum Park, Foto 2021

Hell und geräumig kommt das Innere des Kastellanhauses heute daher. Von der Bedürfnisanstalt existieren nur noch die Besucherinnen in der Front. Dahinter ist heute ein offener Raum mit Glassfassade zum Garten.

Innenansicht nach Modernisierubg ohne Wände, Foto 2014

Auch im Dach ist ein großes Glaselelement eingesetzt, wie auf der Luftaufnahme zu sehen ist. Alles in allem ist das betagte Kastellanhaus sehr gut über die Zeit gekommen. Ich würde es heute lieber im Besitz des Bezirks sehen und der Öffentlichkeit zugänglich machen.

Trepoebaufgang zum Dach, Foto 2014

Beim nächsten Besuch des Bürgerparks erfreuen Sie sich nicht nur am Anblick des sanierten römischen Triumphbogens. Lassen Sie Ihren Blick nach rechts schweifen und schauen Sie sich die kleine Perle aus dem Historismus mal ein wenig genauer an.

Autor: Christian Bormann

Red. Bearb.: Martina Krüger

Bilder: Christian Bormann, Guido Kunze, Ansichtskarten Bormann

Die Heinersdorfer Villa

Zu den Blickfängen am alten Heinersdorfer Dorfkern gehört neben der Kirche zweifelsohne die alte Heinersdorfer Villa. Viel ist heute nicht mehr über sie bekannt.

Villa des Pferdehändlers von 1876, Foto Mai 2021

Die Villa war Wohn- und Vorzeigeobjekt eines vermögenden Heinersdorfer Pferdehändlers. Nur wenige hundert Meter die Straße runter nach Weißensee befand sich die Pferdeauktion. Das 1876 erbaute Vorderhaus gehört mit Taubenturm und Scheune zu einem heute denkmalgeschützten Gesamtentsemble.

Heinersdorfer Villa Romain-Rolland-Straße 49, erbaut 1876, Foto 2021

Nord- und Ostseite des Hauses tragen noch, wie in der Zeit des Historismus üblich, eine prächtig geschmückte Stuckfassade, während die Südseite notdürftig verputzt und die Westseite bis auf die Klinker abgetragen ist.

Giebel mit Kartusche, Monogramm und Jahreszahl 1876

An der Fassadenfront zur Straße fällt als erstes der prächtige Giebel auf. Eine aufwändige Stuckarbeit zeigt zwei Engel, die eine Kartusche mit der Jahreszahl 1876 und darüber ein Monogramm halten. Auch die schmiedeeiserne Einfriedung geht noch auf das Jahr 1876 zurück.

Straßenfront im Stil des Historismus von 1876

Auf Augenhöhe sind es die Stuckkassetten mit römisch anmutenden Motiven, die ins Auge stechen wie leider auch die unschönen Kunststofferkerfenster. Schaut der Betrachter noch etwas genauer hin, so fällt ihm eine alte Hausnummer auf.

Stuckkassette aus dem Historismus 1876, Foto Mai 2021

Es handelt sich hierbei tatsächlich noch um die erste Hausnummer. Die Heinersdorfer Dorfstraße war ein Feldweg und wurde erst 1900 als Straße befestigt. Deshalb taucht sie auch erst 1903 im Adressbuch von Berlin als Kaiser-Wilhelm-Straße auf. Sogar die rote Eingangstür ist noch original. Links neben der Eingangstür wacht eine Frau in römischem Gewand mit Blumenschmuck.

Historische Hausnummer vom 1902, Kaiser-Wilhelm-Straße 15

Bei einem Blick durch die Fenster ist zu sehen, dass die Villa auch von innen mit Historismusmotiven geschmückt ist. Die Villa stand bis zu ihrer Umbenennung 1951 in Romain-Rolland-Straße 49 in der Kaiser-Wilhelm-Straße 15. Heinersdorf war geprägt von Äckern, vor allem aber bekannt für seine Obstgärten.

Eingangstür von 1876, Foto Mai 2021

Ursprünglich ließ sich die Kirche umfahren, wie es heute noch in Pankow oder Blankenburg üblich ist. Die Heinersdorfer Bauern verstanden es, ihre Äcker immer weiter an die Kirche zu ziehen, bis die Kirchenmauer ereicht und ein Umfahren mit der Kutsche nicht mehr möglich war.

Nördliche Fassadenfront mit Figur und Giebelschmuck, Mai 2021

Heinersdorf gehörte früher zum Verwaltungsbezirk Alt-Weißensee und lag soweit ab vom Schuss, dass die Kinder in den umliegenden Dörfern es schon besangen. „In Heinersdorf tragen die Mädels noch Schnallen an den Schuhen…“

Erhaltene figürliche Darstellung im Stil des Historismus von 1876

Die Dorfkirche mit Ihren Nebengelassen und dem Gemeindesaal gegenüber der Villa des Pferdehändlers sind das historische Vermächtnis von Heinersdorf. Die ersten Gartenanlagen wurden in den 1990er Jahren zu Bauland umgewidmet . Die heutige Wohnungsnot durch Mietwucher und mangelnde Baugrundstücke werden in den nächsten Jahren wohl den gesamten historischen Obstgartenbestand vernichten.

Blick durchs nördliche Seitenfenster

Für die Villa selbst wird wohl auch jede Hilfe zu spät kommen. Der jetzige Eigentümer scheint nicht in der Lage zu sein, eine Sanierung durchzuführen. Schaut man sich die zerstörten Putzelemente an der Nordseite an, so müssten diese sofort wetterdicht gemacht und gesichert werden.

Giebelschmuck Nordseite, Foto Mai 2021

Noch schlimmer steht es um die prächtige, mit gelben und roten Klinkern kunstvoll gestaltete Pferdescheune auf dem Hof hinter der Villa. Wind und Wetter tragen hier im wahrsten Sinne des Wortes die Mauern Stein für Stein ab. Etwa 70 Prozent stehen noch. Das Dach wurde durch Wellblech ersetzt. Auch die Reste der Grundstücksmauer werden mit jedem Regen weiter destabilisiert und regelrecht weggespült.

Verfallene Fassade der Nordseite

Etwas besser steht es um den Taubenturm, der im selben Stil wie der Pferdestall erichtet wurde. Er trägt die selben Initialien wie die Kartusche am Giebel zur Straße. Auch hier hat eindringendes Regenwasser bereits sichtbare Schäden hinterlassen.

Taubenturm mit Denkmalschutzzeichen, Foto Mai 2021

So gehört dieses Gartenensemble an der Heinersdorfer Kirche zu den wichtigsten und beeindruckendsten Zeugnissen des Historismus und der Heinersdorfer Geschichte, leider aber auch zu den gefährdetsten.

Hofansicht des Taubenturms, Mai 2021

Das Grundstück selbst ist noch bewohnt und sollte auch von Neugierigen nicht betreten werden. Was bleibt ist der Blick auf eine traumhafte Historismusfassade und den Taubenturm, solange das Ensemble noch steht.

Taubenturm mit Monogramm, Mai 2021

Heinersdorf hat heute zwei heimliche Wahrzeichen. Die Villa des Pferdehändlers und den alten Flakturm, der ursprünglich als Wasserturm der Mittelteil des geplanten Rathauses war. Durch die Eingemeindung von Heinersdorf nach Berlin 1925 war ein eigenes Rathaus nicht mehr erforderlich.

Pferdestall von 1876, Foto Mai 2021

Dieser Bericht soll noch einmal eine Bestandsaufnahme sein und die Geschichte der vergessenen Villa ins Bewusstsein rufen, bevor es zu spät ist. Für mich gehört sie trotz Ihres erbärmlichen Zustands zu einem der schönsten Häuser in Pankow.

Luftaufnahme, Mai 2021

Noch ein kleiner Hinweis von mir. Bei dem Grundstück Romain-Rolland-Straße 49 handelt es sich um Privatbesitz. Auch die Denkmalschutzbehörden können daher hier dem Verfall nur zusehen.

Screenshot vom 360° Panorama von Heinersdorf
Vollbildansicht:
https://www.facebook.com/954046311332661/posts/1801161383287812/

Autor: Christian Bormann

Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger

Fotos: Christian Bormann, Guido Kunze