Im Juli 2021 haben wir in einem Beitrag einen Blick auf das „Haus Horridoh„ geworfen. Es ist oft sehr mühselig, an Informationen aus der Geschichte eines solch altehrwürdigen Hauses zu gelangen. Fast zwei Drittel des amtlichen Aktenbestandes von Pankow wurden während des Vorrückens der Roten Armee 1945 auf Berlin im Innenhof des Rathauses Pankow verbrannt.

Umso größer war die Freude, als sich Simone Kehrer meldete. Vorfahren von ihr lebten von 1931 bis 1934 im „Haus Horridoh“. Wir verabredeten uns und ich durfte einen Blick in die alten Fotoalben der Familie werfen. Hier spiegelte sich nicht nur die Geschichte der Familie, sondern auch Bezirksgeschichte wider. Die Urgroßeltern von Frau Kehrer, Alfred Bünsow (1884-1937), Schilderfabrikbesitzer, und seine Frau Anna Alma Bünsow, geb. Pflugradt (1884-1976), lebten drei Jahre mit ihren Kindern im „Haus Horridoh“.

Alfred Bünsow war gestandener Pankgraf, hiervon zeugen noch zahlreiche Bilder. Sie zeigen ihn mit seinen Ordensbrüdern auf Ausflügen und bei Besuchen von Biergärten, stets in voller Ordenstracht. Überraschend für mich war das Foto, auf dem Anna Alma Bünsow sich vor einer Mauer des Anwesens in weiblicher Ordenstracht zeigt.

Von der damaligen Linden Straße 33, heute Grabbeallee, hatte es Alfred Bünsow nicht weit bis zum Stammlokal seiner Ordensbrüder. Das Restaurant „Zum Pankgrafen“ lag direkt in der heutigen Ossietzkystraße auf Höhe der Panke. Hier hatte das Lokal neben Sitzplätzen für mehrere Tausend Gäste auch eine angeschlossene Panke-Badeanstalt. Die Pankebäder wurde in den 1920er Jahren wegen zu starker industrieller Verschmutzung der Panke alle geschlossen und das Restaurant nebst Biergarten fiel den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs zum Opfer.

Wir bleiben zeitlich Anfang der 1930er Jahre im „Haus Horridoh“. Die Bilder zeigen den Alltag, wie er auch anderen Ortes sein könnte. Der Dackel hütet das Haus. Es werden Hühner gefüttert. Man genießt die Tageszeitung bei ersten Sonnenstrahlen. Aber eine Besonderheit verbirgt „Haus Horridoh“ in den 1930 er Jahren.

Nicht nur für heutige Verhältnisse befremdlich, dürften die Affen von Alfred Bünsow wol damals schon für Aufsehen und Gerede gesorgt haben. Vermutlich brachte eine Schwester von Alfred Bünsow die Tiere mit. Sie hatte 1919 einen deutschen Konsul geheiratet, mit dem sie viele Jahre erst in Kamerun, dann an der westafrikanischen Küste lebte.

Neben einigen Schnappschüssen der Affen im Haus und in der Remise zeigen sie auch das Pankower Leben am Wochenende. Während es sich Alfred Bünsow mit seinen Ordensbrüdern im Restaurant „Zum Pankgrafen“ gutgehen lässt, besucht Anna Alma Bünsow das nur 15 Fußminuten entfernte Traumland Schönholz, der Vergnügungspark, der nur wenige Jahre später zum Zwangsarbeiterkomplex Lunalager wird.

Die Kulissen vom Traumland Schönholz sind unverwechselbar. Damals gab es hier ein Riesenrad, die Himalayabahn, das Oberbayern, Restaurant Schloss Schönholz und vieles mehr. Es gab auch einen Pavillion, die Traumstadt Liliput, bei der sich kleinwüchsige Menschen zur Schau stellten oder gestellt wurden. Heute unvorstellbar, aber damals üblich.



Horridoh


1935 zog Familie Bünsow in die Parkstraße. Was aus den Affen wurde? Wer weiß? Bilder von ihnen gibt es nur aus „Haus Horridoh“. Alfred Bünsow musste jetzt nur noch einige Meter die Parkstraße entlang, in den Elisabethweg abbiegen und saß sofort im „Restaurant zum Pankgrafen“ unter seinen Ordensbrüdern. Der kurze Heimweg war bestimmt kein Zufall. Leider verstarb Alfred Bünsow schon drei Jahre nach seinem Umzug.



Dass wir heute einmal hinter die Fassade des Hauses einen kurzen Blick in die 1930er Jahre werfen konnten, verdanken wir zwei Frauen, die diese historischen Bilder aufbewahrt, gehütet, weitergegeben und mit uns geteilt haben, die Tochter von Anna Alma Bünsow, Irmgard Bünsow und deren Tochter Simone Kehrer.

Unser kleiner Einblick endet wie er begann, mit einer seltenen historischen Privataufnahme von „Haus Horridoh“. Vielen Dank an Simone für diese interessanten Aufnahmen aus dem Herzen Pankows.
Autor: Christian Bormann
Red. Bearbeitung: Martina Krüger
Fotos: Christian Bormann, Simone Kehrer