Das bulgarische Geisterkonsulat und der Geheimtunnel

In der Beuthstraße 6/7 am Brosepark steht ein Millionengrundstück im Dornröschenschlaf und siecht so langsam vor sich hin. Es ist so gut wie nichts bekannt über das Anwesen. Dass es zu DDR-Zeiten erbaut wurde, sieht man der Architektur an. In einigen Online-Straßenkarten wird das Gebäude fälschlicherweise als Bulgarische Botschaft beschrieben.

ehem. bulgarisches Konsulat am Brosepark, Oktober 2022

Die Bulgarische Botschaft in der DDR hatte ihren Sitz in der Berliner Straße in Pankow, genauer gesagt in der historischen Villa des jüdischen Zigarettenfabrikanten Garbaty. Ihr heutiger Sitz ist in der Mauerstraße 11. Das Anwesen in der Beuthstraße 6/7 war das bulgarische Konsulat.

Luftaufnahme ehem. bulgarisches Konsulat Beuthstraße 6/7, Dezember 2022

Während die Botschaft eines Landes auf Regierungsebene arbeitet, kümmert sich ein Konsulat in der Hauptsache um die Angelegenheiten der eigenen Bürger im Gastland der Vertretung. Dem Konsulat in der Beuthstraße kam bis in die achtziger Jahre besondere Bedeutung zu.

vorgesetzte Anliegerwohnung des Konsulats mit Tiefgarage, Mai 2023

Aus der historischen Aufarbeitung der DDR Stasiunterlagen ist heute einiges über die besonders intensive Zusammenarbeit des MfS (Ministerium für Staatsicherheit) und dem DS der Bulgarischen Staatsicherheit bekannt. Im Kern ging es um die Identifizierung von potentiellen Republikflüchtlingen und die Verhinderung einer Republikflucht zum Nachteil der Deutschen Demokratischen Republik. Als operatives Objekt kommt hier die Beuthstraße als konsularische Vertretung Bulgariens in Ost-Berlin ins Spiel.

Rückseite des Konsulats mit Garten und Terasse, Juni 2023

Mit dem Bundesgesetzblatt Jahrgang 2014 Teil II Nr. 15, ausgegeben zu Bonn am 25. Juni 2014 über die deutsch-bulgarische Vereinbarung über die gegenseitige Übertragung von Eigentum an Grundstücken in Berlin und Sofia vom 10. April 2014 erkennt die Bundesregierung das Eigentum am Grundstück der Republik Bulgarien an.

Die Republik Bulgarien verfügt seit 2014 über mehrere Grundstücke in Berlin als Eigentümerin. Das Grundstück in Berlin-Pankow, Beuthstraße 6/7, eingetragen beim Amtsgericht Lichtenberg im Grundbuch von Pankow, Blatt 2678N unter der laufenden Nummer 1, Gemarkung Pankow, Flur 43119, Flurstück 475 mit einer Größe von 2960 Quadratmetern ist also Bulgarisches Eigentum.

Pankow hat inzwischen so einiges an Erfahrung mit leerstehenden Botschaften und Konsulaten. Die berühmtesten zwei Beispiele sind die Irakische Botschaft in der Tschaikowskistraße und die Villa vor Schönholz. In beiden Fällen muss der Bezirk dem Verfall tatenlos zusehen, wobei der Skandal um die historische Villa vor Schönholz inzwischen internationale Kreise zieht.

Ein gutes Beispiel ist die ehemalige Botschaft Australiens in der Grabbeallee. Nach der Rückübertragung gab es einige Zwischennutzer wie Tape TV, so verfiel das Gebäude nicht und wird jetzt zu einer dringend benötigten Schule umgebaut. Im Fall unseres Geister-Konsulats haben wir zwei eingerichtete und gut versiegelte Gebäude. Der gute Zustand trotz jahrelangem Leerstand lässt sich sicherlich auch durch die Kameraüberwachung erklären.

Beide Gebäude sind weitgehend beräumt und bis auf Möbel und einige technische Hinterlassenschaften fast besenrein. Im Hochparterre befinden sich eine Gemeinschaftsküche, Speise- und Tanzsaal. Hinzu kommen kleinere Aufenthaltsräume mit Umkleide und WC. Diese Etage war für Empfänge und ähnliche Veranstaltungen gedacht. Die Kristallkronleuchter und das Klavier erinnern an Zeiten, in denen das Gebäude noch belebt war.

Eine Etage höher befindet sich das Konsularbüro. Dem schließen sich Küche, Saal, WC mit Badewanne und separaten Gästeräumen an. Als letztes bleibt der noch der Blick in den Keller. Hier möchten ich heute ein gut gehütetes Geheimnis lüften. Der Keller war als Sicherheitsbereich nur über eine Tür mit Klingel zu betreten.

Hinter der Kellertür befindet sich der Flur, Feuchtigkeit lässt die Farbe von der Decke fallen. Hinter den Türen befinden sich zum Teil Technik- und Lageräume. Zwei alte Rheinmetall-Schreibmaschinen, einige Telefone und zahlreiche Leuchtkörper haben sich erhalten. Soweit nicht ungewöhnlich.

Kellergeschoss vor den Schutzräumen, Juni 2023

Ein kleinen Sprung um die Ecke befinden sich dann Luftschutztüren zu einem besonders gesicherten Bereich.

Mit der ersten Luftschutztür steigt die Spannung, die gute Erhaltung der Räumlichkeiten vereinfacht es auch nach so vielen Jahren Leerstand, noch die Nutzung der Zimmer zu erkennen. Als erstes ist ein Mannschaftsumkleideraum zu erkennen.

Mannschafts- oder Gruppenumkleideraum im Keller, Juni 2023

Dem schließt sich ein großer abgestufter Aufenthaltsraum mit Kamin und Deckenkunstwerk aus Holz an. Bei dem Holzkunstwerk dürfte es sich wohl um ein Designobjekt handeln das heute noch wie damals einen erheblichen finanziellen Wert darstellt.

Aufenthaltsraum im Keller mit Kamin und Deckenkunstwerk aus Holz, Juni 2023

Der Mannschaftsumkleideraum war schon etwas auffällig, ansonsten erregte der Aufenthaltsraum bei mir noch kein Verdacht, auch Luftschutztüren wurden zu DDR-Zeiten für alle möglichen Zwecke eingesetzt und waren nicht zwangsläufig ein Hinweis auf Bunker.

Designkunstwerk an der Kellerdecke des Aufenthaltsraums, Juni 2023

Nach zwei Luftschutztüren kommt ein letzter kleiner Kellerraum, etwa 20 Quadratmeter groß, auch hier einige Tische und kleine Möbel. Fast hätte ich sie übersehen. Am Boden der Außenwand befindet sich eine Luftschutzsicherung.

Aufenthaltsraum mit Kamin und Kunstwerk, Juni 2023

Praktisch eine Miniaturtür. Ich öffnete die Tür und konnte kaum glauben was ich sah. Vor mir erstreckte sich eine lange Betonröhre. Ein Kriechtunnel? Langsam dämmerte es mir. Sollte es sich wirklich um einen geheimen Tunnel handeln, durch den das Konsulat unbemerkt betreten und verlassen werden konnte?

Kamin im Aufenthaltszimmer, Juni 2023

Meine Neugier war zu groß. Ein geheimer Kriechtunnel unter dem bulgarischen Konsulat am Brosepark? Das konnte ich einfach nicht glauben. Agententätigkeiten im Gebäude hin oder her, aber das wäre schon eine andere Liga. Nicht einmal die Irakische Botschaft in der Tschaikowskistraße hatte so etwas und dort sollen Agenten des Iraks und Terroristen sich die Klinke in die Hand gegeben haben.

Zugang vom Konsulatskeller in den geheimen Kriechtunnel, Juni 2023

Es half alles nichts, die Neugier war größer als die Platzangst, also ging es jetzt Meter um Meter voran in die Röhre. Kein gutes Gefühl nicht zu wissen, wohin der Tunnel führt. Die Röhre ist gerade groß genug damit Erwachsene auf allen Vieren hindurch kriechen können. Ein Umdrehen war nicht möglich. Zudem ist hier mit Sicherheit seit über 30 Jahren niemand mehr durchgekrochen.

Autor Bormann beim Erkunden des Tunnels unter dem ehem. bulgarischen Konsulat Beuthstraße, Juni 2023

Selbst die wenigen Spinnen, die sich hier nach unten verirrt hatten, sind verhungert. Die Mühe hat sich gelohnt. Nachdem ich die Röhre bis zum Ende gekrochen war, sah ich Leitersprossen. Es war ein kleiner gemauerter Schacht. Ich war froh wieder stehen zu können.

geheimer Kriechtunnel unter dem ehem. bulgarischen Konsulat am Brosepark, Juni 2023

Die Leitersprossen hinauf kam ich an eine Metallklappe. Sie war von innen gesichert. Zu meinem Glück hatte eindringende Feuchtigkeit die letzten 50 Jahre die Sicherung verrosten lassen. Sie war nur noch Makulatur. Vorsichtig öffnete ich die Metallklappe und gelangte wieder ins Freie.

versteckter Tunnelausgang, Juni 2023

Meine Erleichterung war groß, als ich wieder heil in einem ehemaligen Teil des Broseparks stand. Es war also jetzt bewiesenermaßen ein geheimer Kriechtunnel. Wie Tunnel und Mannschaftsräume im Keller zusammen hängen, lässt sich noch nicht sagen. Auf jeden Fall hat das Gebäude nach Jahrzehnten sein Geheimnis preisgegeben.

Luftaufnahme ehem. bulgarisches Konsulat und Brosepark, Blickrichtung Fernsehturm, Januar 2023

Bleibt zu hoffen, dass das Gebäude schnell wieder genutzt wird, bevor die Schäden durch Leerstand diese kleine architektonische Perle am Brosepark zerstören. Das Grundstück darf nicht betreten werden und ist kameraüberwacht.

Audiobeitrag Deutschlandfunk. Irakische Botschaft, Anatomie- und Spreepark Berlin mit Christian Bormann.

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Autor: Christian Bormann

Red.Bearbeitung: Martina Krüger

Bilder: Christian Bormann, Guido Kunze, Billy Jazosch

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