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Der Glockenraub von Heinersdorf

„Heiliger Bimbam! Diebe klauen 500-Kilo-Glocke“, so titelte der Berliner Kurier am 17. und 18. Juli 2023. Hinter der Schlagzeile, die nach einem Schmunzler klingt, verbirgt sich eine kleine Katastrophe. Nur wenige wussten von der über 500 Jahre alten Glocke, die im Innenhof der Pfarrei in Heinersdorf stand.

Die Bronzeglocke von 1513, mit einem Durchmesser von 93 cm und einer Höhe von 110 cm, wurde in der Endschlacht um Berlin bei den Kämpfen zwischen Wehrmacht und Sowjets in Heinersdorf 1945 beschädigt. Seit dem Ende der 1970er Jahre stand sie auf einem Klinkersockel. Hier stand sie auch noch während der Bauarbeiten, die seit etwa 2 Jahren an den umliegenden Gebäuden stattfinden.

Am Donnerstag, dem 13.07.2023 soll die Glocke noch an ihrem Platz gestanden haben. Am 15.07.2023 bemerkt Pfarrerin Anne-Kathrin Finke auf dem Weg zum Sonntagsgottesdienst, dass die Glocke nicht mehr an ihrem Platz steht und informiert die Polizei. Das Gelände ist eine Baustelle und und so wundert es nicht, dass der genaue Zeitpunkt des Diebstahls gar nicht benannt werden kann.

Als sicher gilt, dass der Gemeindesaal am Donnerstag noch ausgeräumt wurde und die Glocke auf Ihrem Platz stand. Zeugen wollen noch am Donnerstag Abend gegen 18 und gegen 21 Uhr mehrere unbekannte Personen und einen weißen Transporter gesehen haben. Es könnte sich um einen einfachen Buntmetalldiebstahl handeln, ähnlich wie 2014, als Kupferdiebe die neue Dacheindeckung der barocken Schlosskirche von Berlin-Buch stahlen oder der Bronzeraub vom Sowjetischen Ehrenmal Schönholz.

Der aktuelle Wert für 500 kg Bronze liegt gerade mal zwischen 2350 und 5855 Euro. Ganz anders sieht es hier bei dem Verkehrswert solch eines antiken Kunstschatzes aus. Eine Berliner Bronzeglocke von 1513 mit Spuren des Endkampfes des 2. Weltkriegs würde ich mit einem Verkehrswert nicht unter 25.000 Euro ansetzen. Das Sammlerfeld reicht hier von sakraler Kunst über Bronzekunst bis hin zu Militariasammlern.

Ich habe die Pfarrkirche in Heinersdorf früher oft besucht. Es ist ein völlig aus der Zeit gefallener Ort und die heute so schmerzlich beklagte Bronzeglocke war nur eine von vielen Besonderheiten, die Heinersdorf und besonders das alte Kirchengrundstück zu bieten hatten. Ganz bewusst habe ich darauf verzichtet, den Ort der Öffentlichkeit zu zeigen, um ihn so lange wie möglich zu erhalten. Auch heute soll es nur um die gesuchte Glocke gehen.

In Absprache mit Pfarrerin Finke war ich diese Woche drei Mal vor Ort. Ich wollte mir selbst ein Bild machen. Am Tatort sind an dem Klinkersockel Schleifspuren zu sehen. Der Abdruck der Glocke im Sockel verrät, dass die Glocke gehoben und nicht seitlich weggezogen wurde. Die Abriebkante am Klinkersockel sieht aus, als wären sie von einer Raupe, wie sie auf Baustellen verwendet wird, verursacht worden. Es scheint sich sogar noch Gummiabrieb an den Bruchstücken zu befinden.

Für den Artikel habe ich die letzten Aufnahmen des historischen Pankower Kunstschatzes recherchiert. Es sind Luftaufnahmen, sie zeigen den Innenhof der Pfarrerei kurz vor Abschluss der Dacharbeiten als Baustelle. Die Glocke steht noch zwischen Dachziegelpaketen und Raupenlift. Die Aufnahmen sind auf der Internetseite der ausführenden Dachdeckerfirma zu finden.

Heute ist der Hof fast besenrein. Die Ziegel liegen auf dem Dach, die Baustelle ist bis auf einen kleinen Sperrmüllhaufen beräumt. Von der Glocke, die ein halbes Jahrtausend hier ausharrte und die wohl zu den am unterschätztesten kulturhistorischen Artefakten in Pankow zählte, fehlt jede Spur.

Autor: Christian Bormann

Red. Bearbeitung: Martina Krüger

Bildquellen: Christian Bormann, Guido Kunze, Berliner Kurier, Gemeinde Heinersdorf, Universum Dachbau GmbH

Zeugenaufruf des Landeskriminalamts:

https://www.berlin.de/polizei/polizeimeldungen/sachfahndung/pressemitteilung.1347681.php

Die Waffenkammer und der Munitionsbunker der DDR-Regierungseskorte in Weißensee

Hinter dem roten Backsteinbau Berliner Allee, Ecke Liebermannstraße steht noch ein unscheinbares Verladegebäude der Raspe-Werke, bewacht von einem alten BT-6 Postenturm. Bei dem zweistöckigen Gebäude mit Keller und Gleisanschluss an die Industriebahn handelt es sich um einen Teil des Apparate-Werkes Carl Otto Raspe. Das kleine Fabrikgebäude wurde schon 1939 errichtet, hier begann die Rüstungsproduktion.

Raspe schloss 1941 einen Rüstungsgütervertrag mit dem Deutschen Reich. Im Anschluss bekamen die Brüder Hans und Carl Otto Raspe einen Kredit der Bank der Deutschen Luftfahrt AG. Sie mussten schnell expandieren, der gesamte L-förmige rote Backsteinriegel Berliner Alle Ecke Liebermannstraße wurde 1941 als Erweiterung der Raspe-Werke nach den Plänen von Richard Schubert für die Kriegsgüterrüstung gebaut. Heute ist der Gebäudekomplex unter dem Namen Askania-Werke am geläufigsten.

Denn ab 1943 wurden die ausgebombten Askania-Werke in den Raspewerken untergebracht. Beide Betriebe arbeiteten jetzt fast ausschließlich an der Fluginstrumentenfertigung. Kurz nach Kriegsende, im August 1946 zieht die SAG „Sowjetische Aktiengesellschaft in Deutschland“ in das Werk ein und übergibt es 1953 dem Ministerium für Staatsicherheit.

Während im Hauptgebäude mehrere Polizeidienststellen und das MfS sitzt, kommt dem alten Gebäude an der Industriebahn eine besondere Verwendung zu. Hier hat die Hauptabteilung Personenschutz die Motorradeskorte der DDR-Staatsregierung und das Wachbataillon untergebracht. Im Keller befinden sich die Raumschießanlage, die Waffenkammer und der Munitionsbunker.

Die Aufgaben der Regierungseskorte und des Wachbataillons waren zahlreich. Vom einfachen Objektschutz durch das Wachbataillon über die mobile Sicherung von Regierungsmitgliedern bei Veranstaltungen oder Reisen bis hin zum Schutz der Siedlung Wandlitz fiel vieles darunter. Nicht zufällig lag das Objekt an der Protokollstrecke nach Wandlitz. Während das Hauptgebäude an der Liebermannstraße schon seit Ewigkeiten saniert ist, hat sich auf dem Hof das alte Raspe-Werksgebäude am Gleis der Industriebahn erhalten.

Die Nordseite des Gebäudes ist noch von der Werksmauer umgeben und die Einfahrt heute zugewachsen. Der Gleisanschluss samt Prellbock aus den 1940er Jahren ist ebenso erhalten wie der 1970 vom Ministerium für Staatsicherheit errichtete Postenturm auf der alten Werksmauer. Selbst ein Teil der Signaldrahtanlage aus den 1970ern steht noch komplett erhalten auf ihr.

Eine unscheinbare Stahltür hinter Büschen war der einstige Werkseingang, dahinter befindet sich das Treppenhaus, heute der unscheinbarste Teil des Objekts, aber auch der am besten erhaltene.

Vom Hof der ehemaligen Askania-Werke aus gibt es eine Zufahrt für die Motorradeskorte in die im Keller gelegene Kraftradhalle. Ein paar Meter weiter an der Rückseite befindet sich der gesonderte Personenzugang der Eskorte und dahinter der Durchgang zum Schießstand, genauer gesagt zur Raumschießanlage, dem sogenannten Tunnel.

Ulbricht, Grotewohl und Chruschtschow auf der Protokollstrecke Ossietzkystraße zum Schloss Niederschönhausen, geschützt von vom Ministerium für Staatsicherheit Hauptabteilung Personenschutz, Motorradeskorte, Mai 1960

Von hier aus wollen wir unseren kleinen Rundgang durch die vergessene Waffenkammer und den Munitionsbunker starten. Als erstes geht es etwa zwei Meter die Treppen nach unten zur noch eingerichteten Umkleidekammer. Der Zahn der Zeit und das ständig eindringende Grundwasser haben die Holzeinbauten zusammenfallen lassen.

Umkleideschränke, Zugang zum Tunnel, Mai 2023

Das Tor der Eskorte, von hier aus geht es zum Tunnel der Raumschießanlage. Die meisten Einbauten wurden schon entfernt, der Verwendungszweck als Schießstand ist aber noch gut zu erkennen. Auf dem Boden liegen einige verkohlte Brandreste. Am Ende des Tunnels befindet sich eine Schleusentür zur Waffenkammer.

Im gesamten Keller riecht es modrig, kalt zieht es durch die Schleusentür als ich die Waffenkammer betrete. Unglaublich, die Waffenschränke, Tresore und Regale stehen alle noch an Ort und Stelle. Hier ist die Zeit vor 30 Jahren stehen geblieben, genauer gesagt am 23. Juni 1990. Zwanzig Vertreter des Runden Tisches Weißensee, darunter der Ingenieur Gert Schilling, später Bürgermeister von Weißensee, forderten Einlass in das Objekt des Ministerium für Staatssicherheit.

Der wurde Ihnen auch gewährt, was sie fanden, war unglaublich. Mitten im Wohngebiet stießen sie auf acht Waffenkammern und einen Munitionsbunker. Eine der Waffenkammern sowie der Munitionsbunker sind bis heute hier im alten Teil des Raspe-Werks erhalten geblieben.

Die rauen Mengen an Waffen und Munition waren schier unglaublich.

  • 4000 Handgranaten
  • 145 Panzerfäuste
  • 1089 Gewehre
  • 35 Scharfschützengewehre mit Zielfernrohr
  • 15 Maschinenpistolen
  • 1335 Pistolen

Die Zahl der Mitarbeiter des Wachbataillons Abt. Objektschutz wird auf 300 bis 800 geschätzt, die Eskorte soll bis zu 40 Mitarbeiter gehabt haben. Die Waffenkammern und der Bunker wurden unter Aufsicht eines Bürgerrates 1990 abtransportiert.

In das Hauptgebäude an der Berliner Allee Ecke Liebermannstraße zogen 1990 das Bezirksamt und das Finanzamt ein. Das kleine Werksgebäude Neumagener Straße samt Waffenkammer und Munitionsbunker fiel in den Dornröschenschlaf. Hier stehen sie bis heute und rosten vor sich hin. Schwere Tresore und Waffenschränke. In mehreren Räumen befinden sich Schwerlastregale für Waffen und Zubehör.

Eine schwere Gittertür fällt sofort auf. Dahinter befindet sich ein kleiner Flur mit mehreren Kammern, die mit Schleusentüren versehen sind. Es handelt sich um den Munitionsbunker. Hier lagen zeitweise bis zu 4000 Granaten.

Munitionsbunker, Mai 2023

Der Zugang zum Treppenhaus ist in Sichtweite. Dem Treppenhaus vorgelagert sind Mannschaftshygieneräume mit Toiletten und Waschhalle. Der gute Erhalt erklärt sich wohl aus der schlechten Nutzbarkeit wegen eindringendem Grundwasser und dem Denkmalschutz der Raspe-Werke.

Der Kraftradhalle ist noch ein Raum vorgelagert. Ich traue meinen Augen kaum, als ich über die Steuerunterlagen mehrerer Tausend Berliner stolpere. Ganz unbekannt ist mir der Anblick nicht. Bereits 1998 hatte ich als Jugendlicher Akten aus den verwaisten Werksgebäuden an der Liebermannstraße gesichert. Aber nach über 30 Jahren noch Steuererklärungen vom damals hier ansässigen Finanzamt zu finden, war eine Überraschung.

Es handelt sich um Steuererklärungen aus allen Bereichen aus den Jahren 1980 bis 1989 Berlin-Ost. Wahrscheinlich hat das Finanzamt in der ehemaligen Kraftradhalle der Eskorte Aktenbestände vor Ihrer Vernichtung gelagert. Warum diese hier einen Raum weiter liegen blieben, ist nicht bekannt.

Die Kraftradhalle ist in einem guten Zustand und wird als Hausmeisterwerkstatt für das ehemalige Askania-Werk genutzt. Hier haben heute viele Künstler ihre Räumlichkeiten.

Von den Einbauten der Kraftradhalle ist heute noch die Abgasentrauchungsanlage erhalten geblieben. Ebenerdig sollte sie die Abgase der ein- oder ausfahrenden Motorradeskorte absaugen, um Vergiftungen zu verhindern.

Die Kraftradhalle hat eine eigene Kellereinfahrt für die Motorradeskorte, durch diese verlasse ich das alte Raspe-Werk wieder auf den Hof der ehemaligen Askania-Werke.

Einfahrt in die Kraftradhalle der Eskorte, Zufahrt Hof Askania-Werk, Mai 2023

Das Gebäude ist nicht öffentlich zugänglich und gut gesichert. Bleibt zu hoffen, dass diese gruselige Zeitkapsel noch lange erhalten bleibt.

Informationen zu Hans und Carl Otto Raspe Apperatewek Weißensee Rüstungskredit:

https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/YEIFII3FOM3HEYQI32LGDMGEPN6LRBTK

Informationen zu Objektem, Mitarbeitern und Funktionen des Ministerium für Staatsicherheit:

http://www.argus.bstu.bundesarchiv.de/BStU_MfS_BV-Berlin_AKG-PI-Hhsch/index.htm?kid=f6d9271c-5622-43d6-be4d-3b62d26dd38d

Link: 360° interaktives Panorama:

https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=pfbid0dkBLh4orqm8mTd8UPDcAbCHSBiPoc8magH6FVrHZdu13PyfYGN37x5crKUeHP8WDl&id=100067457917674https://m.facebook.com/story.php?

Autor: Christian Bormann

Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger

Fotos: Christian Bormann, Guido Kunze, Bundesarchiv

Quellen: Berlin Pankow aus der Orts und Baugeschichte, BstU, Deutsche Digitale Datenbank

Das bewohnte Geisterhaus von Pankow

In dieser Chronik berichte ich gern von sogenannten Geisterhäusern. Mir selbst sind an die 20 solcher Liegenschaften in Pankow bekannt. Einige dieser altehrwürdigen Häuser, deren Erbauungszeit vom Historismus bis in die 1930er Jahre reicht, sind wahre Zeitkapseln. Voll ausgestattet mit Dingen ihrer jeweiligen Epochen wirken sie, als wenn sie von einem Tag auf den anderen verlassen wurden.

Ein Beispiel dafür ist in der Geschichte „Eine Zeitkapsel im Florakiez“ zu finden. Ich beschränke mich darauf, diese Orte im Auge zu behalten und nicht zu publizieren, um sie so lange wie möglich zu schützen. So auch im Fall der „Geistervilla“ von Wilhelmsruh. Am 14.09.2022 las ich einen Onlineartikel der Berliner Morgenpost „Richtiges Geisterhaus“: Rätsel um verschollenen Besitzer.

Der Schreck war groß. In dem Artikel stand die Straße und Hausnummer. Aber nicht nur das. Fatalerweise war die Rede davon, das Haus stünde leer und der Besitzer sei seit Mitte 2021 amtlich verschollen. Es stimmt, bei der Villa handelt es sich optisch um ein Geisterhaus par excellence. Das Dach ist beschädigt, die Fenster im ersten Stock sind zum Teil mit Sperrholz verschraubt, andere mit Steinen eingeworfen. Am linken Giebel bröckelt Putz und der rechte Giebel ist vom Keller bis zum Dach mit Efeu überwachsen.

Hinter dem Zustand des Hauses verbirgt sich das Schicksal seines Bewohners Olaf Hoepfner. Sein Urgroßvater, der das zunächst einstöckige Haus um die Jahrhundertwende kaufte, war seinerzeit der bekannte Fleischermeister Hoepfner in Rosenthal. Er war es auch, der die Villa aus dem Historismus in den 1910er Jahren um eine Etage aufstocken ließ, wobei der Aufbau bis zur Dachspitze im Stil des Historismus und der Gründerzeit weitergeführt wurde.

Ich habe am Freitag mit dem Bewohner Olaf über den Zeitungsartikel in der Morgenpost gesprochen und wollte ihn vor unerwünschten Besuchern warnen. So spannend die Geschichte auch ist, so hat sie zur Folge, dass sich Lost Place-Touristen auf den Weg machen, um den Ort zu erkunden. In der Hoffnung auf ein gutes Foto oder kleine Schatzfunde brechen sie in die Häuser ein. Besonders fatal wenn es heißt, das Haus ist „unbewohnt“. Aber ich kam zu spät. Bereits am Donnerstag, Olaf sitzt im zweiten Stock seines Hauses – hier hat er ein Zimmer in stand gehalten und sich zurückgezogen- da hört er Geräusche im Erdgeschoss. Eine unschöne Begegnung. Mehrere Jugendliche waren durch ein Fenster im Erdgeschoss eingebrochen. Olaf stellt die Einbrecher zur Rede. Diese beteuerten Ihrerseits, den Artikel gelesen zu haben. Sie beriefen sich auf die Aussage im Artikel, das Haus wäre unbewohnt.

Die Berliner Morgenpost macht wie ich finde eine sehr gute regionale Arbeit. Nicht selten auch mit mir zusammen. Ich komme mit Olaf ins Gespräch. Der ruhige und sympatisch wirkende 57-jährige Trockenbauer fängt an, vom Haus und seinem Leben mit dem Haus zu erzählen. Nach dem Krieg drängte die Komunale Wohnungsverwaltung seine Oma als Eigentümerin aus dem Grundbuch, wobei sie gnädigerweise als Mieterin im Haus verbleiben durfte. Nach der Wende nahm Olaf seine Ersparnisse und investierte sie in einen Anwalt, der die Rückübertragung erreichte.

Sein Ziel war, das Haus wieder herzurichten und zu einem Heim für sich und seine Frau zu machen. Als Olaf von seiner Frau erzählt, fangen seine Augen an zu leuchten. Doch dann erzählt er von ihrer Krebserkrankung. Wie sie am ersten Tag des neuen Jahres 2011 zusammenstehen und sich sagen: „Wie wird das Jahr wohl“. Da hustet sie schon. Am Tag darauf kommt sie ins Krankenhaus und verstirbt. Ein schwerer Schlag für Ihn. „Sie war einmalig“ sagt er und lächelt. „So eine Frau gibt es kein zweites Mal“. Und sein Blick wird trauriger.

Jetzt war Olaf mit seiner Mutter und seinem Hund allein im Haus. „Sie war nicht einfach“, sagt Olaf, „aber ich habe mich immer liebevoll um sie gekümmert. Meine Brüder haben den Kontakt zu ihr irgendwann gemieden, sie konnte halt sehr anstrengend sein“. Nach dem Tod seiner Frau hatte Olaf nicht mehr die Kraft, das Haus zu renovieren. Mit seiner Frau starb auch etwas in ihm. Er bewältigte sein Alltag und versorgte seine Mutter, bis 2016 Feuer im Erdgeschoss ausbrach.

Zwei Fenster im Erdgeschoss sind heute noch mit Sperrholzplatten verschlossen. Sie sind stumme Zeugen des Feuerwehreinsatzes. Seine Mutter verließ das Haus und Olaf rettete, was zu retten war. Das Feuer hatte starke Schäden hinterlassen und des Inventar kontaminiert. Er zog sich in ein einziges Zimmer im zweiten Stock zurück. Jetzt war Olaf mit seinem Hund allein in der großen Villa. „Ein treuer Wegbegleiter über all die Jahre und das letzte was mich mit meiner verstorbenen Frau verband“, erzählt er. Aber 2021 verstarb auch sein Hund.

Ich spreche Ihn auf das Foto vom Hof an, dass im besagten Artikel zu sehen war. „Ich bin kein Messi“, sagt er. Es handelt sich um zusammengetragene Baustoffe und Ähnliches. Ursprünglich für die Renovierung gesammelt. Aber so wie sein Lebensglück zum Erliegen kam, so erging es auch Haus und Hof. Olafs Gesichtsausdruck ist milde aber man erkennt die Spuren der letzten Jahre in seinem Gesicht. Ich frage ihn, warum er das Haus nicht verkauft? Es wäre doch so viel einfacher für ihn. Verkaufen will er nicht. Seine Begründung ist aller Ehren wert. „Ich habe Angst, dass es abgerissen und durch einen seelenlosen Betonwürfel ersetzt wird.“ Er lächelt und erzählt weiter: „Aufgegeben habe ich noch nicht.“ Tatsächlich tüftelt Olaf daran wie er seine Geliebte „Geistervilla“ noch retten kann.

Autor: Christian Bormann, Bilder: Bormann/Kunze, Redaktion: Martina Krüger

Kleine Sensation, 80 Meter innerdeutsche Staatsgrenze im Urzustand in Pankow entdeckt

Die Entdeckung gelang mir bereits 1999, bis heute habe ich sie jedoch geheim gehalten. Es geht um etwa 80 laufende Meter innerdeutsche Staatsgrenze vom 13. August 1961 im Urzustand. Das letzte noch existierende Stück Berliner Mauer 1 im Originalzustand.

Autor-, und Heimatforscher Bormann auf der Berliner Mauer vom 13. August 1961

Im Urzustand heißt: die erste Generation der Behelfsmauer mit kompletten Antipersonenaufbau. Der auf der ganzen Welt bekannte Stacheldraht, ergänzt durch Strom und Alarmdrähte.

Erhaltene Aufbauten innerdeutsche Staatsgrenze Pankow-Schönholz

Selbst die Verteileranschlüsse der Alarmdrähte sind noch vorhanden. Es handelt sich nicht um einen extra errichteten Mauerstreifen. Wie am 13. August 1961 beim hastigen Mauerbau üblich, wurden bestehende Bauwerke mit einbezogen.

Verteiler mit Meldedrähten der Alarmanlage 1961, 2018 Pankow-Schönholz

Die 80 Meter Staatsgrenze wurden auf der Außenwand mehrerer zerbombter Mietshäuser in der Schützenstraße Schönholz errichtet.

Bahnhof Schönholz, links Sperrgebiet der DDR Staatsgrenze, rechts Reinickendorf

Die zerstörten Mauerteile wurden mit weißen Steinen wieder aufgemauert und Lücken geschlossen. Die Kellerzugänge der Häuser wurden gesprengt und mit Trümmern beschwert.

1961 gesprengter Kellereingang

Der Sperrstreifen musste zur besseren Verteidigung teilweise beräumt werden, um freies Schussfeld Richtung Osten zu haben.

Antipersonenaufbau und Signalanlage von 1961 auf der Berliner Mauer 2018

Von den im 2. Weltkrieg beim Angriff auf den Verladebahnhof Pankow-Schönholz zerbombten Wohnhäusern an jener Stelle ließen die Grenztruppen nur zwei Außenmauern stehen.

Mauerbau 1961, Friedrichstraße Ecke Zimmerstraße

Die Trümmerreste wurden auf Loren in die Schönholzer Heide gebracht. Im Prinzip kann man sagen, dass die Wohnhäuser nur die Straßenseite gewechselt haben. Sie liegen heute gut sichtbar auf dem Grundstück des Schützenhaus Schönholz.

Schützengelände Schönholz, Schussfang aus Trümmern der Häuser Schützenstraße, Luftbild Bormanns Pankowerchronik

Es ist der etwa 4 Meter hohe Schussfang, der die Anlage umgibt. Bei Begehungen des Schussfangs wurde schnell klar, dass es sich bei den Trümmern nicht nur um die Wohnhäuser der Schützenstraße handeln.

Berliner Mauer von 1961 mit Originalaufbau, Bormann 2018

Zu meinem Erstaunen fanden sich hier auch Reste vom Vergnügungspark Traumland Schönholz und dem später darauf errichteten Zwangsarbeiterlager Luna Lager Schönholz.

Grenzverlauf Pankow-Schönholz 1967 grün, Mauer 1 von 1961 lila, erhalten ist das Dreieck Schützenstraße

Mehreren Zufällen der Geschichte ist es zu verdanken, dass diese 80 Meter Mauer 1 noch stehen. Nur 200 Meter weiter befand sich der erfolgreichste Fluchttunnel der DDR.

Fluchttunnel hinter dem Grabstein Friedhof Pankow

Mehreren hundert Menschen soll die Flucht durch den Pankower Friedhofstunnel gelungen sein. Die DDR-Führung reagierte schnell. Der Friedhof wurde teilweise beräumt um einen Todesstreifen zu errichten.

Ehem. Todesstreifen auf 1963 exhumierten Teil des Friedhofs, anstelle der Vorlandmauer sind Pflastersteine im Boden eingelassen

Die im Anschluss daran gebaute Grenzanlage bestand aus den heute noch bekannten L-Teilen der Vorlandmauer, eine rückwärtige Mauer  Richtung West-Berlin gab es hier nicht.

vergessener Teil der Berliner Mauer 2018 Bahnhof Pankow-Schönholz

Als Ersatz diente die S-Bahntrasse Wollankstraße und Schönholz. Der zweite Zufall der Geschichte baute auf dieser baulichen Abweichung auf.

Ehem. Staatsgrenze Schützenstraße Schönholz 2018

Während die gut sichtbare und allen bekannte Vorlandmauer in Pankow abgetragen und auf dem Mauerfriedhof Brehmestraße geschreddert wurde, blieb die echte Berliner Mauer von 1961 auf dem Eckgrundstück Schützenstraße bis heute unerkannt stehen.

Erhaltene Stacheldraht-, Strom- und Signalaufbauten der Staatsgrenze der DDR in Schönholz

Ich habe das Grundstück jetzt 18 Jahre unter Beobachtung. Heute Nachmittag war ich mit unserem Drohnenpilot Guido Kunze zur Dokumentation des Zustands der technischen Anlagen und der Maueraufbauten verabredet.

DJI_0768.JPG

In Anbetracht des guten, aber von Verwitterung bedrohten Zustands der Anlage und dem Risiko, dass ich eventuell anrückende Bagger zu spät bemerke, habe ich mich entschieden meinen Fund heute öffentlich zu machen und zu melden. In meinen Augen handelt es sich hierbei um ein Bauwerk von herausragender kultureller Bedeutung und damit von besonderem historischen Wert. Ich hoffe, dass die zuständigen Ämter meine Begeisterung teilen und zeitnah tätig werden.

Autor u. Heimatforscher Christian Bormann auf der Berliner Mauer

Parallel zur dieser Veröffentlichung wurde das Landesamt für Denkmalschutz und Archäologie, sowie die Pressestelle des Bezirksamt Pankow schriftlich über den Fund informiert und aufgefordert, sich umgehend für den vorläufigen Schutz der Anlage einzusetzen.

Videoclip: erhaltene Berliner Mauer Pankow-Schönholz 2018

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360° Panorama Grenzanlage Schönholz und Schützengelände in der Heide 2018

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Autor: Christian Bormann, 21.01.2018
Bilder: Christian Bormann, Guido Kunze, Bundesarchiv

Dieser Beitrag ist für meine liebe Freundin Martina Kopera.

Martina ich wünsche Dir viel Kraft und bin in Gedanken bei Dir.

Chris

 

Gerettet, in letzter Sekunde

Zu den zahlreichen Orten, die ich seit Jahren beobachte gehörte auch das Grundstück Grumbkowstraße Ecke Wackenbergstraße.

Einst befand sich hier das alte Betonwerk. Jetzt wird hier Platz gemacht für eine Reihenhaussiedlung.  Der Grund für mein Interesse waren etwa 80 unscheinbare Betonsegmente, die hier seit den 1990er Jahren als Sichtschutz standen.

Grumbkowstraße April 2017

Als ich am 2. April 2017 auf dem Heimweg am Grundstück vorbei fuhr, staunte ich nicht schlecht. Das gesamte Gelände war abgetragen. Drei Bagger und ein riesiger Schlagwalzenbrecher hatten in wenigen Tagen alles zu Staub gebrochen.

Schlagwalzenbrecher Wackenbergstraße

Es war Sonntag und niemand war auf der Baustelle. Die Mauersegmente waren gekippt und lagen auf der Seite. Offenbar hatte die Hamburger Firma keine Ahnung, dass es sich bei den Betonsegmenten um Originalteile der Innerdeutschen Staatsgrenze handelt.

Mauerfriedhof Brehmestraße 1991

Die Teile stammten höchstwahrscheinlich vom Mauerfriedhof in der Brehmestraße. Als Kinder haben wir gern auf dem Mauerfriedhof zwischen den zerlegten Wachtürmen gespielt.

Abbruchbagger Grumkowstraße

Am nächsten Tag bin ich wieder in die Wackenbergstraße gefahren. Eilig bin ich auf die Baustelle und habe mich bis zum Verantwortlichen durchgefragt.

Mauersigmente der Staatsgrenze 2017

Ich habe mich kurz vorgestellt und traf auf offene Ohren. Tatsächlich  wusste das Hamburger Abrissunternehmen nichts von der prominenten Herkunft der Betonteile.  Drei Teile hatte es schon erwischt.

Teile der DDR Staatsgrenze vor dem Schlagwalzenbrecher

Mir wurde zugesagt, dass die Teile nicht zerstört sondern abgefahren werden. Bei meinem erneuten Besuch vor zwei Tagen konnte ich mich überzeugen, dass der Schlagwazenbrecher und die Baufahrzeuge abgerückt waren und die historischen Mauerteile auf ihre Abholung warten.

Mauersegment als Model für Touristen

Es war der letzte mir bekannte Ort, an dem Originalteile der Innerdeutschen Staatsgrenze in dieser Menge ungeschützt standen. Letztlich zählt, dass die Teile nicht zerstört wurden.

Auch der Kurator vom DDR-Museum Berlin wurde auf die Mauerteile aufmerksam. Sören Marotz gelang es gleich 4 Segmente für das Museum zu sichern. Schauen Sie sich im Artikel vom DDR-Museum (23.06.2017) an wie die Geschichte weiter geht. Besonders sehenswert sind die Fotos vom Abtransport durch Herr Marotz.

https://www.ddr-museum.de/de/blog/2017/mauersegmente-finden-neue-heimat

 

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Ausschnitt Tagesspiegel / Ulrike Scheffer

Ich habe mich sehr über den Bericht im Tagesspiegel gefreut. In der Rubrik „Leute“ habe ich mich und diese kleine Geschichte über die Mauerteile unter „Macher“ wiedergefunden.

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Ausschnitt Tagesspiegel / Ulrike Scheffer

Vielen Dank an Ulrike Scheffer  für dieses Kompliment.

 

Autor: Christian Bormann

Textausschnitte/Screenshot: Tagesspiegel, Ulrike Scheffer

red.Bearbeitung: Martina Krüger, 12.04.2017

Bilder: Christian Bormann

Die Bunker in der Schönholzer Heide

Am bekanntesten ist der oberirdische Heide-Bunker auch Luna-Bunker genannt. Er liegt an der Hermann-Hesse-Straße zwischen Paul-Zobel-Sportplatz und der Schießanlage Schloss Schönholz.

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Luftbild Luna-Lager 1943

Ursprünglich zum Schutz der Pankower Bevölkerung vor Fliegerangriffen gedacht, hatte er als Schutzbunker schnell ausgedient. Aufgrund der massiven Zunahme der Vergeltungsangriffe auf Berlin wurden eiligst Schutzräume in den Kellern der Berliner Mietskasernen angelegt.

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Luna-Bunker 2016

Aus dem Heide-Bunker wurde jetzt ein Nachrichtenbunker. Hiervon zeugt noch heute ein massiver Ankerring für den Funkmast.

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Ringanker vom Funkmast

Der Bunker steht auf dem ehemaligen „Luna Park“-Nachfolger Vergnügungspark „Traumland in Schönholz“. Daher auch die Bezeichnung Luna-Bunker.

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Luna-Bunker 2016

Im Juni 2016 gelangen mir Innenaufnahmen im verschlossenen Bunker. Am Ende des Beitrags ist der Link zum 6 minütigen Video.

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Eingang zum Luna-Bunker

Der gesamte Bereich „Traumland“ wurde in den 1940er Jahren zum Friedhof 6 und Barackenlager für Zwangsarbeiter.

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Zwangsarbeiter vor ihren Baracken im Luna-Lager 1943

Auch das Schloss Schönholz und die Thiemann’schen Festsäle vor Schönholz beherbergten Zwangsarbeiter, die unter anderem bei Bergmann Borsig und in den Argus Motorenwerken arbeiteten.

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Wach- und Geschützbunker Schönholz 2014

Das Lunalager, wie die Pankower das Zwangsarbeiterlager nannten, wurde militärisch gesichert und bewacht. Die entsprechenden Erdbunker bzw. Geschütztürme mit ihren Schießscharten Richtung Heide existieren heute noch südlich und nördlich der Straße vor Schönholz.

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Luna-Bunker, Juni 2016

Turm Eins befand sich zwischen Sperrgebiet der innerdeutschen Grenze und einer nicht mehr existenten Kleingartenanlage, Turm Zwei stand auf einem privaten Hofgrundstück direkt an der Heide. Vor der Öffentlichkeit verborgen überdauerten Sie die Zeit.

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Luna-Bunker, Juni 2016

Der Heide Bunker ist heute Zankapfel zweier Glaubenslager.

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Luna-Bunker, Juni 2016

Da sind jene, die den Bunker als Erinnerung der Schande am liebsten heute noch selbst abreissen wollen und andere, die den Bunker als Mahnmal erhalten möchten.

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Luna-Bunker, Juni 2016

Ich selbst sehe keinen Grund, hunderttausende von Euros zu verbrennen, um ein Bauwerk zu vernichten, das niemanden stört, Neugierige nach Schönholz lockt und dazu einlädt, sich mit Pankows Geschichte zu beschäftigen.

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Luna-Bunker, Juni 2016

Bunker Zwei hat keinen eigenen Namen, da es ihn bis heute nur gerüchteweise gab.

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Luna-Bunker, Juni 2016

Bei meinen Recherchen zum Luna Bunker stieß ich in einem NVA-Forum auf die Aussagen von Ex-Militärs. Diesem Personenkreis zufolge sollte es am Ende von Friedhof 6 einen weiteren unbekannten Bunker geben.

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Luna-Bunker, Juni 2016

Es dauerte einige Jahre bis das Gerücht zur Gewissheit wurde und ein Blick auf die Außenwände möglich war.

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Luna-Bunker, Juni 2016

Belege für die Existenz von Bunker Zwei ließen sich bis 2016 nicht finden. Friedhof 6 wurde direkt hinter dem Sportplatz für innerstädtische Bombenopfer angelegt.

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Friedhof 6 Schönholz, Notgräber 1943

Auf Grund der vielen Opfer überwuchs der Friedhof das „Luna Lager“ allmählich . Von Friedhof 6 existiert heute nur noch eine kleine vergessene Märchenwelt.

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Reste Friedhof 6, Juli 2016

Die ursprünglichen Außengrenzen sind für gute Beobachter noch zu erkennen.
Am nördlichen Ende der Friedhofswiese liegen heute die vier Knochenberge, unter ihnen liegen nicht nur die Reste von Friedhof 6.

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Knochenberge auf Bunker 2

Der südöstliche von Ihnen beherbergt tatsächlich Bunker Zwei. Es war meine Hündin, die ihn für mich entdeckt hat.

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Bunker 2

Sie hatte ihr Spielzeug unter einem Stahlträger in der Wiese versteckt.
Was für eine Überraschung. Der Träger gehörte zur Deckenkonstruktion von Bunker Zwei.

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Bunker 2

Ausgerechnet an der von den Militärs beschriebenen Stelle. Einen Zugang gibt es hier nicht, wer unter den Stahlträger kriecht stößt gleich auf eine Außenwand.

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Heide-Theater 2016

Zu Bunker Zwei lassen sich heute keinerlei Dokumente mehr finden.Vermutlich wurde er in der Zeit des „Luna Lagers“ gebaut und  von den Sowjets und der NVA noch in den 1950er Jahren genutzt.

Das ehemalige Zwangsarbeiterlager war weggebombt. Auf dem Schlachtfeld Schönholzer Heide entstand ein Sammelplatz für Kriegsreparationen.

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Bühnenreste Heidetheater

Alles was die Sowjets im Bereich Pankow an Industrieanlagen demontierten, wurde in der Heide gesammelt, registriert und von hier aus in die Sowjetunion verfrachtet.

Abstieg Schacht 3 Hohenzollern-Berge

Eine dritte unterirdische Anlage liegt zwischen Friedhof 6 und dem versunkenen Heidetheater.Es handelt sich um mehrere zusammenhängende Versorgungsräume, die bis 2012 noch zugänglich waren. Aufgrund der verwendeten Baustoffe lässt sich die  Erbauung auf die 1930er Jahre zurückführen. Das heißt, die ursprüngliche Nutzung fällt in die Zeit des „Traumland“ sowie des „Luna Lager“.

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Ehrenhain, umgebettete Opfer

Höchstwahrscheinlich wurden die Räumlichkeiten auch zu DDR-Zeiten als Versorgungsräume für das Heidetheater genutzt. Bis 2012 dienten diese Räume der Zigarettenmafia als Warenlager, vermutlich aus diesem Grund ist der Zugang von Bezirksamtsmitarbeitern unter Erdreich und Fundamentbrocken versteckt worden.

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alter Pflasterweg von Traumland und Luna-Lager

Neben den zwei Heide-Bunkern  mit ihren zwei Wach- und Schützenbunkern sowie den alten unterirdischen Versorgungsräumen von „Traumland“ und „Luna Lager“ existieren noch 3 weitere versteckte Einstiege zu Versorgungsschächten. Die Einstiege liegen auf dem Flurstreifen zwischen Heide Theater und dem großen Hohenzollern-Berg. Stufen aus Armiereisen sind zwischen den roten, im Kreis vermauerten Klinkern einbetoniert. Die Schächte wurden in den 1950er Jahren mit Militärschrott verfüllt, tausende Kleinteile von Gasmaskenfiltern  über Uniformknöpfe und Munitionsabfälle vermischt mit Erdreich.

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Areal: Traumland, Luna-Lager, Friedhof 6

Alle 10 Jahre taucht der eine oder andere Schachteingang durch Erosion wieder auf, das Bezirksamt ist seither bemüht, diese Einstiege eilig wieder zu verstecken. Würden Besucher hier beim Stöbern in einem dieser Schächte auf Munition stoßen, was unvermeidlich wäre, hätte dies für den Bezirk enorme Kosten zur Folge. Nach einer Munitionsfundanzeige müsste von Amtswegen der gesamte Gefahrenbestand erkundet und gesichert werden. Das würde großflächige und kostenintensive Baggerarbeiten sowie weiträumige Absperrungen der Schönholzer Heide bedeuten. Das will niemand!
Und so bleibt es dabei, wo nichts zu sehen ist, da ist auch nix.

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https://youtu.be/W8MXGQivxs4

Autor: Christian Bormann, 14.06.2016
Fotos: Nick Kempka, Christian Bormann,
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 23.06.2013

Pankower ist 1. König von Albanien

Der am 16.10.1871 geborene Pankower Otto Witte war Schausteller und Abenteurer. Am 28.10.1912 erklärte Albanien seine Unabhängigkeit vom Osmanischen Reich. Weder das westliche Europa noch das Osmanische Reich trauten Albanien eine eigene Führung zu. Es begann das Tauziehen um den Einfluss in Albanien zwischen Deutschen und Türken.

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Witte als General Feldmarschall
In diesen Wirren betritt der Pankower Otto Witte die Bühne der Geschichte. Witte ist zu dieser Zeit Soldat in der türkischen Armee. In Konstantinopel traf er seinen Bekannten Ismael Arzim. Witte hatte enorme Ähnlichkeit mit Prinz Hallim Eddina. Der Abenteurer Witte sprach Rumänisch, Serbisch, Bulgarisch, Türkisch und Griechisch. Arzim warb ihn sogleich als Spion an. Zu seinen ersten Aufgaben gehörte die Beschaffung der Angriffspläne der bulgarischen und der serbischen Armee.

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Witte und Tochter Elfriede 1920
Nachdem er diese Aufgaben erfolgreich abgeschlossen hatte, fühlte sich Witte zu Höherem berufen. Fortan war er unter dem Decknamen „Prinz“ als Türkischer Generalfeldmarschall unterwegs. Stehts an seiner Seite war sein Adjutant Ismael Arzim. Sie befanden sich mitten im Balkankrieg und die türkische Armee drohte ihren Einfluss in Albanien zu verlieren. Da ließ Generalfeldmarschall Witte zwei türkische Armeekorps zusammenlegen.

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Otto Witte mit Adjutanten
In einer Vorausdepesche kündigte der Generalfeldmarschall seine Ankunft sowie die sofortige Übernahme des Oberbefehls an. Die Türkische Generalität war beeindruckt vom falschen Prinzen. Er schien geeignet, die türkischen Interessen in Albanien zu vertreten. Auch die albanische Seite versprach sich von der Krönung eines eigenen Königs mehr Unabhängigkeit. So wurde der Pankower Otto Witte am 15.02.1913 eiligst zum 1. König von Albanien gekrönt. Die Nachricht von der Ausrufung Otto I. von Albanien ging um die Welt.

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Personalausweis Witte’s mit Titel
In Deutschland herrschte blankes Entsetzen. Reichskanzler Bethmann Hollweg war außer sich vor Wut. Schließlich hatte man sich doch auf den Prinzen zu Wied als König geeinigt. Die Türken, sich keiner Schuld bewusst, ließen ausrichten, dass der Prinz in Konstantinopel sei und es sich um ein Irrtum auf deutscher Seite handelte. Gefahr drohte Otto I. von nationalistischen Albanern, die keinesfalls bereit waren, den vermeintlich türkischen Prinzen als albanischen König anzuerkennen.

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Reklamekarte des Abenteuers
Als der Angriff erfolgte, stellte sich Witte an die Spitze der Palastgarde und schlug die Angreifer in die Flucht. König Otto I. hielt sich ganze 5 Tage auf dem Thron. Bevor man ihn als Hochstapler verhaften konnte, floh er ins Deutsche Reich zurück. Witte wohnte in der Wollankstraße 41, seiner Berufung als Schausteller blieb König Witte treu.

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Orientalische Bühnenshow Otto 1.
Er vermarktete sich selbst als Otto I., Ex-König von Albanien.  Ehemaliger König von Albanien war auch offiziell in Wittes Personalausweis vermerkt. Am 13.08.1958 starb Otto I., sein Grab befindet sich in Hamburg auf dem Friedhof Ohlsdorf. Der pompöse Grabstein trägt die Inschrift „OTTO WITTE EHEM. KÖNIG V. ALBANIEN“.

Die Familie Witte blieb dem Schaustellergewerbe treu. So machten auch der Enkel Norbert Witte als Ex-Spreepark Chef und der Urenkel Marcel Witte weltweit Schlagzeilen.

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Norbert Witte 2004 vor Gericht
Von 2002 bis 2006 mussten die Spreeparkfreunde mit ansehen wie die Wittes mit Fahrgeschäften ins Ausland flohen. Sie hinterließen Schulden und einen nicht mehr zu rettenden Spreepark. Der ganz große Coup sollte es sein.

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Marcel Witte 2006 vor Gericht
Gemeinsam mit der Mafia wollten Norbert und Marcel mit ihren Fahrgeschäften Kokain schmuggeln. Norbert Witte stand 2004 vor Gericht. Sein Sohn Marcel Witte wurde 2006 wegen bandenmäßigem Drogenhandel verurteilt.

Autor: Christian Bormann, 27.05.2016

Bilder: antike Ansichtskarten (6), Berliner Zeitung 2002-2006 (2)

Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 28.05.2016

Der Hexenturm an der alten Meierei im Bürgerpark

Seit mehr als 100 Jahren ist der Killisch von Horn Park für die Pankower als Bürgerpark öffentlich zugänglich. In der Kreuzstraße 5 neben Schmidt-Hutten aufgewachsen, verbrachte ich fast jeden Tag mit meinen Schulfreunden im Bürgerpark. Als Kinder hatten wir zwei Lieblingsplätze. Da war zum einen die Teufelsbrücke über dem Ziegengehege.

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Teufelsbrücke

Im Sommer konnten wir uns hier mit unseren Fahrrädern austoben und im Winter wurden die Zweiräder gegen Schlitten getauscht. Der zweite Ort war geheimnisvoll und für uns Kinder gruselig. Es war die alte Meierei mit dem Hexenturm.

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Taubenturm an der alten Meierei

Das einstöckige gelbe Backsteingebäude ließ Killisch von Horn 1860 bis 1868 mit Taubenturm errichten. Die Fenster waren zugemalert und es ließ sich kein Blick ins Innere werfen.

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alte Meierei und Sportrestaurant

Das Gebäude und der Hof waren immer sichtgeschützt.  Vom Hof selbst war nur das Bellen eines großen Hundes zu hören. Das ist auch heute noch so. Das geheimnisvolle Gebäude wurde in unserer kindlichen Fantasie zu den Resten eines Alten Schlosses mit Hexenturm. Der Turm zog uns Kinder magisch an.

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Vogelvoliere am Jägerhaus

Die Meierei mit ihren gelben Backsteinen war so völlig anders als alle anderen Gebäude im Park. An der westlichen Seite des Parks befand sich von Anfang an der Wirtschaftsteil. Dieser umfasste die alte Meierei, das zweistöckige Jägerhaus an der Vogelvoliere und eine Orangerie.

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Jägerhaus an der alten Meierei

Das Jägerhaus existiert heute noch, aber ohne zweites Stockwerk. Es steht zwischen Meierei und Vogelvoliere. Auf der großen abgezäunten Freifläche befanden sich die Tennisplätze.

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zubetonierte Tennisplätze

Der Alten Meierei fehlt ebenfalls das Dach. Der Mauerschatten des Daches ist noch an der Rückseite des Hexenturmes zu sehen. Im Hexenturm, der als Taubenturm errichtet wurde, hing ursprünglich eine Vesperglocke die zur Abendandacht geläutet wurde.

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Sportrestaurant in der Meierei 1940

In der alten Meierei befand sich in den 1940er Jahren ein Sportrestaurant. Zwei weitere Gastronomen bewirtschafteten das Jägerhaus und das Restaurant Hillgners im alten Herrenhaus am Rosenpavillon.

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Teller Restaurant Bürgerpark

Der Bürgerpark hat heute drei Steintore. Das pompöse Haupttor im Stiel eines Triumphbogens mit seinen beeindruckenden Putten ist allen bekannt. Daneben gibt es noch das verputzte Backsteintor in der Kreuzstraße und das 1929  mit Zufahrtsstraße errichtete kleine Schmucktor am alten Pumpwerk Wilhelm-Kuhr-Straße.

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Steintor u. Wirtschaftstraße Meierei

Tor und Straße wurden speziell für die wirtschaftlichen Bedürfnisse des Sportrestaurants  sowie der Tennisplätze und Hillgners Restaurant Bürgerpark gebaut. Die alte Meierei wird vom Bezirksamt Pankow als Lager benutzt.

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Vogelkäfige in der alten Meierei

Im Inneren sind noch Vogelkäfige, Futter und allerhand Gärtnereiutensilien für den Betrieb der Vogelvoliere  zu sehen.

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alte Meierei und Tennisplätze 2017

Die Tennisplätze wurden betoniert und sind heute Stellfläche für den Fahrzeugpark des Grünflächenamtes.

 

Autor: Christian Bormann, 25.05.2016

Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 25.05.2016

Bilder: Bormann, historische Postkarten

Luftbild: Guido Kunze

Post von Schinder Schmidt

Beim Durchsehen meiner Ansichtskarten-Sammlung stieß ich auf einen kleinen Pankower Schatz. Es ist eine Ansichtskarte aus dem Jahr 1899. Die Karte wurde am 16. Januar im Wirtshaus zum Pankgrafen in der Schlossstraße 6, heute Ossietzkystraße, geschrieben. Der Absender war der Pankower Bauherr, Architekt und Pankgraf Carl Schmidt.

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Glückwünsche von Carl Schmidt 16.1.1899

Schinder Schmidt, wie er genannt wurde, gratuliert in dem Schreiben einem Erich Baumgart zur jüngsten Verleihung der Vollmitgliedschaft. Gemeint ist die Pankgrafenvereinigung die zu jener Zeit ihr Hauptquartier im Wirtshaus zum Pankgrafen hatte.

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Postamt 19 Pankow 16.1.1899

Carl Schmidt selbst war bekannt für seine rot braunen Klinkerbauten. Er baute unter anderem den Rathausanbau, das Gesundheitshaus und die Hauptpost. Seine Firma war in der Schönholzer Straße ansässig.

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Carl Schmidt Schönholzer Straße 1910

In der Pankrafen-/ Ecke Pestalozzistraße steht das von ihm erbaute Privathaus. Auf dem Giebel in etwa 8 Meter Höhe steht eine fast lebensgroße Plastik eines Pankrafen in voller Ritter-Rüstung.

Autor: Christian Bormann, 04.01.2016
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 31.03.2016

Restaurant Bellevue Breite Straße

Der Rheinländer Anton Ringel war neben seinen Tätigkeiten als Gemeindevertreter und Vorsitzender der Freiwilligen Feuerwehr seit 1890 auch Präsident des Deutschen Gastwirtsverband. Der Träger des Deutschen Kronenordens 4. Klasse gehörte zu den großen Pionieren der Pankower Gastronomie.

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Werbe-Dose Restaurant Bellevue 1900

Begonnen hatte er mit Ringels Gesellschaftshaus in der Kreuzstraße 3 bis 4, heute noch als Tanzschule Schmidt-Hutten am Bürgerpark bekannt. In der Kreuzstraße 5 verbrachte ich meine Kindheit. Wir sammelten gerne die alte Flaschenverschlüsse, die hier noch zu hunderten im Erdreich steckten.

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A. Ringel’s Bellevue Breite Straße 21a

Mit seinem Gesellschaftshaus sammelte Ringel erste Erfahrungen, bevor er 1888 das Bellevue eröffnete. Mit dem neuen Standort Breitestraße 21a, schräg gegenüber dem Rathaus, gehörte das Bellevue zu den ersten Adressen am Platz. Eine Haltestelle der Elektrischen Straßenbahn trug maßgeblich zum Erfolg bei. Hiervon zeugt die Werbedose von 1900. Es schien wohl nicht mehr erforderlich, auf die Adresse des bekannten Restaurants hinzuweisen. Viel wichtiger war die Erwähnung der Haltestelle.

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Tanzschule W. Tietz im Bellevue 1905

Der berühmte Tanzlehrer Wilhelm Tietz unterhielt hier 1900 seine Tanzschule. Das Museum Pankow ist noch im Besitz einer sehr seltenen Werbedose, mit der historischen Ansicht des Restaurants.

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M. Höpfner’s Restaurant Bellevue 1902

Die kleine Blechdose ist wohl spätestens 1900 entstanden, denn auf den Ansichtskarten ab 1902 wird bereits M. Höpfner als Inhaber genannt. Neben dem Bellevue befanden sich zur Jahrhundertwende etwa ein Dutzend Gastwirtschaften am Pankower Anger.

Autor: Christian Bormann, 15.02.2016
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 31.03.2016