Feuer in der Villa vor Schönholz

Die Villa vor Schönholz, erbaut in den 1880er Jahren, trug im Laufe der Zeit viele Namen. Villa Langheinrich, Schallers Tivoli, das Altenheim, die Leichenvilla und noch so einige andere.

Das altehrwürdige Haus mit umgebenen Borussia Park liegt zwischen Bahnhof Schönholz und dem ehemaligen Berliner Ausflugsort Schönholzer Heide. Das Gebäude war von Anfang an dabei und erlebte, wie sich der Ausflugsort Schönholz entwickelte.

Die Villa selbst war neben Polizeirevier, Mehrfamilienhaus, Altenheim, Musterungsstelle und Wirtschaftsamt auch mehrfach Ausflugslokal in Schönholz. Mit dem Bau der Berliner Mauer lag die Villa im Sperrgebiet und war nur noch nach Aufforderung oder mit Passierschein zu betreten.

In den Wirren der Maueröffnung in Berlin erlebte die Villa vor Schönholz ihren ersten Großbrand. Auch damals wurde das Feuer absichtlich gelegt. Im Wirtschaftsamt lagerten Gewerbeunterlagen mit Personendossiers der Staatssicherheit zu den Gewerbetreibenden. Die Feuerwehr löschte die Aktenberge ab und das Haus wurde bis ins Hochparterre versiegelt.

So gammelte die Villa fast ein Jahrzehnt ohne Dach vor sich hin. Das Haus wurde grundsaniert und mit einer neuen Heizungsanlage versehen. Die Republik Sambia bekam das Gebäude, um seine Botschaft hier einzurichten. Damals ein wahrer Glücksfall für das fast verlorene Gebäude.

Jetzt war die Republik Sambia am Zug. Doch statt die hergerichtete Villa einzurichten und zu nutzen, bezieht die Republik Sambia ihre Botschaft in der Axel-Springer Straße 54A. Seit dem steht die Villa vor Schönholz weiter leer. Sie wurde hergerichtet und nie bezogen.

Nach fast zwei weiteren Jahrzehnten Leerstand ist das Gebäude inzwischen akut durch Brandstiftungen gefährdet. Die Brandstifter haben sich Woche für Woche vom Keller bis ins 1.OG vorgearbeitet. Wie befürchtet, stand dann am Montag, den 19.06.2023 um etwa 1 Uhr nachts das 1.OG im Vollbrand. Inzwischen haben die Rettungsversuche auch in der sambischen Republik Schlagzeilen gemacht. Doch wie begann die Rettungskampagne?

Im Juni 2021 meldete sich Lars Bocian bei mir, wir hatten ein längeres Gespräch über die Villa vor Schönholz, den Zustand und Möglichkeiten, das Gebäude zu retten. So entstand auch das erste Foto von uns vor dem historischen Tor im selben Monat.

Als Erstes galt es eine Fachbedarfsabfrage durchzuführen. Die lief aus verschiedenen Gründen eher schlecht als recht, aber kein Grund aufzugeben. Der Verfall und die Schäden am Grundstück nahmen jetzt zu. Die ersten Zaunfelder vom Borussiapark wurden bei Unfällen beschädigt und lagen jetzt auf dem Grundstück. Der grüne, kleine Borussiapark um die Villa war jetzt für Jedermann zugänglich. Obdachlose zogen ein und die ersten offenen Feuerstellen entstanden in den Fluren.

Das Gebäude nahm zunehmend Schaden, also versuchten Herr Bocian und ich es mit einem Antrag auf Denkmalschutzprüfung in der Bezirksverordnetenversammlung. Es existierte zwar aus den 1990er Jahren ein negativer Denkmalschutzbescheid, aber dieser bezieht sich in seiner Ablehnung auf die nicht vorhandene Einzigartigkeit des Gebäudes.

Eine erneute Prüfung hätte durchaus zu dem Schluss kommen können, dass hier eine Art Ensembleschutz erklärt wird, da das Gebäude mit Park sinngebend für die Geschichte und Entwicklung des Ausflugsortes Schönholz war. Über diesen Denkmalschutz hätte man Ersatzvorleistungen zum Schutz erbringen können und dem Gebäude etwas Zeit verschafft. Grüne und SPD haben den Antrag von Herrn Bocian (CDU) abgelehnt. Ich konnte die entsprechende Bezirksverordnetenversammlung auf YouTube live mitverfolgen.

Es sei noch dazugesagt, dass der Bezirk Pankow seiner Zeit ein Vorkaufsrecht geltend gemacht hat, und dieses auch bekommen hat. Es war die politische Richtung jener Zeit und da die Villa nie zum Verkauf stand, musste Pankow auch kein Geld aufbringen. Vor dem Hintergrund, dass ein Antrag nach dem anderen scheiterte, sollte Herr Bocian (CDU) die rechtliche Lage noch einmal prüfen, welche Anträge noch in Frage kämen, um das Gebäude zu schützen.

Bei mir meldete sich unterdessen Frau Lunia Hara. Die sambische Aktivistin lebt seit 30 Jahren in Deutschland und bot mir Ihre Hilfe an. Unser Plan war, abseits der amtlichen Wege direkt Gespräche in der sambischen Republik zu führen. Auch Pankows Baustadträtin Rona Tietje (SPD) (Historischer Kiezführer) beobachtet die Vorgänge um die Villa und kann hier nur zuschauen. Der Bezirk Pankow ist, wie sie sagt, nicht befugt mit Staaten zu verhandeln, das kann nur die Senatskanzlei.

Auf die Senatskanzlei hatten wir jetzt zwei Jahrzehnte gewartet, kleine Feuer im Haus mehrten sich und das letzte große vernichtende Feuer schien nur eine Frage der Zeit. Also dann auf unsere Art. Lunia Hara flog im März 2023 in die sambische Republik, um für uns Verhandlungen aufzunehmen. Wir hatten uns an den Außenminister und den Finanzminister gewandt, letzterer hatte Gesprächsbereitschaft signalisiert.

Vor Ort wollte dann niemand mehr mit uns reden. Zumindest konnten wir einiges in Erfahrung bringen. Es gibt wohl – vorsichtig ausgedrückt – unterschiedliche Interessengruppen unter den Botschaftsangehörigen. Da sind jene, die das Gebäude tatsächlich noch einer diplomatischen Nutzung zuführen wollen und eine andere Interessengruppe die versucht, die Immobilie in Ihren Privatbesitz zu bringen. Auch unsere Vermittlungsversuche diesbezüglich waren vergebens.

Stufe zwei war jetzt die Medienkampagne in der sambischen Republik. Wir wollten maximalen Druck auf den Botschafter in Berlin ausüben in der Hoffnung, dass aus der sambischen Republik gehandelt wird. Hierzu mussten die Vorgänge um unser historisches Erbe in Schönholz und der Umgang mit diesem durch Vertreter der Republik Sambia, der inzwischen fast als Schändung zu begreifen ist, medial dargestellt werden.

Montag Nacht war es dann soweit. In der Nacht zum 19.06.2023 wurde ich um 01:30 Uhr von der Feuerwehr informiert, dass die Villa in Schönholz wieder brennt. Diesmal ein Vollbrand im 1.OG. Das die Villa noch steht und das Dach nicht verbrannt ist, haben wir dem schnellen Angriff der Feuerwehr zu verdanken. Ich habe am Montag gleich nach der kriminaltechnischen Brandermittlung das Haus besucht. Es waren nur Zentimeter beziehungsweise Minuten, die zum Totalschaden gefehlt haben.

Bei der Vorortbegehung mit Lars Bocian (CDU) wird noch etwas anderes schnell klar. Die Anwohner der Schönholzer Heide sind nur knapp einer Großschadenslage entgangen. Bei einem Vollbrand des Daches dürfte der Funkenflug wohl in Minuten die 6 Meter Straßendamm überspringen und die ausgetrocknete Heide binnen Stunden niederbrennen. Aktuell setzen wir uns für die Rückabwicklung und Überführung des Grundstücks in Bezirksvermögen ein. Der Bezirk wird das Grundstück weiterhin nicht sichern. Grund hierfür ist, dass die Republik Sambia angeblich selbst sichernd tätig werden will. So berichtete die Berliner Morgenpost am 23.06.2023. Offensichtlich waren unsere Bemühungen in der sambischen Republik nicht vergebens. Weiterhin bleibt die Zukunft ungeklärt und der Wettlauf gegen den Brandstifter geht weiter,

Folgen Sie dem Link zum 360° Panorama, am besten mit Smartphone.

https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=1527555050648448&substory_index=0&id=954046311332661

Weitere Artikel zur Villa vor Schönholz:

Geschichte zur Villa vor Schönholz und dem Borussiapark: https://pankowerchronikdotde.wordpress.com/2017/07/09/die-villa-vor-schoenholz-und-der-borussiapark/

Geschichte zur Villa vor Schönholz: https://pankowerchronikdotde.wordpress.com/2022/11/11/die-villa-vor-schoenholz/

Verlinkte Presseberichte:

16.01.2023

https://www.morgenpost.de/bezirke/pankow/article237386575/Sambia-Villa-in-Pankow-Angst-dass-nur-der-Abriss-bleibt.html

02.03.2023

https://www.berliner-woche.de/pankow/c-politik/botschaftsvilla-in-schoenholz-verfaellt-immer-mehr_a371042

03.02.2023

https://www.morgenpost.de/bezirke/pankow/article237534479/Sambias-Villa-in-Pankow-Drama-nimmt-hoffnungsvolle-Wendung.html

20.04.2023

https://www.morgenpost.de/bezirke/pankow/article238184027/lost-place-villa-schoenholz-pankow-botschaft-sambia-ruine-petition-reparation-sanierung.html

19.06.2023

https://www.morgenpost.de/bezirke/pankow/article238728395/lost-place-sambische-villa-durch-brand-fast-vernichtet.html

23.06.2023

https://www.morgenpost.de/bezirke/pankow/article238767239/lost-place-sambische-villa-brand-haus-bleibt-schutzlos.html

Lars Bocian (CDU) :

https://www.lars-bocian.de/blog/villa-vor-schonholz

Autor: Christian Bormann

red. Bearbeitung: Martina Krüger

Fotos: Christian Bormann, Billy Jazosch, Lars Bocian, historische Ansichtskarte, Feuerwehr Berlin

Luftbild : Guido Kunze

Das bulgarische Geisterkonsulat und der Geheimtunnel

In der Beuthstraße 6/7 am Brosepark steht ein Millionengrundstück im Dornröschenschlaf und siecht so langsam vor sich hin. Es ist so gut wie nichts bekannt über das Anwesen. Dass es zu DDR-Zeiten erbaut wurde, sieht man der Architektur an. In einigen Online-Straßenkarten wird das Gebäude fälschlicherweise als Bulgarische Botschaft beschrieben.

ehem. bulgarisches Konsulat am Brosepark, Oktober 2022

Die Bulgarische Botschaft in der DDR hatte ihren Sitz in der Berliner Straße in Pankow, genauer gesagt in der historischen Villa des jüdischen Zigarettenfabrikanten Garbaty. Ihr heutiger Sitz ist in der Mauerstraße 11. Das Anwesen in der Beuthstraße 6/7 war das bulgarische Konsulat.

Luftaufnahme ehem. bulgarisches Konsulat Beuthstraße 6/7, Dezember 2022

Während die Botschaft eines Landes auf Regierungsebene arbeitet, kümmert sich ein Konsulat in der Hauptsache um die Angelegenheiten der eigenen Bürger im Gastland der Vertretung. Dem Konsulat in der Beuthstraße kam bis in die achtziger Jahre besondere Bedeutung zu.

vorgesetzte Anliegerwohnung des Konsulats mit Tiefgarage, Mai 2023

Aus der historischen Aufarbeitung der DDR Stasiunterlagen ist heute einiges über die besonders intensive Zusammenarbeit des MfS (Ministerium für Staatsicherheit) und dem DS der Bulgarischen Staatsicherheit bekannt. Im Kern ging es um die Identifizierung von potentiellen Republikflüchtlingen und die Verhinderung einer Republikflucht zum Nachteil der Deutschen Demokratischen Republik. Als operatives Objekt kommt hier die Beuthstraße als konsularische Vertretung Bulgariens in Ost-Berlin ins Spiel.

Rückseite des Konsulats mit Garten und Terasse, Juni 2023

Mit dem Bundesgesetzblatt Jahrgang 2014 Teil II Nr. 15, ausgegeben zu Bonn am 25. Juni 2014 über die deutsch-bulgarische Vereinbarung über die gegenseitige Übertragung von Eigentum an Grundstücken in Berlin und Sofia vom 10. April 2014 erkennt die Bundesregierung das Eigentum am Grundstück der Republik Bulgarien an.

Die Republik Bulgarien verfügt seit 2014 über mehrere Grundstücke in Berlin als Eigentümerin. Das Grundstück in Berlin-Pankow, Beuthstraße 6/7, eingetragen beim Amtsgericht Lichtenberg im Grundbuch von Pankow, Blatt 2678N unter der laufenden Nummer 1, Gemarkung Pankow, Flur 43119, Flurstück 475 mit einer Größe von 2960 Quadratmetern ist also Bulgarisches Eigentum.

Pankow hat inzwischen so einiges an Erfahrung mit leerstehenden Botschaften und Konsulaten. Die berühmtesten zwei Beispiele sind die Irakische Botschaft in der Tschaikowskistraße und die Villa vor Schönholz. In beiden Fällen muss der Bezirk dem Verfall tatenlos zusehen, wobei der Skandal um die historische Villa vor Schönholz inzwischen internationale Kreise zieht.

Ein gutes Beispiel ist die ehemalige Botschaft Australiens in der Grabbeallee. Nach der Rückübertragung gab es einige Zwischennutzer wie Tape TV, so verfiel das Gebäude nicht und wird jetzt zu einer dringend benötigten Schule umgebaut. Im Fall unseres Geister-Konsulats haben wir zwei eingerichtete und gut versiegelte Gebäude. Der gute Zustand trotz jahrelangem Leerstand lässt sich sicherlich auch durch die Kameraüberwachung erklären.

Beide Gebäude sind weitgehend beräumt und bis auf Möbel und einige technische Hinterlassenschaften fast besenrein. Im Hochparterre befinden sich eine Gemeinschaftsküche, Speise- und Tanzsaal. Hinzu kommen kleinere Aufenthaltsräume mit Umkleide und WC. Diese Etage war für Empfänge und ähnliche Veranstaltungen gedacht. Die Kristallkronleuchter und das Klavier erinnern an Zeiten, in denen das Gebäude noch belebt war.

Eine Etage höher befindet sich das Konsularbüro. Dem schließen sich Küche, Saal, WC mit Badewanne und separaten Gästeräumen an. Als letztes bleibt der noch der Blick in den Keller. Hier möchten ich heute ein gut gehütetes Geheimnis lüften. Der Keller war als Sicherheitsbereich nur über eine Tür mit Klingel zu betreten.

Hinter der Kellertür befindet sich der Flur, Feuchtigkeit lässt die Farbe von der Decke fallen. Hinter den Türen befinden sich zum Teil Technik- und Lageräume. Zwei alte Rheinmetall-Schreibmaschinen, einige Telefone und zahlreiche Leuchtkörper haben sich erhalten. Soweit nicht ungewöhnlich.

Kellergeschoss vor den Schutzräumen, Juni 2023

Ein kleinen Sprung um die Ecke befinden sich dann Luftschutztüren zu einem besonders gesicherten Bereich.

Mit der ersten Luftschutztür steigt die Spannung, die gute Erhaltung der Räumlichkeiten vereinfacht es auch nach so vielen Jahren Leerstand, noch die Nutzung der Zimmer zu erkennen. Als erstes ist ein Mannschaftsumkleideraum zu erkennen.

Mannschafts- oder Gruppenumkleideraum im Keller, Juni 2023

Dem schließt sich ein großer abgestufter Aufenthaltsraum mit Kamin und Deckenkunstwerk aus Holz an. Bei dem Holzkunstwerk dürfte es sich wohl um ein Designobjekt handeln das heute noch wie damals einen erheblichen finanziellen Wert darstellt.

Aufenthaltsraum im Keller mit Kamin und Deckenkunstwerk aus Holz, Juni 2023

Der Mannschaftsumkleideraum war schon etwas auffällig, ansonsten erregte der Aufenthaltsraum bei mir noch kein Verdacht, auch Luftschutztüren wurden zu DDR-Zeiten für alle möglichen Zwecke eingesetzt und waren nicht zwangsläufig ein Hinweis auf Bunker.

Designkunstwerk an der Kellerdecke des Aufenthaltsraums, Juni 2023

Nach zwei Luftschutztüren kommt ein letzter kleiner Kellerraum, etwa 20 Quadratmeter groß, auch hier einige Tische und kleine Möbel. Fast hätte ich sie übersehen. Am Boden der Außenwand befindet sich eine Luftschutzsicherung.

Aufenthaltsraum mit Kamin und Kunstwerk, Juni 2023

Praktisch eine Miniaturtür. Ich öffnete die Tür und konnte kaum glauben was ich sah. Vor mir erstreckte sich eine lange Betonröhre. Ein Kriechtunnel? Langsam dämmerte es mir. Sollte es sich wirklich um einen geheimen Tunnel handeln, durch den das Konsulat unbemerkt betreten und verlassen werden konnte?

Kamin im Aufenthaltszimmer, Juni 2023

Meine Neugier war zu groß. Ein geheimer Kriechtunnel unter dem bulgarischen Konsulat am Brosepark? Das konnte ich einfach nicht glauben. Agententätigkeiten im Gebäude hin oder her, aber das wäre schon eine andere Liga. Nicht einmal die Irakische Botschaft in der Tschaikowskistraße hatte so etwas und dort sollen Agenten des Iraks und Terroristen sich die Klinke in die Hand gegeben haben.

Zugang vom Konsulatskeller in den geheimen Kriechtunnel, Juni 2023

Es half alles nichts, die Neugier war größer als die Platzangst, also ging es jetzt Meter um Meter voran in die Röhre. Kein gutes Gefühl nicht zu wissen, wohin der Tunnel führt. Die Röhre ist gerade groß genug damit Erwachsene auf allen Vieren hindurch kriechen können. Ein Umdrehen war nicht möglich. Zudem ist hier mit Sicherheit seit über 30 Jahren niemand mehr durchgekrochen.

Autor Bormann beim Erkunden des Tunnels unter dem ehem. bulgarischen Konsulat Beuthstraße, Juni 2023

Selbst die wenigen Spinnen, die sich hier nach unten verirrt hatten, sind verhungert. Die Mühe hat sich gelohnt. Nachdem ich die Röhre bis zum Ende gekrochen war, sah ich Leitersprossen. Es war ein kleiner gemauerter Schacht. Ich war froh wieder stehen zu können.

geheimer Kriechtunnel unter dem ehem. bulgarischen Konsulat am Brosepark, Juni 2023

Die Leitersprossen hinauf kam ich an eine Metallklappe. Sie war von innen gesichert. Zu meinem Glück hatte eindringende Feuchtigkeit die letzten 50 Jahre die Sicherung verrosten lassen. Sie war nur noch Makulatur. Vorsichtig öffnete ich die Metallklappe und gelangte wieder ins Freie.

versteckter Tunnelausgang, Juni 2023

Meine Erleichterung war groß, als ich wieder heil in einem ehemaligen Teil des Broseparks stand. Es war also jetzt bewiesenermaßen ein geheimer Kriechtunnel. Wie Tunnel und Mannschaftsräume im Keller zusammen hängen, lässt sich noch nicht sagen. Auf jeden Fall hat das Gebäude nach Jahrzehnten sein Geheimnis preisgegeben.

Luftaufnahme ehem. bulgarisches Konsulat und Brosepark, Blickrichtung Fernsehturm, Januar 2023

Bleibt zu hoffen, dass das Gebäude schnell wieder genutzt wird, bevor die Schäden durch Leerstand diese kleine architektonische Perle am Brosepark zerstören. Das Grundstück darf nicht betreten werden und ist kameraüberwacht.

Audiobeitrag Deutschlandfunk. Irakische Botschaft, Anatomie- und Spreepark Berlin mit Christian Bormann.

https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=pfbid0ZY11qvkHGxPf43hNw2bCPrKmQQ1zm7HbNZQh2zStvJ4GBMQNzFYAUn1t9p28Ujj2l&id=100067457917674

Autor: Christian Bormann

Red.Bearbeitung: Martina Krüger

Bilder: Christian Bormann, Guido Kunze, Billy Jazosch

Die Waffenkammer und der Munitionsbunker der DDR-Regierungseskorte in Weißensee

Hinter dem roten Backsteinbau Berliner Allee, Ecke Liebermannstraße steht noch ein unscheinbares Verladegebäude der Raspe-Werke, bewacht von einem alten BT-6 Postenturm. Bei dem zweistöckigen Gebäude mit Keller und Gleisanschluss an die Industriebahn handelt es sich um einen Teil des Apparate-Werkes Carl Otto Raspe. Das kleine Fabrikgebäude wurde schon 1939 errichtet, hier begann die Rüstungsproduktion.

Raspe schloss 1941 einen Rüstungsgütervertrag mit dem Deutschen Reich. Im Anschluss bekamen die Brüder Hans und Carl Otto Raspe einen Kredit der Bank der Deutschen Luftfahrt AG. Sie mussten schnell expandieren, der gesamte L-förmige rote Backsteinriegel Berliner Alle Ecke Liebermannstraße wurde 1941 als Erweiterung der Raspe-Werke nach den Plänen von Richard Schubert für die Kriegsgüterrüstung gebaut. Heute ist der Gebäudekomplex unter dem Namen Askania-Werke am geläufigsten.

Denn ab 1943 wurden die ausgebombten Askania-Werke in den Raspewerken untergebracht. Beide Betriebe arbeiteten jetzt fast ausschließlich an der Fluginstrumentenfertigung. Kurz nach Kriegsende, im August 1946 zieht die SAG „Sowjetische Aktiengesellschaft in Deutschland“ in das Werk ein und übergibt es 1953 dem Ministerium für Staatsicherheit.

Während im Hauptgebäude mehrere Polizeidienststellen und das MfS sitzt, kommt dem alten Gebäude an der Industriebahn eine besondere Verwendung zu. Hier hat die Hauptabteilung Personenschutz die Motorradeskorte der DDR-Staatsregierung und das Wachbataillon untergebracht. Im Keller befinden sich die Raumschießanlage, die Waffenkammer und der Munitionsbunker.

Die Aufgaben der Regierungseskorte und des Wachbataillons waren zahlreich. Vom einfachen Objektschutz durch das Wachbataillon über die mobile Sicherung von Regierungsmitgliedern bei Veranstaltungen oder Reisen bis hin zum Schutz der Siedlung Wandlitz fiel vieles darunter. Nicht zufällig lag das Objekt an der Protokollstrecke nach Wandlitz. Während das Hauptgebäude an der Liebermannstraße schon seit Ewigkeiten saniert ist, hat sich auf dem Hof das alte Raspe-Werksgebäude am Gleis der Industriebahn erhalten.

Die Nordseite des Gebäudes ist noch von der Werksmauer umgeben und die Einfahrt heute zugewachsen. Der Gleisanschluss samt Prellbock aus den 1940er Jahren ist ebenso erhalten wie der 1970 vom Ministerium für Staatsicherheit errichtete Postenturm auf der alten Werksmauer. Selbst ein Teil der Signaldrahtanlage aus den 1970ern steht noch komplett erhalten auf ihr.

Eine unscheinbare Stahltür hinter Büschen war der einstige Werkseingang, dahinter befindet sich das Treppenhaus, heute der unscheinbarste Teil des Objekts, aber auch der am besten erhaltene.

Vom Hof der ehemaligen Askania-Werke aus gibt es eine Zufahrt für die Motorradeskorte in die im Keller gelegene Kraftradhalle. Ein paar Meter weiter an der Rückseite befindet sich der gesonderte Personenzugang der Eskorte und dahinter der Durchgang zum Schießstand, genauer gesagt zur Raumschießanlage, dem sogenannten Tunnel.

Ulbricht, Grotewohl und Chruschtschow auf der Protokollstrecke Ossietzkystraße zum Schloss Niederschönhausen, geschützt von vom Ministerium für Staatsicherheit Hauptabteilung Personenschutz, Motorradeskorte, Mai 1960

Von hier aus wollen wir unseren kleinen Rundgang durch die vergessene Waffenkammer und den Munitionsbunker starten. Als erstes geht es etwa zwei Meter die Treppen nach unten zur noch eingerichteten Umkleidekammer. Der Zahn der Zeit und das ständig eindringende Grundwasser haben die Holzeinbauten zusammenfallen lassen.

Umkleideschränke, Zugang zum Tunnel, Mai 2023

Das Tor der Eskorte, von hier aus geht es zum Tunnel der Raumschießanlage. Die meisten Einbauten wurden schon entfernt, der Verwendungszweck als Schießstand ist aber noch gut zu erkennen. Auf dem Boden liegen einige verkohlte Brandreste. Am Ende des Tunnels befindet sich eine Schleusentür zur Waffenkammer.

Im gesamten Keller riecht es modrig, kalt zieht es durch die Schleusentür als ich die Waffenkammer betrete. Unglaublich, die Waffenschränke, Tresore und Regale stehen alle noch an Ort und Stelle. Hier ist die Zeit vor 30 Jahren stehen geblieben, genauer gesagt am 23. Juni 1990. Zwanzig Vertreter des Runden Tisches Weißensee, darunter der Ingenieur Gert Schilling, später Bürgermeister von Weißensee, forderten Einlass in das Objekt des Ministerium für Staatssicherheit.

Der wurde Ihnen auch gewährt, was sie fanden, war unglaublich. Mitten im Wohngebiet stießen sie auf acht Waffenkammern und einen Munitionsbunker. Eine der Waffenkammern sowie der Munitionsbunker sind bis heute hier im alten Teil des Raspe-Werks erhalten geblieben.

Die rauen Mengen an Waffen und Munition waren schier unglaublich.

  • 4000 Handgranaten
  • 145 Panzerfäuste
  • 1089 Gewehre
  • 35 Scharfschützengewehre mit Zielfernrohr
  • 15 Maschinenpistolen
  • 1335 Pistolen

Die Zahl der Mitarbeiter des Wachbataillons Abt. Objektschutz wird auf 300 bis 800 geschätzt, die Eskorte soll bis zu 40 Mitarbeiter gehabt haben. Die Waffenkammern und der Bunker wurden unter Aufsicht eines Bürgerrates 1990 abtransportiert.

In das Hauptgebäude an der Berliner Allee Ecke Liebermannstraße zogen 1990 das Bezirksamt und das Finanzamt ein. Das kleine Werksgebäude Neumagener Straße samt Waffenkammer und Munitionsbunker fiel in den Dornröschenschlaf. Hier stehen sie bis heute und rosten vor sich hin. Schwere Tresore und Waffenschränke. In mehreren Räumen befinden sich Schwerlastregale für Waffen und Zubehör.

Eine schwere Gittertür fällt sofort auf. Dahinter befindet sich ein kleiner Flur mit mehreren Kammern, die mit Schleusentüren versehen sind. Es handelt sich um den Munitionsbunker. Hier lagen zeitweise bis zu 4000 Granaten.

Munitionsbunker, Mai 2023

Der Zugang zum Treppenhaus ist in Sichtweite. Dem Treppenhaus vorgelagert sind Mannschaftshygieneräume mit Toiletten und Waschhalle. Der gute Erhalt erklärt sich wohl aus der schlechten Nutzbarkeit wegen eindringendem Grundwasser und dem Denkmalschutz der Raspe-Werke.

Der Kraftradhalle ist noch ein Raum vorgelagert. Ich traue meinen Augen kaum, als ich über die Steuerunterlagen mehrerer Tausend Berliner stolpere. Ganz unbekannt ist mir der Anblick nicht. Bereits 1998 hatte ich als Jugendlicher Akten aus den verwaisten Werksgebäuden an der Liebermannstraße gesichert. Aber nach über 30 Jahren noch Steuererklärungen vom damals hier ansässigen Finanzamt zu finden, war eine Überraschung.

Es handelt sich um Steuererklärungen aus allen Bereichen aus den Jahren 1980 bis 1989 Berlin-Ost. Wahrscheinlich hat das Finanzamt in der ehemaligen Kraftradhalle der Eskorte Aktenbestände vor Ihrer Vernichtung gelagert. Warum diese hier einen Raum weiter liegen blieben, ist nicht bekannt.

Die Kraftradhalle ist in einem guten Zustand und wird als Hausmeisterwerkstatt für das ehemalige Askania-Werk genutzt. Hier haben heute viele Künstler ihre Räumlichkeiten.

Von den Einbauten der Kraftradhalle ist heute noch die Abgasentrauchungsanlage erhalten geblieben. Ebenerdig sollte sie die Abgase der ein- oder ausfahrenden Motorradeskorte absaugen, um Vergiftungen zu verhindern.

Die Kraftradhalle hat eine eigene Kellereinfahrt für die Motorradeskorte, durch diese verlasse ich das alte Raspe-Werk wieder auf den Hof der ehemaligen Askania-Werke.

Einfahrt in die Kraftradhalle der Eskorte, Zufahrt Hof Askania-Werk, Mai 2023

Das Gebäude ist nicht öffentlich zugänglich und gut gesichert. Bleibt zu hoffen, dass diese gruselige Zeitkapsel noch lange erhalten bleibt.

Informationen zu Hans und Carl Otto Raspe Apperatewek Weißensee Rüstungskredit:

https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/YEIFII3FOM3HEYQI32LGDMGEPN6LRBTK

Informationen zu Objektem, Mitarbeitern und Funktionen des Ministerium für Staatsicherheit:

http://www.argus.bstu.bundesarchiv.de/BStU_MfS_BV-Berlin_AKG-PI-Hhsch/index.htm?kid=f6d9271c-5622-43d6-be4d-3b62d26dd38d

Link: 360° interaktives Panorama:

https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=pfbid0dkBLh4orqm8mTd8UPDcAbCHSBiPoc8magH6FVrHZdu13PyfYGN37x5crKUeHP8WDl&id=100067457917674https://m.facebook.com/story.php?

Autor: Christian Bormann

Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger

Fotos: Christian Bormann, Guido Kunze, Bundesarchiv

Quellen: Berlin Pankow aus der Orts und Baugeschichte, BstU, Deutsche Digitale Datenbank