Archiv der Kategorie: Lieder

Hoch auf dem gelben Wagen

Das Volkslied „Hoch auf dem gelben Wagen“ geht ursprünglich auf das 1879 von Rudolf Baumbach verfasste Gedicht „Der Wagen rollt“ zurück. Der Pankower Komponist und Apotheker Heinz Höhne vertonte das Gedicht 1922 unter dem Titel „Hoch auf dem gelben Wagen“.

Christian Bormann, pankowerchronik
Apotheker Heinz Höhne

Der 1892 geborene Heinz Höhne stammte aus einer musikalischen Familie. Als Kind bekam er Geigenunterricht und komponierte bereits mit 12 Jahren seine ersten Lieder. Nach dem Ersten Weltkrieg absolvierte er seine pharmazeutische Lehre und machte sein pharmazeutisches Staatsexamen in Berlin.

Christain Bormann, pankowerchronik
Adler-Apotheke um 1920

Ab 1923 arbeitete Höhne in der Pankower Adler-Apotheke. Die Apotheke kaufte er 1936. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Apotheken in Ostdeutschland verstaatlicht. Heinz Höhne wurde Leiter mehrerer Apotheken in und um Berlin bis er sich 1965 aus dem Berufsleben zurückzog und 1968 verstarb.

Christain Bormann, pankowerchronik
Tito 8.Juni 1965 Pankower Renner, im Hintergrund die Adler-Apotheke

In dem Volkslied ging es um das Leben und den Lauf der Dinge, beschrieben als Reise in einer Postkutsche. Deutschlandweite Bekanntheit erlangte das Lied erst 1973. Es war der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, Walter Scheel, der es zu Gunsten wohltätiger Zwecke am 6. Dezember 1973 in der ZDF-Show „Drei mal Neun“ sang.

Christain Bormann, pankowerchronik
Adler-Apotheke 2015

Die von Polydor vermarktete Version wurde zum Kassenschlager. Ganze 15 Wochen hielt sich „Hoch auf dem gelben Wagen“ und erreichte als Bestplazierung Platz 5 der Deutschen Charts. Der 5 Jahre zuvor verstorbene Heinz Höhne erlebte diesen Durchbruch seiner Komposition nicht mehr.

Christain Bormann, pankowerchronik
Walter Scheel 1973 im Tonstudio

Hoch auf dem gelben Wagen

Hoch auf dem gelben Wagen
sitz ich beim Schwager vorn.
Vorwärts die Rosse jagen,
Lustig schmettert das Horn.
Berge und Wälder und Matten,
wogen des Aehrengold.-
Möchte wohl ruhen im Schatten,
Aber der Wagen rollt.

Flöten hör‘ ich und Geigen,
Kräftiges Baßgebrumm;
Lustiges Volk im Reigen,
Tanzt um die Linde herum,
Wirbelt wie Laub im Winde,
Jubelt und Lacht und rollt.-
Bliebe so gern bei der Linde,
Aber der Wagen rollt.

Pastillon an der Schenke
Füttert die Rosse im Flug;
Schäumendes Gärstengetränke
bringt uns der Wirt im Krug.
Hinter den Fensterscheiben
Lacht ein Gesichtchen hold.-
Möcht so gern noch bleiben,
Aber der Wagen rollt.

Sitzt einmal ein Gerippe
Hoch auf dem Wagen vorn,
Trägt statt Peitsche die Hoppe,
Stundenglas statt Horn-
Ruf’ich „Ade ihr Lieben,
Die ihr noch bleiben wollt;
Gern wär’ich selbst noch geblieben,
Aber der Wagen rollt.

Autor: Christian Bormann 21.11.2015
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 31.03.2016

Eberhard Cohrs – Ham se nich ne Mark ?

„Ham se nich ne Mark? Im Konsum gibt es Quark“ So fragte Eberhard Cohrs 1964 die Fahrgastbegleiterin der BVB. Der am 4. Januar 1921 in Dresden geborene Konditor Cohrs der eigentlich Jockey werden wollte, gehörte in den 50er und 60er Jahren zu den beliebtesten Komikern in der DDR.

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Eberhard Cohrs in der Linie 46

Der DEFA Kurzfilm „Ham se nich ne Mark“ wurde vor dem Rathaus Pankow gedreht. Als Kulisse diente die Straßenbahnlinie 46 und die Kreuzung Breite Straße/ Neue Schönholzer Straße. Einzigartige Filmaufnahmen zeigen Pankow 1964. Das Rathaus Pankow, in den Nachkriegsjahren als Sowjetische Kommandantur eingerichtet, wurde gerade erst wieder als Rathaus bezogen.

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Eberhard Cohrs wird aus der Linie 46 geworfen

Am großen Balkon stand ein Holzgerüst für Fassadenarbeiten. Über die gesamte Breite der Breiten Straße zog sich ein Fußgängerüberweg, heute undenkbar. Die Nummer 1960 am Rekowagen ist das Datum der Lackierung. Wer genau hinschaut, erkennt auch die Haltestelle direkt am Rathaus. Nicht weniger interessant sind die Geschäfte entlang der Breite Straße.

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Eberhard Cohrs auf der Breite Straße

Hinter dem Volkspolizisten ist ein Selbstbedienungsmarkt und ein Tapetenladen zu erkennen. Der SB-Markt war der neuste Hit der DDR Wirtschaft. Gegenüber dem Rathaus haben sich Schaulustige vor dem Fachgeschäft für Herrenbekleidung versammelt. Gespannt verfolgen sie die Dreharbeiten. Damals normal im Straßenbild wirken die Militär-LKW, die von der Wollankstraße kommend das Rathaus passieren, heute befremdlich.

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Volkspolizist vor dem SB-Laden

Eberhard Cohrs selbst fiel bei den DDR-Oberen schnell in Ungnade. So blieb er 1977 nach einem Auftritt in West-Berlin. Trotz der Unterstützung von Showgrößen wie Rudi Carell und Dieter Hallervorden konnte Cohrs nicht an seine Erfolge anknüpfen. Nach dem Mauerfall ging er wieder in den Ostteil Deutschlands.

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Balkon vom Rathaus mit Holzgerüst

Die Dresdener hatten ihn nicht vergessen. Er war wieder zu Hause. Auch nach der Wende konnte sein Publikum herzlich mit ihm lachen. Lange sollte sein Glück nicht währen. Sein 25-jähriger Sohn starb im Mai 1999 bei einem tragischen Tauchunfall. Es sollte noch schlimmer kommen. Cohrs geriet in die Schlagzeilen weil er mehrere Schüsse auf seine Frau abgab.

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Schaulustige stehen vor dem Laden für Herrenbekleidung

Die Tat soll im Morphiumrausch geschehen sein. Eberhardt Cohrs starb noch im selben Jahr wie sein Sohn an einem Krebsleiden. Einen schlechten Beigeschmack bekommt der Kurzfilm vor dem Hintergrund einer Entdeckung der Birthler Behörde aus dem Jahr 2004.

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Im Hintergrund Haltestelle Rathaus und die Gleise in die Wollankstraße

Die Behörde will im Besitz von Dokumenten sein, aus denen hervorgeht, dass Eberhardt Cohrs als Mitglied der Waffen-SS zur Wachmanschaft vom Konzentrationslager Auschwitz gehörte. Im Rathaus Pankow, vor dem Cohrs 1964 so herzlich dahin blödelte, fanden erst 1949 die Kriegsverbrecherprozesse gegen den Lagerkommandanten und Angehörige der Wachmannschaft von Auschwitz statt.

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LKW der Armee fahren durch die Szenerie

Autor: Christian Bormann
technische Leitung: Nadine Kreimeier
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 31.03.2016

Komm Karlineken komm, wir wollen nach Pankow gehen

Das Urstück unseres heutigen Gassenhauers war ein Volksmarsch mit Gesang. Der Hamburger Komponist Emil Ascher schrieb schon Ende des 19. Jahrhunderts ein textiertes Trio „Komm Karline komm, wir gehen nach Hamburg“.
Dieser kurze Hamburger Jux-Marsch wurde vom Frankfurter Komiker Adolf Spahn zu einem Couplet mit 5 Textstrophen „Komm Karline, komm wir wollen nach Seckbach gehen“ umgeschrieben.
In Berlin wurde das Lied in „Komm Karline komm, wir wollen nach Rixdorf gehn“ umgetextet. Hier wurde erstmals das „Kille kille“ in den Refrain aufgenommen.
Im Laufe der Zeit gesellten sich auch internationale Interpretationen hinzu. In Warschau sang man „Pójdz Paulinko“ in Paris „Viens Poupoule“. In aller Welt bekannt und für das Original gehalten, ist unsere Heimatversion „Komm Karlineken komm, wir woll’n nach Pankow geh’n“. Hierfür verantwortlich war der Charlottenburger Verleger Karl Köhler. Er publizierte die humoristische Gesangspolka mit dem vierstrophigen Text von Seelig und Latz, musikalisch bearbeitet von Carl Wappaus, vorgetragen vom Komiker Littke Carlson.

historische Postkarte von Pankow, komm Karline komm

Komm Karlineken,
Komm Karlineken, komm
Wir woll’n nach Pankow geh’n,
da ist es wunderschön.
Pankow, Pankow, Pankow

kille kille Pankow,
kille kille hopsassa.

Komm Karlineken,
Komm Karlineken, komm
Wir woll’n nach Pankow geh’n,
da ist es wunderschön,
das kannste Baden jeh’n,
und ick dir nacked seh’n,
du brauchst dir nicht zu Schäm,
komm Karlineken komm ……

Autor: Christian Bormann, 31.12.2014
technische Leitung: Nadine Kreimeier
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 30.03.2016

Bolle reiste jüngst zu Pfingsten, – Wer war Bolle?

„Bolle reiste jüngst…“
Wer war „Bolle“ eines der bekanntesten Berliner Volkslieder besingt „Bolle“. „Bolle“ als echte Person gab es nicht.

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historische Bolle-Postkarte aus Pankow

Der Name steht vielmehr für den typischen Berliner, der nach harter Arbeit werktags oder am Wochenende sein Vergnügen in Pankow suchte. Durch Vorstadtwagen und Kremserfahrten, nicht zuletzt auch durch seine gute Luft, war Pankow im 19. Jahrhundert einer der beliebtesten Berliner Ausflugsorte. In der Schönholzer Heide sowie in unzähligen Schankstuben, Biergärten, Badeanstalten und Theatern, tobte der „Berliner Mob“. So auch besungen im Lied, „Bolle reiste jüngst …“ Das „Bollelied“ gibt es in einigen verschiedenen Varianten.

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Bollezeichnung von Christian Badel für pankowerchronik de 2017

Liedtext:

Bolle reiste jüngst zu Pfingsten

Bolle reiste jüngst zu Pfingsten, Pankow war sein Ziel.
Da verlor er seinen Jüngsten janz plötzlich im Jewühl.
‚Ne volle halbe Stunde hat er nach ihm jespürt.
Aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert.

In Pankow jab’s keen Essen, in Pankow jab’s keen Bier.
War allet uffjefressen von fremden Leuten hier.
Nich‘ ma‘ ’ne Butterstulle hat man ihm reserviert!
Aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert.

Auf der Schönholzer Heide, da jab’s ’ne Keilerei,
Und Bolle jar nich‘ feige, war mittenmang dabei,
Hat’s Messer raus jezogen, und Fünfe massakriert.
Aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert.

Es fing schon an zu tagen, als er sein Heim erblickt.
Das Hemd war ohne Kragen, das Nasenbein zerknickt.
Das linke Auge fehlte, das rechte marmoriert.
Aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert.

Als er nach Haus jekommen, da ging’s ihm aber schlecht.
Da hat ihm seine Olle janz mörderisch verdrescht!
Ne volle halbe Stunde, hat sie auf ihm poliert.
Aber dennoch hat sich Bolle janz köstlich amüsiert.

Und Bolle wollte Sterben, er hat sich’s überlegt:
Er hat sich uff die Schienen der Kleinbahn druffjelegt.
Die Kleinbahn hat Verspätung, und vierzehn Tage druff,
Da fand man unseren Bolle als Dörrjemüse uff.

Geschichte: Bolle, Badel und Bormann

Autor: Christian Bormann, 18.06.2014

Zeichnung: Christian Badel – www.kikifax.de

Technische Leitung: Nadine Kreimeier
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 25.01.2016

Quelle: mündliche Überlieferung Wikipedia