Das vergessene Zimmer im Rathaus Pankow

Im März 2001 gab es eine kleine Sensation im Rathaus Pankow. Ein vergessenes Zimmer unmittelbar rechts vom Foyer. Die Mitarbeiter staunten nicht schlecht, als sie den riesigen Block in Augenschein nahmen. Auf den alten Aufnahmen von 1950 und 1984 sind die Kellerfenster und drei weitere im Hochparterre vermauert. Hinter ihnen befindet sich ein Bunker und eine mehrere Meter dicke Stahlbetondecke.

Vermauerter Keller und vergessenes Zimmer, Sowjetische Kommandantur 1950

In den Jahren 1942 und 1943 wurde im Keller des Rathauses ein Luftschutzbunker angelegt. Der Raum über dem Bunker wurde bis unter die nächste Decke mit Stahlbeton aufgefüllt. Die Kellerfenster vom Bunker und die Fenster darüber wurden zubetoniert.

Noch vermauerte Fassade Rathaus Pankow, 1984

Der Bunker war nicht für die Zivilbevölkerung. Mit Gefängniszellen und Fernmeldeanschlüssen ausgestattet, war er als Leitstelle vorgesehen. Im Kriegsjahr 1944 wurden die aufgelösten Polizeistationen zusammengeführt und gemeinsam mit der Wehrmacht und dem Landsturm in der Zentralen Verteidigungstelle Rathaus Pankow untergebracht.

Restauration 1985 – 1987 Bürgetehre wurde eingesetzt, Fenster im Bunker u. vom Zimmer wurden geöffnet

Die Betondecke erfüllte ihre Aufgabe. Trotz einiger Granattreffer die auch heute noch zu erkennen sind, blieb das Gebäude weitgehend intakt. Nach dem Krieg zog die Sowjetische Kommandantur für fünf Jahre ins Rathaus. Der Bunker und die Zellen wurden von den Sowjets bis zum Kriegsverbrecherprozess am 23. Oktober 1947 genutzt. Danach wurde der mit Beton gefüllte Raum vergessen.

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Geflickter Granattreffer von 1945 im Rathaus 2017

Den Bunker erreichte man aus 3 Richtungen, vom Hof, linksseitig über den Ratskeller oder rechts über den heute verschlossenen Eingang der Polizeistelle. Auf einigen alten Postkarten ist noch die Haltestelle direkt vor dem ehemaligen Fronteingang zur Polizeistelle zu sehen.

Mit Granitblock geschlossener ehem. Eingang Polizei u. Zentrale Verteidigungstelle Rathaus Pankow 2017

Zur 750-Jahrfeier Berlins 1987 stand die große Rathausrestaurierung an. Das vergessene Zimmer wurde 1984 zum ersten Mal wiederentdeckt, als im Rahmen der Fassadenrestaurierung die übermauerten Fenster im Keller und Parterre freigelegt und wieder geöffnet wurden.

Heutige Fassade mit offenem Fenster im Keller u. Wartezimmer 2017

Bei der Rekonstruktion der Frontansicht blieb es. Das Zimmer wurde ein zweites Mal vergessen. Es sollte ganze 30 Jahre dauern, bis das vergessene Zimmer von Rathausmitarbeitern im März 2001 wiederentdeckt wurde.

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Bürgermeister vor dem wiederentdeckten Zimmer 2001

Der Raum war bis auf einen Meter unter die nächste Decke mit einem kompakten Stahlbetonblock aufgefüllt. Auf dem Block lag der Staub von 70 Jahren Geschichte. Inzwischen hatte das Rathaus den 2.Weltkrieg erlebt, die Mauer fallen sehen und die ein oder andere Restauration erfahren.

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Vergessenes Zimmer – Bunkerdecke 2001

Der damalige Bürgermeister lud zum Pressetermin im Rathaus. Die Konstruktion war so gewaltig das es allerhand Technik benötigte, um den Riesen zu bezwingen. Um die Kosten für den Bezirk so gering wie möglich zu halten, wurde aus dem Abriss kurzerhand eine Übung für das Technische Hilfswerk.

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Arbeiter beim Abtragen des Stahlbetons, 2001

Die Reste der Leitstelle im Keller werden seit 2016 umgebaut. Hier entsteht der Triebwerksraum für den neuen Fahrstuhl. Das einst vergessene Zimmer um Rathaus Pankow erfreut sich heute ganz enormer Aufmerksamkeit.

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Teil der Anlage des Kommandobunker der Zentralen Verteidigungsstelle im Rathaus Pankow 2017

Ganze 70 Jahre im Dornröschenschlaf ist es heute das mit Abstand am häufigsten besuchte Zimmer. Es ist der Warteraum des Bürgeramtes. Im Boden befindet sich noch eine gut sichtbare Dehnungsfuge im Belag, hier lässt sich die einstige Blockkante erkennen.

Vergessenes Zimmer mit Rest der Bunkerdecke im Rathaus, heute Wartezimmer Bürgeramt mit Spielecke

Anstelle des Betonblockes sitzen heute die Pankower im Wartebereich des Bürgeramtes. Der Block wurde 2001 nicht in Gänze abgetragen und ist heute noch zu sehen.

Rest der Bunkerdecke vom Boden bis zum Fenstersims – Spielecke 2017

Im Wartebereich befindet sich eine Spielecke. Wer genau hinschaut, erkennt die Stufen und das ebenerdige Fenster. Es ist der letzte historische Rest der Bunkerdecke.

Autor: Christian Bormann, 03.12.2017

red.Bearbeitung: Martina Krüger

Bilder: Christian Bormann, Ivonne Hempler, Bezirksamt Pankow Bundesarchiv,