Gerettet, in letzter Sekunde

Zu den zahlreichen Orten, die ich seit Jahren beobachte gehörte auch das Grundstück Grumbkowstraße Ecke Wackenbergstraße.

Einst befand sich hier das alte Betonwerk. Jetzt wird hier Platz gemacht für eine Reihenhaussiedlung.  Der Grund für mein Interesse waren etwa 80 unscheinbare Betonsegmente, die hier seit den 1990er Jahren als Sichtschutz standen.

Grumbkowstraße April 2017

Als ich am 2. April 2017 auf dem Heimweg am Grundstück vorbei fuhr, staunte ich nicht schlecht. Das gesamte Gelände war abgetragen. Drei Bagger und ein riesiger Schlagwalzenbrecher hatten in wenigen Tagen alles zu Staub gebrochen.

Schlagwalzenbrecher Wackenbergstraße

Es war Sonntag und niemand war auf der Baustelle. Die Mauersegmente waren gekippt und lagen auf der Seite. Offenbar hatte die Hamburger Firma keine Ahnung, dass es sich bei den Betonsegmenten um Originalteile der Innerdeutschen Staatsgrenze handelt.

Mauerfriedhof Brehmestraße 1991

Die Teile stammten höchstwahrscheinlich vom Mauerfriedhof in der Brehmestraße. Als Kinder haben wir gern auf dem Mauerfriedhof zwischen den zerlegten Wachtürmen gespielt.

Abbruchbagger Grumkowstraße

Am nächsten Tag bin ich wieder in die Wackenbergstraße gefahren. Eilig bin ich auf die Baustelle und habe mich bis zum Verantwortlichen durchgefragt.

Mauersigmente der Staatsgrenze 2017

Ich habe mich kurz vorgestellt und traf auf offene Ohren. Tatsächlich  wusste das Hamburger Abrissunternehmen nichts von der prominenten Herkunft der Betonteile.  Drei Teile hatte es schon erwischt.

Teile der DDR Staatsgrenze vor dem Schlagwalzenbrecher

Mir wurde zugesagt, dass die Teile nicht zerstört sondern abgefahren werden. Bei meinem erneuten Besuch vor zwei Tagen konnte ich mich überzeugen, dass der Schlagwazenbrecher und die Baufahrzeuge abgerückt waren und die historischen Mauerteile auf ihre Abholung warten.

Mauersegment als Model für Touristen

Es war der letzte mir bekannte Ort, an dem Originalteile der Innerdeutschen Staatsgrenze in dieser Menge ungeschützt standen. Letztlich zählt, dass die Teile nicht zerstört wurden.

Auch der Kurator vom DDR-Museum Berlin wurde auf die Mauerteile aufmerksam. Sören Marotz gelang es gleich 4 Segmente für das Museum zu sichern. Schauen Sie sich im Artikel vom DDR-Museum (23.06.2017) an wie die Geschichte weiter geht. Besonders sehenswert sind die Fotos vom Abtransport durch Herr Marotz.

https://www.ddr-museum.de/de/blog/2017/mauersegmente-finden-neue-heimat

 

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Ausschnitt Tagesspiegel / Ulrike Scheffer

Ich habe mich sehr über den Bericht im Tagesspiegel gefreut. In der Rubrik „Leute“ habe ich mich und diese kleine Geschichte über die Mauerteile unter „Macher“ wiedergefunden.

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Ausschnitt Tagesspiegel / Ulrike Scheffer

Vielen Dank an Ulrike Scheffer  für dieses Kompliment.

 

Autor: Christian Bormann

Textausschnitte/Screenshot: Tagesspiegel, Ulrike Scheffer

red.Bearbeitung: Martina Krüger, 12.04.2017

Bilder: Christian Bormann

Der Brennerberg

Anlass für diese kleine Geschichte war ein Foto von einem alten Schild im Tiroler Viertel. Das gute Stück hat versteckt in einem Gebüsch der Zeit getrotzt. Es steht hier seit Ende des 2. Weltkrieges und wurde einfach vergessen.

Schild aus den Nachkriegsjahren
Vermutlich warnte es vor dem Betreten der Trümmer und Munitionsgefahr. Die Anwohner vom Andreas-Hofer-Platz in Pankow – einfach Brenner genannt – wissen, dass es sich um einen Trümmerberg handelt.

Bombentreffer Dolomitenstraße 24.12.1943
Benannt ist der Brennerberg nach dem am 22.11.1767 im Östereichischen Tirol geborenen Andreas Hofer. Hofer war Gastwirt, Pferde- und Weinhändler. Historisch gesehen war Hofer Anführer der Tiroler Aufstandsbewegung von 1809.

Andreas Hofer, Kreidezeichnung Placidus Altmutter
Er gilt als Freiheitskämpfer gegen die französische und bayerische Besetzung. Andreas Hofer starb als Volksheld am 20.02.1810. Der Namensbezug ergibt sich aus dem im Jahre 1905 durch die Deutsche Bodengesellschaft m.b.H. angelegten Straßennetz des Tiroler Viertels.

Straßenschild am Platz
Innerhalb dieses Areals haben die Straßen alle einen Bezug zu Tirol. Daher und weil er in der gleichnamigen Straße liegt, wird er auch in der Pankower Sprache einfach Brenner genannt. Ich erinnere mich gut an die Sportstunden, in denen es bei Lehrer Schwierz hieß: „ab zum Ausdauerlauf auf den Brenner“! Das war übel.

Luftaufnahme Brenner 2017
In meiner Jugend hieß es dann, im Sommer feiern auf dem Brenner und im Winter rodeln. Der Park ist etwa 150 mal 180 Meter groß.

Fußball und Basketballplatz 2017
Auf dem Trümmerberg ist ein Spielplatz und an den Außenkanten gibt es mehrere Sitzgelegenheiten mit Tischen als gemauerte Steinpartie.

Steinpartie Sitzgruppen mit Tisch
Östlich befindet sich ein Treppenaufgang. Der erhöhte Platz ist durch ansteigende Gehwege aus allen Richtungen zu betreten. Am Fuße liegt ein Basketballplatz.

Nordaufgang
An der Nordseite befindet sich die 2005 renovierte Klecks Schule. Südlich liegt die ursprünglich von Bewohnern des Prenzlauer Berg gegründete Kleingartenanlage Bornholm 2.

Spielplatz
Der Andreas-Hofer-Platz erfreut sich heute größter Beliebtheit bei Familien, Anwohnern und wie eh und je Jugendlichen. Abgesehen von der ursprünglichen DDR-Gestaltung, deren Reste verfallen sind, befinden sich Basketball- und Spielplatz in einem bemerkenswert guten Zustand.

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Osttreppe 2017
Der Platz ist groß genug für Familien und Individualisten. Es weisst nichts mehr darauf hin, dass der Platz aus den Trümmern der 1944 im Tiroler Viertel zerbombten Wohnhäuser besteht.

Das Video zeigt den Andreas Hofer Platz und die Klecks Schule im April 2017.
Autor: Christian Bormann, 12.04.2017

red Bearbeitung: Martina Krüger, 12.04.2017

Bilder: Christian Bormann

Luftbilder: Guido Kunze

Der Pariser Wehrmachts-Cognac aus Blankenfelde

In den letzten Wochen habe ich viele Zuschriften von Lesern erhalten, die mir Zugang in ihre privaten Bunker, Scheunen und Kellergewölbe ermöglichten. So auch vor einigen Wochen in Pankow Blankenfelde. Bei der Begehung einer Scheune konnte ich gleich mehrere Ölgemälde begutachten. Die Bilder stammten aus einer Beräumung in Blankenfelde und standen hier schon einige Jahre. Nach kurzer Recherche konnte ich dem Eigentümer sagen, worum es sich bei den Bildern handelte. Ich war seitdem mehrmals auf dem Hof und das Vertrauen wuchs. Eines Abends wurde mir die Geschichte einer riesigen Weinsammlung erzählt.

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Wehrmachtbeute WK.II Cognac aus Paris

Es sollten noch viele unbestimmte Flaschen erhalten sein. Also bot ich mich zum Taxieren der Flaschen an. Gespannt stieg ich die Kellertreppe hinab. Als ich die erste Flasche in der Hand hielt, verschlug es mir die Sprache. Es war kein Wein. Cognac, und nicht irgendeiner. Gleich die erste Flasche entpuppte sich als Beutegut der Wehrmacht. Das Kontingent wurde in den 1940er Jahren in Paris geraubt. Es war durchaus üblich, Spirituosenlager des Kriegsgegners mit Weinen, Whiskys und Cognac zu beschlagnahmen und die Chargen in deutsche Flaschen umzufüllen. Als Whiskygenießer habe ich schon einige solcher Sammlerstücke gesehen.

Eiskellerfund in Blankenfelde

Frau Krüger hat sofort Kontakt mit dem heute noch existierenden Hersteller aufgenommen. Bei den Cognacflaschen aus Blankenfelde handelt es sich um eine Charge, die von der Generalität der Wehrmacht in Paris unterschlagen wurde. Der Cognac war aber nur ein Teil der fast 2000 Flaschen umfassenden Sammlung. In den 1990er Jahren hatte der Dachdeckermeister Harald Klein seine Weinsammlung in einer Scheune in der Berliner Straße am Stadtgut Blankenfelde untergebracht.

Scheune Berliner Straße am Stadtgut Blankenfelde 2017

Aufgrund des hohen Wertes gab es nur wenige Eingeweihte. Ende der 1990er Jahre verschwand die Sammlung spurlos. Nur wenig später starb Herr Klein an einem schweren Krebsleiden. Familie Klein wohnte auf dem Grundstück Hauptstraße, Ecke Mönchmühler Straße. Dieses Haus wurde im Auftrag der Witwe beräumt. Hierbei entdeckte die mit der Beräumung beauftragte Firma eine Bodenklappe in der Küche. Zunächst war nicht viel zu sehen. Offensichtlich befand sich unter der Küche ein kleiner, unter Wasser stehender Kühlkeller aus dem 19. Jahrhundert.

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Fund-Haus Hauptstraße Ecke Mönchmühler Straße 2017

Soweit noch nicht besonders. Als die Firma mit dem Abpumpen des ca. 20 cm hoch stehenden Wassers begann, war das Erstaunen groß. Ganze 2000 Flaschen an Jahrgangsweinen ab 1940 bis 1980 und Cognac aus Paris. Gut die Hälfte der Flaschen war beschädigt. Die verbliebenen fast 1000 Flaschen wurden, nachdem der Fund der Eigentümerin Frau Klein gemeldet wurde, abgefahren.

Auszug der verbliebenen Weinsammlung in Blankenfelde 2017

Frau Klein erhob keinen Anspruch und so lagern die verbliebenen Jahrgangsweine und der Cognac heute wieder in Blankenfelde. Ein großer Teil der Weine wurde schon taxiert und bewegt sich zwischen 40 und 120 € je Flasche. Der Pariser Cognac aus dem 2. Weltkrieg ist noch nicht bewertet, vermutlich liegt der Wert der Flaschen im vierstelligen Bereich.

Autor: Christian Bormann, 06.04.2017

red.Bearbeitung: Martina Krüger, 06.04.2017

Bilder: Christian Bormann