Mehr als 30 Jahre lang begrüßte das Wandbild „Der Kirschendieb“ von Nofried „Skip“ Pahler die die ankommenden Badegäste am Weißen See. Auch für mich ist das eine schöne Kindheitserinnerung. Der Maler und Grafiker ist heute noch in der Lehderstraße 74 anzutreffen.
Wandbild „Der Kirschendieb“ von Nofried „Skip“ Pahler, Foto 1986
Das etwa 500 Quadratmeter große Wandbild auf dem Brandgiebel der Berliner Allee 177 bezog ursprünglich noch die Fassade der Hausnummer 179 mit ein. Das Erdgeschoss war rot und damit farblich einbezogen.
Das Wandbild ist eine Dispersionsmalerei von 1986 und war Teil des Gestaltungsprogramms von Ost- Berlin zur 750-Jahr-Feier Berlins. Es enstanden mehrere dieser Wandbilder.
Wandbild „Der Kirschendieb“, Foto 2019
Auch in West-Berlin gab es zu diesem Zeitpunkt ein ähnliches Programm zur Gestaltung von Brandwänden. Die 1986 gemalten Wandbilder sind nicht geschützt und waren für eine Lebensdauer von 10 bis 15 Jahren angelegt. Sie enstanden ohne Einverständnis der Eigentümer, zumal das in der Regel die Komunale Wohnungsverwaltung (KWV) war.
Wandbild „Der Kirschendieb“, Foto 2020
Im Rahmen der Alteigentümerrückübertragung der Immobilien in den neuen Bundesländern gingen die Wandbilder in den Besitz der neuen Alteigentümer über. Eine Intiative aus Kulturschaffenden versuchte vor einigen Jahren vergebens, einige der noch existierenden Wandbilder durch Unterschutzstellung zu erhalten.
Wandbild „Der Kirschendieb“, Foto 2021
Alle Wandbilder hatten einen direkten Bezug zu ihrer unmittelbaren Umgebung. So war das Thema „Der Kirschendieb“ auf ein Gedicht von Bertold Brecht von 1938 bezogen. Das Brecht-Haus Weißensee steht keine 50 Meter von den Häusern 177 und 179 enfernt. „Der Kirschendieb“ wurde in den Jahren 2019 bis 2020 durch ein Nachbargebäude überbaut.
Wandbild „Pankower Marktleben“ von Dieter Ganz, Foto Juli 2021
Auch in Pankow enstand 1986 das Wandbild „Pankower Marktleben“ von Dieter Ganz zur 750-Jahr-Feier Berlins. Das Motiv bezieht sich auf den Pankower Wochenmarkt in der Breiten Straße, heute der älteste noch existierende Wochenmarkt Berlins. Umgeben ist die Marktszene von der damals typischen Pankower Mischung aus Sport, Kultur und Kunstschaffenden, die dort anzutreffen war.
Bertold Brecht steht im Fenster mit einem Schreibutensil in der Hand, Foto 2011
Der Kirschendieb
An einem frühen Morgen, lange vor Hahnenschrei Wurde ich geweckt durch ein Pfeifen und ging zum Fenster. Auf meinem Kirschbaum – Dämmerung füllte den Garten – Saß ein junger Mann mit geflickter Hose Und pflückte lustig meine Kirschen. Mich sehend Nickte er mir zu, mit beiden Händen Holte er die Kirschen von den Zweigen in seine Taschen. Noch eine ganze Zeitlang, als ich wieder in meiner Bettstatt lag Hörte ich ihn sein lustiges kleines Lied pfeifen. (Bert Brecht)
„Das El Dorado der bronzezeitlichen Archäologie“, so wird Berlin-Buch in der Welt der Wissenschaft aufgrund seiner zahlreichen Hortfunde aus der Bronzezeit genannt. Wie zuletzt 2010 bei Rettungsgrabungen an der A10 bei Buch. Doch nicht alle Bodenfunde finden gleich Ihren Weg ins Museum.
Karower Teiche mit Blick nach Osten zur Fundstelle 1984, Foto Juli 2021
Es war das Jahr 1984, als mehrere Bauarbeiter bei Tiefbauarbeiten östlich der Karower Teiche auf einen bronzezeitlichen Schatz stießen. Es war ein sogenannter Hortfund. Mit dem Begriff Hortfund ist ein versenktes oder vergrabenes Depot gemeint, das nicht der Bestattung oder der Müllentsorgung diente, zum Beispiel vergrabene Opfergaben wie in Buch.
Teil des geraubten bronzezeitlichen Hortfunds von Berlin-Buch
Statt den Fund zu melden, wie es auch in der DDR rechtlich verpflichtend war, teilten die Bauarbeiter den Bronzeschatz unter sich auf. Es sollte fast ein halbes Jahrzehnt vergehen, bis die staatliche Denkmalpflege Wind von der Sache bekam. Die Räuber konnten ermittelt werden und ein Teil des Schatzes wurde gerettet.
Bronzezeitliches Siedlungsgebiet westlich der Karower Chaussee, Foto Juli 2021
Sichergestellt wurden zwei Möringschwerter ((L. 63,5 u. 65,5 cm), eine abgebrochene Lanzenspitze (L. 23,5 cm), ein Antennenschwertgriff (L. 12,5 cm) und ein Nierenknaufschwert (L. 55,5 cm). Vermutet wird, dass es sich um einen Totenschatz handelt. Seine Herkunft wird auf die jungbronzezeitliche Siedlung aus dem 8. und 9. Jahrhundert vor unser Zeit westlich der Karower Chausee verortet.
Karower Teiche Richtung Osten, Foto Juli 2021
Der Bronzeschatz war vermutlich wesentlich größer und beinhaltete noch mehr Waffen sowie Schmuckstücke. Die Karower Teiche sind seit jeher Fundplatz zahlreicher Bodenfunde aus verschiedenen kulturellen Zeitabschnitten der Frühgeschichte vom Jungneolitikum über die Bronzezeit bis zu den Germanen.
Autor: Christian Bormann
Red. Bearbeitung: Martina Krüger
Bilder: Christian Bormann, Märkisches Museum, Komunale Arbeitsgemeibschaft „Region Geidekrautbahn“,
An der Grabbeallee in Berlin-Pankow stehen noch so einige altehrwürdige Vorstadtvillen aus dem Historismus. Zu den schönsten gehört zweifelsohne „Haus Horridoh“. Wer kennt sie nicht, die zwei Hirschköpfe, die seit 150 Jahren stur und unbeirrt auf die gegenüberliegende Straßenseite blicken.
Haus Horridoh, Foto um 1995
Wer diese morbide wirkende Vorstadtvilla in der Grabbeallee 39 schon einmal gesehen hat, der vergisst den märchenhaften Anblick nicht so schnell. Die Eindrücke reichen von traumhaft bis gruselig, je nach Betrachter.
Haus Horridoh, Grabbeallee 39, auf diesem Foto aber als Hausnummer 38 angegeben, Foto 1958
Die Vorstadtvilla im Stil des Historismus wurde um 1870 am Verbindungsweg zwischen Pankow und Niederschönhausen errichtet. Die Straße wurde später auf Grund ihres Baumbestandes Lindenstraße genannt. Einhundert Jahre nach dem Tod des Dichters Christian Dietrich Grabbe (1801-1836) wurde die Lindenstraße 1936 zur Grabbeallee.
Denkmalgeschützte Vorstadtvilla „Haus Horridoh“, Straßenansicht, Foto Juli 2021
Die Fassade von „Haus Horridoh“ ist mit Säulen, Pfeilern und Rundbögen ausgestattet. Am nördlichen Seitengiebel des dreiachsig gegliederten Hauses, hinter der gemauerten Durchfahrt, befindet sich ein großes rundes Stuckrelief, das eine sitzende junge Frau zeigt. Soweit alles sehr typisch für die Epoche des Historismus.
Treppenaufgang zu den Präsentationsräumen seiner Zeit, Foto Juli 2021
Eine besondere Abweichung ist die Giebelgestaltung. Zwei lebensgroße Hirschköpfe zieren die Fassade. Zwischen ihnen ist in altdeutscher Blockschrift „Haus Horridoh“ zu lesen. Horridoh auch Horrido ohne H geschrieben geht auf die Jägersprache zurück und soll sich vom Anfeuerungsruf bei der Treib- und Hetzjagd ableiten.
Balkon mit schmiedeeiserner Balustrade, gefasst von kleinen gemauerten Pfeilern, Foto Juli 2021
Zu dem Gesamtensemble gehört noch eine wunderschöne, gut erhaltene zweistöckige Remise. Hinter der Villa fällt das Gelände stark ab, mittig steht die Remise, die äußerlich weitgehend im Original erhalten scheint und im Gegensatz zur vorstehenden Villa fast unbekannt ist.
Frontgiebel zur Straße, zwei lebensgroße Hirschköpfe rahmen den Spruch „Haus Horridoh“ Wappenjartzsche ist raus geschnitten, Foto Juli 2021
Haus Horridoh ist als herausragendes und gut erhaltenes Beispiel für die Villen vermögender Bürger in den Vororten Berlins denkmalgeschützt. Das Dach ist vor einigen Jahren erneuert worden und dem Betrachter fällt auf, dass die Wappenkartusche im Giebel herausgeschnitten wurde. Wahrscheinlich geschah dies zu ihrem Schutz, um weitere Verwitterung zu verhindern.
Hirschkopf am Giebel Haus Horridoh, Foto Juli 2021
Auch wenn die alte Villa mit ihrem bröselnden Putz in Teilen schon einen bedauerlichen Eindruck macht, so ist sie tatsächlich in einem außerordentlich vollständigen und auch baulich noch gutem Zustand.
Römischer Säulenschmuck am Sichteingang, Foto Juli 2021
Der Bauherr war zweifelsohne Jäger oder in diesem Milieu zuhause. Und obwohl Haus Horridoh schon so lange existiert, ist über seine Besitzer so gut wie nichts bekannt.
Seitlicher Blick in den Treppenaufgang zur Straße, Foto Juli 2021
Das älteste zu recherchierende Foto ist eine Bestandsaufnahme von 1953, dort ist das Haus mit der Nummer Grabbeallee 38 und nicht wie heute mit der Hausnummer 39 angegeben.
Kleiner Figurenspiegel über dem Fenster der Frontfassade, Foto Juli 2021
Die schmiedeeiserne Einfriedung ist wohl ebenfalls noch im Originalzustand. Sie ist etwas einfach gehalten für den Historismus. Möglicherweise geschah das absichtlich, um den Blick auf die prächtige Villa nicht abzulenken.
Gemauerte Tordurchfahrt, links befindet sich der Eingang zum Hausflur, Foto Juli 2021
Was beim Vergleich der Fotos 1953 und 2021 auffällt, sind die Rundbögen, die die Einfriedung krönen. Auf dem Foto von 1953 ist im Abstand von je 2 Metern ein Rundbogen zu sehen. Auf dem Foto von 2021 trägt nur noch das erste Eingangstor den Rundbogen, der sich als Krönung aus beiden geschlossenen Torflügeln zusammensetzt.
Zwei typische kleine Bogenfenster am Nordgiebel über der Einfahrt im Historismusstil, Foto Juli 2021
Auf der gesamten Länge der Einfriedung wurden die Bögen abgesägt und durch Stacheldrahthalter ersetzt. Warum die Bögen abgesägt wurden, bleibt unbeantwortet. Der Stacheldraht zur Grundstückssicherung hätte auch so angebracht werden können.
Seitenansicht der Nordfassade mit Durchfahrt und runder Stuckkassette, Foto Juli 2021
Über den derzeitigen Besitzer ist nicht viel bekannt. Er wohnt eine halbe Treppe tiefer im ausgebauten Keller und die anderen Wohnungen im Haus sind vermietet.
Stuckkassette am nördlichen Seitengiebel zeigt eine erschöpfte Frauendarstellung sitzend in einem Stuhl. Foto Juli 2021
Durch die mit Rundbögen verzierte gemauerte Durchfahrt, an deren Ende ein zweites Tor steht, geht es zum großen Garten, in dem die gut erhaltene Remise steht. Das rückliegende Grundstück wird heute zu einem großen Teil als Nuzgarten betrieben, in dem eine kleine elektrische Eisenbahn Ihre Runden im Gehölz dreht.
Zweistöckige Remise im Garten von Hause Horridoh, Foto Juli 2021
Ich selbst war erstaunt, was hinter der so bekannten Frontfassade des Haus Horridoh noch alles erhalten geblieben ist und vor allem in welcher Vollständigkeit.
Es war im Jahr 1890, als bei Planierarbeiten in der Nähe des Gutes Rosenthal (wobei Nähe als örtliche Beschreibung relativ ist) in der Niederung zwischen Rosenthal, Buchholz, Blankenfelde und Niederschönhausen drei Körpergräber aus der Latène-Zeit gefunden wurden. Der Begriff Latène beschreibt vereinfacht gesagt die Epoche der jüngeren vorrömischen Eisenzeit in Teilen Europas vom 5 Jh. v. Chr. bis Chr. Geburt. Skelett 2 und 3 lagen etwa 45 Meter auseinander. Die Knochenreste waren in einem schlechten Zustand und wurden achtlos beiseite geräumt. Das dritte Skelett wurde laut den Aufzeichnungen auf Anweisung des Amtsvorstehers von Schildow auseinandergerissen und wieder vergraben. Die Ausrichtung der drei in 1,20 Meter tief begraben Skelette wurde nicht erfasst.
Kleine Talsenke bei Blankenfelde u. Rosenthal, ebenfalls bekannt als wüste Dorfstelle zwischen Rosenthal und Blankenfelde, Foto Juli 2021
Skelett 1 und 2 waren ohne Beigaben, wobei auf Skelett 2 deutlich grüne Bronzespuren zu erkennen waren. Die Beigaben selbst waren nicht mehr erhalten, das Geschlecht aber aufgrund der Knochen auf weiblich festfelegt. Das Geschlecht von Skelett 3 konnte mit Hilfe der Grabbeigaben als weiblich bestimmt werden. In Brusthöhe waren ein goldener Brakteat und eine vergoldete Silberfibel erhalten geblieben. Fundstück (a), die vergoldete Silberfibel, ist 4,4 Zentimeter lang, hat eine aufgeklappte Kopfplatte und einen schwalbenschwanzartigen Fuß. An den Enden befinden sich zwei Fassungen, in denen ursprünglich Steine eingelegt waren. Der Fibelflügel ist mit Kerben verziert.
Beifund (a) Silberfibel und (b) goldener Brakteat aus den Körpergräbern, Abbildungen Berliner Jahrbuch zur Ur- und Frühgeschichte, 1962
Fundstück (b) ist der goldene Brakteat. Ein Brakteat ist eine getriebene Münze oder eine Medaille. Der goldene Brakteat von Rosenthal ist mit einem Perlenrand und einer Öse versehen. Hergestellt in Treibtechnik ist eine stilisierte menschliche Figur auf einem Pferd zu sehen. Ein Arm hält die Zügel, der andere ist hoch gestreckt. Die Freiräume sind mit Ornamenten verziert.
Fundstück Maskenfibel von Niederschönhausen, Latène 5. Jh. v. Chr.
Bei der berühmten Maskenfibel von Niederschönhausen handelt es sich ebenfalls um eine Fibel, aber aus Bronze. Datiert ist sie auf das 5. Jh. v. Chr. Es handelt sich hier um eine Gewandspange, auf der zwei einander abgewandte menschliche Gesichter zu sehen sind, der abgebogene Fuß ist als Widderkopf ausgestaltet. Diese sogenannten Maskenfibeln aus der Latènezeit waren räumlich vom Mittelrhein bis Nordböhmen zu finden. Funde ihrer Art sind außerhalb des Keltengebiets äußerst selten.
Bronzefibel von Niederschönhausen, Latènestil 5. Jh. v. Chr., Foto 1900 bis 1940
Vermutet wird, dass die Maskenfibel soweit nördlich des Keltengebiets als Geschenk oder Handelsgut bis auf das Gebiet des heutigen Niederschönhausen kam.
Autor: Christian Bormann
Red. Bearbeitung: Martina Krüger
Bilder: Christian Bormann, Museum für Ur- und Frühgeschichte, Berliner Jahrbuch zur Ur- und Frühgeschichte, Aufzeichnungen Ernst Kikebusch
Quellen: Berliner Jahrbuch für Vor- und Frühgeschichte 1962, Berliner Ur- und Frühgeschichte Märkisches Museum, Preußischer Kulturbesitz- Museum für Ur- und Frühgeschichte Berlin
Bormann's Pankower Chronik. Sagen, Mythen und Legenden aus Pankow. Autor Christian Bormann.