Archiv der Kategorie: Neue Schönholzer Straße

Das vergessene Zimmer im Rathaus Pankow

Im März 2001 gab es eine kleine Sensation im Rathaus Pankow. Ein vergessenes Zimmer unmittelbar rechts vom Foyer. Die Mitarbeiter staunten nicht schlecht, als sie den riesigen Block in Augenschein nahmen. Auf den alten Aufnahmen von 1950 und 1984 sind die Kellerfenster und drei weitere im Hochparterre vermauert. Hinter ihnen befindet sich ein Bunker und eine mehrere Meter dicke Stahlbetondecke.

Vermauerter Keller und vergessenes Zimmer, Sowjetische Kommandantur 1950

In den Jahren 1942 und 1943 wurde im Keller des Rathauses ein Luftschutzbunker angelegt. Der Raum über dem Bunker wurde bis unter die nächste Decke mit Stahlbeton aufgefüllt. Die Kellerfenster vom Bunker und die Fenster darüber wurden zubetoniert.

Noch vermauerte Fassade Rathaus Pankow, 1984

Der Bunker war nicht für die Zivilbevölkerung. Mit Gefängniszellen und Fernmeldeanschlüssen ausgestattet, war er als Leitstelle vorgesehen. Im Kriegsjahr 1944 wurden die aufgelösten Polizeistationen zusammengeführt und gemeinsam mit der Wehrmacht und dem Landsturm in der Zentralen Verteidigungstelle Rathaus Pankow untergebracht.

Restauration 1985 – 1987 Bürgetehre wurde eingesetzt, Fenster im Bunker u. vom Zimmer wurden geöffnet

Die Betondecke erfüllte ihre Aufgabe. Trotz einiger Granattreffer die auch heute noch zu erkennen sind, blieb das Gebäude weitgehend intakt. Nach dem Krieg zog die Sowjetische Kommandantur für fünf Jahre ins Rathaus. Der Bunker und die Zellen wurden von den Sowjets bis zum Kriegsverbrecherprozess am 23. Oktober 1947 genutzt. Danach wurde der mit Beton gefüllte Raum vergessen.

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Geflickter Granattreffer von 1945 im Rathaus 2017

Den Bunker erreichte man aus 3 Richtungen, vom Hof, linksseitig über den Ratskeller oder rechts über den heute verschlossenen Eingang der Polizeistelle. Auf einigen alten Postkarten ist noch die Haltestelle direkt vor dem ehemaligen Fronteingang zur Polizeistelle zu sehen.

Mit Granitblock geschlossener ehem. Eingang Polizei u. Zentrale Verteidigungstelle Rathaus Pankow 2017

Zur 750-Jahrfeier Berlins 1987 stand die große Rathausrestaurierung an. Das vergessene Zimmer wurde 1984 zum ersten Mal wiederentdeckt, als im Rahmen der Fassadenrestaurierung die übermauerten Fenster im Keller und Parterre freigelegt und wieder geöffnet wurden.

Heutige Fassade mit offenem Fenster im Keller u. Wartezimmer 2017

Bei der Rekonstruktion der Frontansicht blieb es. Das Zimmer wurde ein zweites Mal vergessen. Es sollte ganze 30 Jahre dauern, bis das vergessene Zimmer von Rathausmitarbeitern im März 2001 wiederentdeckt wurde.

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Bürgermeister vor dem wiederentdeckten Zimmer 2001

Der Raum war bis auf einen Meter unter die nächste Decke mit einem kompakten Stahlbetonblock aufgefüllt. Auf dem Block lag der Staub von 70 Jahren Geschichte. Inzwischen hatte das Rathaus den 2.Weltkrieg erlebt, die Mauer fallen sehen und die ein oder andere Restauration erfahren.

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Vergessenes Zimmer – Bunkerdecke 2001

Der damalige Bürgermeister lud zum Pressetermin im Rathaus. Die Konstruktion war so gewaltig das es allerhand Technik benötigte, um den Riesen zu bezwingen. Um die Kosten für den Bezirk so gering wie möglich zu halten, wurde aus dem Abriss kurzerhand eine Übung für das Technische Hilfswerk.

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Arbeiter beim Abtragen des Stahlbetons, 2001

Die Reste der Leitstelle im Keller werden seit 2016 umgebaut. Hier entsteht der Triebwerksraum für den neuen Fahrstuhl. Das einst vergessene Zimmer um Rathaus Pankow erfreut sich heute ganz enormer Aufmerksamkeit.

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Teil der Anlage des Kommandobunker der Zentralen Verteidigungsstelle im Rathaus Pankow 2017

Ganze 70 Jahre im Dornröschenschlaf ist es heute das mit Abstand am häufigsten besuchte Zimmer. Es ist der Warteraum des Bürgeramtes. Im Boden befindet sich noch eine gut sichtbare Dehnungsfuge im Belag, hier lässt sich die einstige Blockkante erkennen.

Vergessenes Zimmer mit Rest der Bunkerdecke im Rathaus, heute Wartezimmer Bürgeramt mit Spielecke

Anstelle des Betonblockes sitzen heute die Pankower im Wartebereich des Bürgeramtes. Der Block wurde 2001 nicht in Gänze abgetragen und ist heute noch zu sehen.

Rest der Bunkerdecke vom Boden bis zum Fenstersims – Spielecke 2017

Im Wartebereich befindet sich eine Spielecke. Wer genau hinschaut, erkennt die Stufen und das ebenerdige Fenster. Es ist der letzte historische Rest der Bunkerdecke.

Autor: Christian Bormann, 03.12.2017

red.Bearbeitung: Martina Krüger

Bilder: Christian Bormann, Ivonne Hempler, Bezirksamt Pankow Bundesarchiv,

Das Gelbe Rathaus Pankow

Das 1903 bis 1906 gebaute Rathaus Pankow blickt mit seinen über 110 Jahren auf eine bewegte Geschichte zurück. Als Preußischer Prachtbau, gekrönt von einem Adler, zeugte es nach seiner Errichtung vom Wohlstand Pankows.

Rathaus Pankow 2017

Die übliche rote Ansicht unseres Rathauses wie sie jeder Pankower kennt. Auf fast allen bekannten Fotografien des Gebäudes ist es klassisch rot. In diesem Beitrag möchten wir Ihnen das gelbe Rathaus Pankow zeigen.

Rückseite des Rathauses Pankow 2017

Für unsere große Geschichte vom Rathaus Pankow recherchieren wir seit einem halben Jahr, im Oktober haben wir Verstärkung bekommen. Den größten Teil unserer Bilder macht jetzt unsere Hausfotografin Ivonne.

Treppenaufgang im Rathaus vom Hof aus

In mehrtägiger Arbeit katalogisierte sie das gesamte Rathaus von innen und außen. Ich war mehr als überrascht beim Betrachten der Fotos. Mir fiel auf, dass der größte Teil des Rathauses gelb ist.

Abriss des DDR-Küchenanbaus am Ratskeller 2017

Zur Jahrhundertwende waren rote Prachtklinker teuer und symbolisierten Wohlstand. So war es zu dieser Zeit üblich, mit einer Blendfassade zu protzen. Auch das Dach war ursprünglich komplett mit Kupfer bedeckt. Das Kupferdach fiel dem ersten Weltkrieg zum Opfer. Preußen brauchte Metall zum Kanonenbau.

Christian Badel beim skizzieren und zeichnen

Ich war vom gelben Rathaus Pankow so begeistert, dass ich Christian Badel bat, uns ein Bild der Rückseite zu zeichnen. Er hat sich wie immer ins Zeug gelegt und uns eine beeindruckende Zeichnung angefertigt.

Illustration Christian Badel, Kikifax 2017

Auf der Zeichnung von Christian Badel ist der Rathaushof zu sehen. Die Szene zeigt einen Bagger beim Abriss der Küchenräume des Ratskellers. Aus historischer Sicht ist der Rückbau zum Urzustand sehr zu begrüßen.

Luftaufnahmen Rathaus Pankow 2017


Wir bedanken uns ausdrücklich bei der Pressestelle des Bezirksamts Pankow für die Unterstützung zu unserer Recherche „Rathaus Pankow“. Insbesondere bedanken wir uns bei Tobias Schietzelt für die erfolgreiche Zusammenarbeit.

Autor: Christian Bormann, 20.10.2017

red.Bearbeitung: Martina Krüger, 22.10.2017

Fotos u. Film: Ivonne Hempler, Christian Bormann, Guido Kunze

Die Villa vor Schönholz und der Borussia Park

  • Zu den bekanntesten vergessenen Orten in Pankow gehört die Villa vor Schönholz. Das Grundstück gehörte 1902 der Terraingesellschaft Schönholz. Im historischen Andressverzeichnis ist der Mühlenbesitzer und Ingenieur Heinrich Bollenbach und später die Witwe M. Bollenbach eingetragen.
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Villa vor Schönholz 2017

Die mit prächtigem Stuck geschmückte Gründerzeitvilla war seit je her mit einem Park umgeben und lag zwischen dem Bahnhof Schönholz und der Heide. Mit der Schönholzer Heide, die sich bis zur Olympiade 1936 zu Berlins größtem Freizeit- und Erholungspark entwickeln sollte in der Nachbarschaft, lag es nah auch hier gewerblich zu feiern.

Restaurant Schaller

Auf alten Postkarten sind die Namen unterschiedlicher Betreiber zu sehen. Zum einen wäre da Schaller’s Restaurant Tivoli und auch von Max Rudolph’s Restaurant Borussia Park sind noch Bilder erhalten. Eine der Karten zeigt den Eingang zum Borussiapark mit Blickrichtung Bahnhof Schönholz. Heute entspricht das der Kreuzung der Straße vor Schönholz Ecke Provinzstraße.

Provinz- Ecke Straße vor Schönholz

Auf den historischen Bildern ist noch der echte Treppenaufgang zum Säulenportal zu sehen. Die echte Fülle der Stuckarbeiten lässt sich erst anhand der alten Aufnahmen erahnen. In den Nachkriegsjahren wurde die Villa ab 1955 wieder als Altenheim genutzt. Wärend dieser Phase wurde die innerdeutsche Staatsgrenze errichtet. Plötzlich lag das Altenheim im Borussia Park in der Sperrzone. Als erste Maßnahme wurden die Fenster Richtung Vorlandmauer, die nur einen beherzten Sprung entfernt stand zugemauert.

Max Rudolph’s Borussia Park

Die Fenster Richtung Wedding sind heute Parterre noch zugemauert. Auch der Dachstuhl und dessen Fenster sind nicht original. Das Altenheim musste 1975 einer Dienststelle der Volkspolizei weichen. Bereits 1945 bis 1947 befand sich hier das Polizeirevier 283 Niederschönhausen Revierzweigstelle Schönholz. Auch die Dienststelle der Volkspolizei passte mit ihren Aufgaben eher in eine Zone mit gesonderter Zutrittsgenehmigung.

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Postkarte Restaurant Borussiapark

Im Verlaufe des weiteren Ausbaus des Todesstreifen wurde auch der Friedhof zwischen Bürgerpark und Villa in Mitleidenschaft gezogen. Über den Friedhof verlief jetzt die Vorlandmauer. Zeitzeugen berichteten, das die Leichname aus Gräbern, die jünger als 3 Jahre waren, exhumiert werden mussten. Die Gebeine sollen 2 Wochen im Keller der Villa vor Schönholz zwischengelagert worden sein. Wegen des bestialischen Verwesungsgeruchs beschwerten sich die Anwohner. Die Leichen sollen über Nacht wieder verschwunden sein.

Friedhof am Bürgerpark Schönholz

Seither wird vermutet, dass die menschlichen Überreste in einer Nacht- und Nebelaktion in der Heide verscharrt wurden. Tatsächliche Belege ließen sich hierfür aber nicht finden. Während der Zeit der Volkspolizei wurde das Gebäude auch für andere staatliche Unterdienststellen genutzt. Die Gesellschaft für Sport und Technik saß hier ebenso wie die Musterungsstelle der NVA.

Reisedokument gestempelt in Schönholz

Auch in den Jahren der Maueröffnung herrschte in der Villa vor Schönholz noch Ordnung. Auf den Papieren von Herrn Geheb, die in der Dienstelle der Villa gestempelt sind, befindet sich noch der amtliche Stempel der Volkspolizei Pankow auf dem Visum. Nach der Wende und der damit verbunden Abwicklung zahlreicher Dienststellen in Ostdeutschland wurde das Gebäude vom Gewerbeamt genutzt.

Reisedokument gestempelt in Schönholz

Hier begann der Untergang der Villa. Was niemand wusste, in den zum Teil 100 Jahre alten Akten des Gewerbeamtes schlummerte eine Zeitbombe. Und so berichtete auch schon kurz darauf der Berliner Kurier 1992 über mehrere Feuer im „Wirtschaftsamt“. Der Dachstuhl war angezündet worden. Der Kurierbericht war mir als Kind damals nicht bekannt und auch von der Funktion des Hauses wusste ich nichts.

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Villa vor Schönholz Hauptportal 2017

Eher zufällig kam ich in den Tagen nach dem großen Feuer an der Villa vorbei. Meine kindliche Neugier war geweckt. Auf dem Grundstück, keine 4 Meter vom Hausflureingang entfernt, stand ein kleines gemauertes Heizhaus. Ich betrat es als erstes, weil es abgesehen von einem Sprung über den Zaun frei zugänglich war. Ich staunte nicht nicht schlecht, der Ofen war randvoll mit amtlichen Akten und auch das gesamte Heizhaus war mit Bergen von Akten, die an unterschiedlichen Stellen angezündet worden waren, vollgestopft.

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Eingang Hausflur

Die in die Jahre gekommene Villa stand nach dem verheerenden Feuer ohne Dach da, zugemauert bis in den ersten Stock gab sie ein trauriges Bild ab. Ich wollte unbedingt hinein und so kletterte ich am Blitzableiter links vom Balkon die Fassade hoch. Auf dem Balkon angekommen betrat ich durch eine der Flügeltüren ein riesiges Amtszimmer im 1.OG. Auf den Tischen standen noch die Tassen, es sah aus wären die Beamten zur Mittagspause.

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Grundstück 2017

Die Schränke und Schubladen waren alle geöffnet oder herausgerissen, alles was das Haus an Akten hergab, wurde in den Hausflur und auf den Dachboden der Villa geschafft. Genauso wie im Heizhaus wurden auch hier die Feuer an mehreren Stellen gelegt. Dem Zufall der Geschichte ist es zu verdanken, dass die Feuerwehren schnell genug vor Ort waren.

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zugemauerte Fenster zum Todesstreifen

Der Plan, die Akten mit dem Gebäude zu vernichten, platzte. Bis heute ist unbekannt, wer für die Feuer verantwortlich ist. Ich stöberte in den Unterlagen, es waren durchgängig amtliche Gewerbeunterlagen aus Pankow, zum Teil schon zur Kaiserzeit angelegt.

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Botschaftsgekände Sambia 2017

Damals erregten die Stempel und ihre staatlichen Zeichen mein Interesse. Neben den Stempeln aus der Kaiserzeit hatten die mit Adler und Hakenkreuz einen besonders schaurigen Eindruck auf mich als Kind gemacht und so packte ich einige der Unterlagen ein und nahm sie mit.

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Versorgungschacht

Ich erinnerte mich noch gut an den gruseligen Keller. Aus dem zugemauerten Hausflur gab es kein Licht, es war dunkel und roch modrig, vereinzelt drang Sonnenlicht durch die vergitterten und notdürftig verbarrikadierten Kellerluken.

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Teil der Grenzanlage Provinzstraße

An den Wänden hingen noch Wandzeitungen zum Wohlgefallen des sozialistischen Bruders. Von den Leichen wusste ich damals noch nichts, zum schlecht träumen reichte der gruselige Keller aber allemal. Wochen später schaute ich mir einige der Dokumente, die ich aus der Villa mitgenommen hatte, genauer an.

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ehem. Straßensperren der Zufahrt Provinzstraße

Mir waren bekannte Namen von Straßen und Gewerben aufgefallen und so begann ich die Akten zu lesen. Mit dem Inhalt erklärte sich auch das Feuer. Es waren zum Teil schon zu Kaiserzeiten angelegte Gewerbeunterlagen, weitergeführt von den jeweiligen Regierungen, auch zu Zeiten der Nationalsozialisten reine Gewerbeunterlagen. Erst mit der Vortführung der Akten durch die Deutsche Demokratische Republik beinhalteten die Gewerbunterlagen Stasidossiers.

Meister Liebe’s Borussia vor Schönholz

So war gleich in der ersten Akte das Dossier über den Betreiber einer Kneipe in der Brehmestraße. Aus dem Text ging sinngemäß hervor, der Gastwirt Mustermann hätte eine Vorliebe für junge Männer. Da dieses sein Geheimniss sei, könne man die Person im Bedarfsfall mit diesen Erkenntnissen konfrontieren und unter Druck setzn.

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Luftbild Villa vor Schönholz

Der brisante Inhalt der Gewerbeunterlagen war der Auslöser für das verheerende Feuer. Die Beteiligten wussten, dass es eine Frage der Zeit war, bis ihr Inhalt entdeckt und die Verantwortlichen hätten belangt werden können. Die Villa wurde grundsaniert und 1999 von Sambia als Botschaft gekauft, wegen fehlender Mittel aber nie bezogen. Jetzt ist das Haus wieder verblombt und gammelt vor sich hin. Zuständig ist das Auswärtige Amt. Das sieht kein Grund zu handeln.

https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=1527555050648448&substory_index=0&id=954046311332661

Autor: Christian Bormann, 09.07.2017

red.Bearbeitung: Martina Krüger, 09.07.2017

Fotos: Christian Bormann, Hannes Geheb, Annemarie Weister (Freundeskreis der Chronik Pankow e.V.) / Friedhof III,

Luftbild :Guido Kunze

Post von Schinder Schmidt

Beim Durchsehen meiner Ansichtskarten-Sammlung stieß ich auf einen kleinen Pankower Schatz. Es ist eine Ansichtskarte aus dem Jahr 1899. Die Karte wurde am 16. Januar im Wirtshaus zum Pankgrafen in der Schlossstraße 6, heute Ossietzkystraße, geschrieben. Der Absender war der Pankower Bauherr, Architekt und Pankgraf Carl Schmidt.

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Glückwünsche von Carl Schmidt 16.1.1899

Schinder Schmidt, wie er genannt wurde, gratuliert in dem Schreiben einem Erich Baumgart zur jüngsten Verleihung der Vollmitgliedschaft. Gemeint ist die Pankgrafenvereinigung die zu jener Zeit ihr Hauptquartier im Wirtshaus zum Pankgrafen hatte.

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Postamt 19 Pankow 16.1.1899

Carl Schmidt selbst war bekannt für seine rot braunen Klinkerbauten. Er baute unter anderem den Rathausanbau, das Gesundheitshaus und die Hauptpost. Seine Firma war in der Schönholzer Straße ansässig.

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Carl Schmidt Schönholzer Straße 1910

In der Pankrafen-/ Ecke Pestalozzistraße steht das von ihm erbaute Privathaus. Auf dem Giebel in etwa 8 Meter Höhe steht eine fast lebensgroße Plastik eines Pankrafen in voller Ritter-Rüstung.

Autor: Christian Bormann, 04.01.2016
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 31.03.2016

Pankows Zigarren-König Paul Juhl

Zu Pankow und Tabakwaren fällt uns sofort der Name Garbáty ein. Die Erinnerung ist noch gegenwärtig, nicht zuletzt durch die Aufarbeitung des Nationalsozialismus und seiner Folgen.

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Markenzeichen der Paul Juhl Tabakwarenindustrie

Längst vergessen hingegen ist Pankows Zigarren-König Paul Juhl und seine Eule. Die auf einer Zigarre sitzende Eule war das Markenzezeichen der „Paul Juhl Tabakwaren-Industrie Berlin-Pankow“.

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Alte Reklame Paul Juhl Berlin

Seine erste Fabrik eröffnete Juhl am 2. Dezember 1869 in der Schönhauser Allee. Die Firmenzentrale befand sich in der Berliner Straße 29. Paul Juhls Zigarren waren in aller Munde.

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Zigarettenherstellung um 1900

Um 1910 erstreckte sich ein Netz von Tabakwarenläden, die auf die Produkte von Paul Juhl spezialisiert waren, über Pankow. Die gesamte großflächige Werbefassade war auf Juhls Produkte ausgerichtet.

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Flora- Ecke Wollankstraße 1910

Jedes Kind kannte die Juhl’sche Eule. Für 1910 lassen sich mindestens 5 Tabakwarenläden von Juhl in Pankow nachweisen. Auch im Berliner Bezirk Mitte gab es 2 große repräsentative Paul Juhl Tabakwaren Läden.

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Neue Schöbholzer- Ecke Wollankstraße 1910

Die 5 Tabakwarenläden befanden sich in der Florastraße/Ecke Wollankstraße, Neue Schönholzer Straße/Ecke Wollankstraße, Florastraße am S-Bahnhof Pankow, Masurenstraße/Ecke Berliner Straße und Berliner Straße/Ecke Vinetastraße.

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S-Bhf Pankow 1919

Ab 1914 fertigte die Juhl Tabakwaren-Industrie Gesellschaft bereits mit 1200 Mitarbeitern in 9 Werken. Neben einem beachtlichen Sortiment an Zigarren gehörte auch die Zigarettenmarke „Lavari“ zur Produktpalette. „Lavari“ gab es in 4 verschiedenen Sorten.

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Masuren- Ecke Berliner Straße 1910

Pankows Zigarren-König starb 1919. Beigesetzt wurde Paul Juhl in der Erbbegräbnisstätte seiner Familie. Die Grabstätte befand sich auf dem Friedhof III in Pankow-Schönholz. Die Begräbnisstätte existiert heute nicht mehr.

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Berliner- Ecke Vinetastraße 1910

Berliner Straße Ecke Vinetastraße 1910

Nach dem Tod Juhls übernamen seine Söhne Otto und Georg die Geschäfte. Unter ihrer Führung wurde die Firma Juhl in eine GmbH überführt. Bereits in den 1930er Jahren waren Juhls Söhne aus dem Unternehmen ausgeschieden.

Autor: Christian Bormann 30.08.2015
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 31.03.2016

Eberhard Cohrs – Ham se nich ne Mark ?

„Ham se nich ne Mark? Im Konsum gibt es Quark“ So fragte Eberhard Cohrs 1964 die Fahrgastbegleiterin der BVB. Der am 4. Januar 1921 in Dresden geborene Konditor Cohrs der eigentlich Jockey werden wollte, gehörte in den 50er und 60er Jahren zu den beliebtesten Komikern in der DDR.

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Eberhard Cohrs in der Linie 46

Der DEFA Kurzfilm „Ham se nich ne Mark“ wurde vor dem Rathaus Pankow gedreht. Als Kulisse diente die Straßenbahnlinie 46 und die Kreuzung Breite Straße/ Neue Schönholzer Straße. Einzigartige Filmaufnahmen zeigen Pankow 1964. Das Rathaus Pankow, in den Nachkriegsjahren als Sowjetische Kommandantur eingerichtet, wurde gerade erst wieder als Rathaus bezogen.

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Eberhard Cohrs wird aus der Linie 46 geworfen

Am großen Balkon stand ein Holzgerüst für Fassadenarbeiten. Über die gesamte Breite der Breiten Straße zog sich ein Fußgängerüberweg, heute undenkbar. Die Nummer 1960 am Rekowagen ist das Datum der Lackierung. Wer genau hinschaut, erkennt auch die Haltestelle direkt am Rathaus. Nicht weniger interessant sind die Geschäfte entlang der Breite Straße.

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Eberhard Cohrs auf der Breite Straße

Hinter dem Volkspolizisten ist ein Selbstbedienungsmarkt und ein Tapetenladen zu erkennen. Der SB-Markt war der neuste Hit der DDR Wirtschaft. Gegenüber dem Rathaus haben sich Schaulustige vor dem Fachgeschäft für Herrenbekleidung versammelt. Gespannt verfolgen sie die Dreharbeiten. Damals normal im Straßenbild wirken die Militär-LKW, die von der Wollankstraße kommend das Rathaus passieren, heute befremdlich.

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Volkspolizist vor dem SB-Laden

Eberhard Cohrs selbst fiel bei den DDR-Oberen schnell in Ungnade. So blieb er 1977 nach einem Auftritt in West-Berlin. Trotz der Unterstützung von Showgrößen wie Rudi Carell und Dieter Hallervorden konnte Cohrs nicht an seine Erfolge anknüpfen. Nach dem Mauerfall ging er wieder in den Ostteil Deutschlands.

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Balkon vom Rathaus mit Holzgerüst

Die Dresdener hatten ihn nicht vergessen. Er war wieder zu Hause. Auch nach der Wende konnte sein Publikum herzlich mit ihm lachen. Lange sollte sein Glück nicht währen. Sein 25-jähriger Sohn starb im Mai 1999 bei einem tragischen Tauchunfall. Es sollte noch schlimmer kommen. Cohrs geriet in die Schlagzeilen weil er mehrere Schüsse auf seine Frau abgab.

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Schaulustige stehen vor dem Laden für Herrenbekleidung

Die Tat soll im Morphiumrausch geschehen sein. Eberhardt Cohrs starb noch im selben Jahr wie sein Sohn an einem Krebsleiden. Einen schlechten Beigeschmack bekommt der Kurzfilm vor dem Hintergrund einer Entdeckung der Birthler Behörde aus dem Jahr 2004.

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Im Hintergrund Haltestelle Rathaus und die Gleise in die Wollankstraße

Die Behörde will im Besitz von Dokumenten sein, aus denen hervorgeht, dass Eberhardt Cohrs als Mitglied der Waffen-SS zur Wachmanschaft vom Konzentrationslager Auschwitz gehörte. Im Rathaus Pankow, vor dem Cohrs 1964 so herzlich dahin blödelte, fanden erst 1949 die Kriegsverbrecherprozesse gegen den Lagerkommandanten und Angehörige der Wachmannschaft von Auschwitz statt.

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LKW der Armee fahren durch die Szenerie

Autor: Christian Bormann
technische Leitung: Nadine Kreimeier
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 31.03.2016

Der verschwundene Bismarck

Als sogenannte Gartenstadt war Pankow um 1900 geradezu übersät mit Plastiken. Unzählige Werke der Bildenden Kunst tummelten sich auf Gebäuden, Plätzen und in Parks. Viele dieser Werke überstanden den Zweiten Weltkrieg nicht, andere wurden in den Nachkriegsjahren nach Russland verschickt.

Plastik Bürgerehre zur 750 Jahrfeier Berlins wieder eingesetzt
Plastik „Bürgerehre“ wird 1987 wieder eingesetzt

Allein das Rathaus Pankow verlor gleich drei Plastiken. An der Fassade des Eingangs standen einst vier Plastiken symbolisch für die vier Bürgertugenden „Gerechtigkeit“,“Mildtätigkeit“,“Bürgerfleiß“ und „Bürgerehre“. Die Plastik „Bürgerehre“ wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und erst 1987 zur 750-Jahrfeier Berlins ersetzt.

Plastik Bürgerehre zur 750 Jahrfeier Berlins wieder eingesetzt
Der preußische Adler zierte die Rathausspitze

Der preußische Adler, der einst das Rathaus krönte, wurde offiziell in den Nachkriegsjahren eingeschmolzen. Wahrscheinlicher scheint es jedoch, dass er als Beutekunst nach Russland ging. Die dritte Rathausfigur war der Sämann.

Plastik Bürgerehre zur 750 Jahrfeier Berlins wieder eingesetzt
Der Sämann vor 1940 am Rathaus Pankow

Auf einem Kleinen Betonvorsprung in 6 Meter Höhe stand er direkt Breite Straße/ Ecke Neue Schönholzer Straße in der Fassade des Rathausanbaus. Der Bürgerpark Pankow verlor im Zweiten Weltkrieg fast ein Dutzend Plastiken, sie stammten noch vom Baron Killisch von Horn-Park.

Plastik Bürgerehre zur 750 Jahrfeier Berlins wieder eingesetzt
Bismarckplatz mit Bismarckhaus und Giebelfigur Bismarck

Am heutigen Pastor-Niemöller-Platz 2, damals Bismarckplatz steht bis heute noch das 1908 erbaute Bismarckhaus. Auf der Spitze des Hauses stand bis 1965 eine stattliche Bismarckfigur.

Plastik Bürgerehre zur 750 Jahrfeier Berlins wieder eingesetzt
Bismarckfigur 1965 auf dem Bismarckhaus, Pastor-Niemöller-Platz 2

Die Plastik überstand alle Kriege und politischen Umwälzungen. Nach 1965 fehlte das Kunstwerk über Nacht und bleibt bis heute spurlos verschwunden.

Autor: Christian Bormann 09.03.2015
technische Leitung: Nadine Kreimeier
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 10.04.2016

Der Baumeister "Schinder Schmidt"

Die Firma Carl Schmidt wurde 1903 in Pankow gegründet.
Hauptsächliche Bauausführungen waren Hoch-, Tief- und Eisenbetonbau. Der Architekt und Baumeister Schmidt pachtet 1906 das Grundstück des Elisabethstifts bevor er es 1919 kaufte.
Die vorhandenen Gebäude gestaltete er nach seinen Vorstellungen um.

Villa Schmidt
Neue Schönholzer Straße 1928

Die zweistöckige Villa in der Schönholzer Straße 4 ist bis heute erhalten und zeigt die für Schmidt typische rot braune Klinker Fassade. Unter den Pankower Bauarbeitern war er bekannt als „Schinder Schmidt“. In den zwanziger Jahren baute „Schinder Schmidt“ mit seiner Firma den westlichen Erweiterungsbau des Rathaus Pankow nach Plänen von Rudolf Klante und Alexander Poeschke. Auch die Ortskrankenkasse in der Florapromenade, das Gesundheitshaus Grunowstraße, Hauptzollamt und Hauptpostamt sowie zahlreiche Pankower Wohnhausbauten führte „Schinder Schmidt aus.

Autor: Christian Bormann, 16.11.2014
technische Leitung: Nadine Kreimeier
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 30.03.2016

Der verbotene Pankower Adler

Zur Einweihung des Rathaus Pankow am 18. April 1903 krönte ein prächtiger preußischer Adler das Gebäude, hoch oben breitete er seine mächtigen Schwingen über Pankow aus. Es finden sich auch Quellen, in denen er als Brandenburger Adler beschrieben wird.

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Nachbildung des Rathausadlers

Die Gebäudespitze des Rathaus ist heute noch mit einer Reichskrone geschmückt. Der preußische Adler hingegen überstand den 2. Weltkrieg nicht. Offiziell heißt es, dass er eingeschmolzen wurde.

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Rathaus Pankow mit Adler 1906

Andere Quellen legen nahe das es eine sowjetische Spezialeinheit war mit dem Auftrag Wert- und Kunstgegenständen als Reparation zu beschlagnahmen.

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Gipsmodel der Adlerkopie

Bei der Umgestaltung der Rathausfassade zur sowjetischen Kommandantur wurde er von seiner Sandsteinkugel heruntergebrochen.

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Turmspitze mit preußischer Reichskrone 2017

Das Rathaus Pankow wurde mehrmals restauriert, aber an der Wiederherstellung eines preußischen Adlers war die DDR-Führung nicht interessiert.

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Sowjetische Kommandantur ohne Adler 1950

Erst 1989, als der rote Anstrich Ostdeutschlands blätterte, wurde eine Kopie des Adlers hergestellt. Der Künstler Achim Kühn fertigte die Kupferarbeit an.

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Ehem. Hochsitz der Adlerfigur 2017

Zum 100-jährigen Geburtstag des Rathauses wurde der preußische Aar, wie er auch genannt wird, vom 29. April bis zum 26. Oktober 2003 in der Empfangshalle des Rathauses ausgestellt.

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Sicht auf die Sandsteinkugel und den Anker des Adlers

Angeblich wegen Differenzen zwischen Auftraggeber und Künstler scheiterte der Versuch, den Adler wieder auf seinen angestammten Platz zu setzen.

Vielen Dank für die Unterstützung durch das BA Pankow.

Autor: Christian Bormann,12.11.2014, 19.11.2017

technische Leitung: Nadine Kreimeier

Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 30.03.2016

Bilder: Christian Bormann, Ivonne Hempler, Guido Kunze, Pressestelle BA Pankow, Berlin.de,

Die Pankower Drillinge und die Pankebrücke

Im Zuge der Eingemeindung von Pankow nach Groß-Berlin um 1920 galt es, die Brücke über die Panke, Schönholzer Straße/Ecke Kreuzstraße, neu zu gestalten. Die Ratsherren entschieden sich bei der Neugestaltung der Pankebrücke für den Entwurf von Alexander Poeschke. Knapp 2 Jahre später gestaltete Poeschke auch den westlichen Erweiterungsbau des Rathauses Pankow in der Neuen Schönholzer Straße.

Pankebrücke
Denkmalgeschützte Pankebrücke 2015

Der um 1925 ausgeführte Neubau der Brücke sah einen Kiosk mit Toilettenhäuschen im Kellergeschoss vor. Dem Kiosk schließt sich eine Pergola mit schmiedeeisernen Zauneinsätzen und einem Löwenkopf-Brunnen an.

Löwenkopfbrunnen
Löwenkopfbrunnen Pankebrücke 2015

Hiervon ausgehend zieht sich eine verputzte Steinmauer bis zur Ecke Kreuzstraße. Die Mauer wurde mit drei im Kreis aneinander hängenden Putten gekrönt. Dieses Figurenensemble aus der Weimarer Zeit wurde bei den Berlinern schnell als „Die Pankower Drillinge“ bekannt.

die Pankower Drillinge
„Pankower Drillinge“ 2014

Von 2010 bis 2011 wurde das gesamte denkmalgeschützte Brückenbauwerk mit Ausnahme des Kiosks im Rahmen eines EU-Förderprogrammes für Infrastrukturmaßnahmen abgetragen und neu errichtet. Die Pankower Drillinge wurden hierbei restauriert und erstrahlen heute wieder neu im alten Glanz.

Autor: Christian Bormann 20.10.2014
technische Leitung: Nadine Kreimeier
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 06.02.2016

Bilder: Hintze CPS