Der MfS-Postenturm in Weißensee

Wir befinden uns in der Neumagener Straße 33, zwischen dem alten Askania-Werk und dem Gebäude vom VEB Stern-Radio Berlin. Zwischen den zwei großen, altehrwürdigen und bekannten roten Backstein-Werken befindet sich ein Verladegebäude mit Gleisanschluss zu einer Seite und LKW-Laderampe zur anderen.

Ein unscheinbares altes Wellblechtor, vor dem sich von Moos überwachsene Betonplatten und Gleisreste befinden, ist der Eingang zu einem ganz besonderen Lost Place. Hinter dem Tor befindet sich ein alter MfS-Postenturm.

Im Sommer durch die üppige Vegetation kaum zu sehen, bietet sich dem Betrachter im Winter ein ganz anderer Anblick. Glaubt der Laie doch, hier vor einem Grenzwachturm der DDR zu stehen. In Weißensee?

Weit gefehlt! Der Wachturm vom Typ BT6 wurde nicht nur zur Grenzsicherung eingesetzt. Er war viel mehr der Standardbausatz seiner Zeit und sollte ab 1969 die Holzwachtürme ersetzen. Die Grenzwachtürme sind in Erinnerung geblieben und so werden sie oft sofort mit der innerdeutschen Staatsgrenze in Verbindung gebracht. Beim Typ BT6 handelt es sich noch um eine der ersten Varianten eines Wachturms. Der Turm bestand aus Betonringen und einem Aufsatz, der je nach Größe des Ausgucks um mehrere Betonwaben erweitert werden konnte.

Zum Vergleich, der fast gleiche Typ,  wie er am Stasigefängnis Hohenschönhausen zu finden ist, hat größere Betonringe, davon noch mehr, um Höhe zu gewinnen und auch die Turmkuppel hat mehr Seitenwaben und ist somit um einiges größer. Der Postenturm Neumagener Straße ist denkmalgeschützt und Baujahr 1970. Wie kommt der Turm aufs Werksgelände und was bewachte der Posten?

Der Turm überwacht die alte Güterverladehalle und den Werkshof der ehemaligen Askania-Werke. Das Askaniahaus und die Erweiterung, Berliner Allee, Ecke Liebermannstraße wurden 1939 auf Geheiß der Luftfahrtindustrie gebaut. Mit der Eroberung Berlins durch die Siegermächte wurde das Askania-Werk von den Sowjets beschlagnahmt. Ab 1953 zog das Ministerium für Staatssicherheit mit der Hauptabteilung für Personenschutz in das Objekt ein. Umliegende Gebäude wurden teilweise von der Polizei genutzt.

Die Hauptabteilung Personenschutz hatte bis zu 3800 Mitarbeiter. Ihr Aufgabenbereich lag im Schutz der Staatsführung, ihrer Gäste und der Absicherung von Auslandsaufenthalten der Regierungsangehörigen. Das Gelände im Norden von Weißensee hatte nicht nur die benötigte Größe, es lag auch noch günstig für Einsatzkräfte auf der Protokollstrecke nach Wandlitz.

Protokollstrecke Ossietzkystraße, Ulbricht und Grotewohl mit Staatsgast Chruschtschow, 19. Mai 1960

Im Gebäudekeller befand sich die bis heute erhaltene Waffenkammer und die Eskorte, gleich darüber saß das Wachbataillon. Das Gelände muss in den 1980er Jahren einer Festung geglichen haben. Nicht nur der Postenturm weckt Erinnerungen an die Berliner Mauer.

Beim genauen Hinschauen ist eine einzelne Leitersprosse auf der Mauer zu erkennen. Unglaublich, es ist die baugleiche Signaldraht-Meldeanlage wie auf der innerdeutschen  Staatsgrenze. Die Drähte sind weg aber der komplette technische Aufbau ist original erhalten.

Während der Hof zwischen den ehemaligen Askania-Werken und der Güterhalle jetzt eine Künstlerstadt beherbergt, erinnert außer einer großen DDR-Wagenhalle an der Einfahrt Neumagener Straße nichts mehr an den Hochsicherheitsbereich des MfS. Anders verhält es sich hinter dem Güterschuppen auf der Bahnsteigseite,hier haben viele bauliche Zeitzeugen die Zeit überdauert. Angefangen vom Postenturm, über das Verladegleis bis hin zur Signal-Meldeanlage haben sich hier sicher noch mehr Fundstücke erhalten.  

Das Gelände ist öffentlich nicht zugänglich und wer einen Blick auf den Turm werfen möchte, tut das am besten im Winter, dann ist er von der Neumagener Straße aus zu sehen. In weitaus besseren Zustand sind die Wachtürme am Stasigefängnis Hohenschönhausen. Wer sich für die Thematik interessiert, kann hier eine Führung buchen.

Nächsten Samstag nehmen wir Euch mit in die MfS Waffenkammer Weißensee. Trau Dich. Abonniere uns. Keine Newsletter, kein Spam!

Autor: Christian Bormann

Red. Bearbeitung: Martina Krüger

Fotos: Christian Bormann

Luftaufnahmen: Guido Kunze, Christian Bormann

Die vergessenen Tresorfächer im alten Güterbahnhof Schönholz.

Heute möchte ich den alten Güterbahnhof Schönholz vorstellen. Das Planungsverfahren für den neuen ICE-Parkplatz soll bis 2025 abgeschlossen sein. Anlass genug, das interessante Waldstück entlang der Straße am Bürgerpark noch einmal zu dokumentieren und der Öffentlichkeit vorzustellen. Das Areal beziehungsweise ein kleines Anschlussgrundstück an der Einfahrt zum Bahnhof machte bereits im Februar 2018 weltweit Schlagzeilen. Hier stehen die Reste der denkmalgeschützten Berliner „Ur-Mauer“.

Nordöstlich vom eigentlichen Bahnhof Schönholz liegt der Güterbahnhof Schönholz. Wir beginnen mit der Eröffnung am 10. Juli 1877 als Bahnhof Reinickendorf. Der Bahnhof liegt noch ebenerdig zum Umland und hat nur einen Außenbahnsteig. 1878 erfolgt die erste Umbenennung in Schönholz (Reinickendorf).

Ab 1. Mai 1911 trägt der Bahnhof den Doppelnamen Schönholz-Reinickendorf. Schon 1893 wird der Außenbahnsteig zum Mittelbahnsteig und die Kremmener Bahn wird angeschlossen. Jetzt ist Schönholz-Reinickendorf ein Umsteigebahnhof und bekommt 1896 ein Empfangsgebäude.

Nur fünf Jahre später wird das Empfangsgebäude schon wieder abgerissen. Die komplette Strecke wird von 1901 bis 1903 auf den heutigen Bahndamm gebaut und der Bahnhof so wie wir Ihn heute kennen errichtet. Zwei Ferngleispaare wurden gelegt, die Gleise der Kremmener Bahn umgesetzt und vom Bahnhof Schönholz-Reinickendorf getrennt. Am 5. Juli 1925 fuhren die ersten elektrischen Bahnen auf der Trasse. Dadurch wurde Schönholz-Reinickendorf zum S-Bahnhof.

Der Mischbetrieb von S-Bahn und Dampflok wird 1927 zugunsten der S-Bahn eingestellt, das Aus für den Dampflokomotivenbetrieb am Personenbahnhof Schönholz. Das endgültige Aus für den Lokomotivbetrieb in Schönholz war aber erst in den 1960er Jahren. Aber selbst hiervon sind für den kundigen Beobachter noch Spuren zu finden. Der separate Versorgungsbahnsteig für die Dampflok nebst Unterstand ist noch erhalten.

Im Jahr 1938 bekommt der Bahnhof seinen heutigen Namen Berlin-Schönholz. In den 1940er Jahren herrscht Hochbetrieb auf dem Güterbahnhof. Kriegsgüter und Zwangsarbeiter beherschen das Geschehen. Das Lunalager im ehemaligen Vergnügungspark Schönholzer Heide, in dem Zwangsarbeiterinnen aus Osteuropa untergebracht waren ist nur wenige hundert Meter enfernt in Sichtweite.

Durch die verherenden Luftangriffe auf Berlin ruht der Bahnverkehr erstmals 1945. Der Bahnhof ging jetzt an die Siegermächte. Und diente vor allem den Sowjets als Verladebahnhof für Materielle Kriegsreparationen. Das hieß, die Sowjets demontierten die Maschinenparks im Norden von Pankow und Reinickendorf, in denen zuvor die Zwangsarbeiterinnen Kriegsgüter fertigten.

Luftaufnahme Güterbahnhof Schönholz 1928

In der Schönholzer Heide wurden die Beschlagnahmungen zwischengelagert und dann über den Güterbahnhof Schönholz in die damalige Sowjetunion verbracht. Als Unterkunft nutzten die Sowjets noch einige Zeit die Reste des Zwangsarbeiterlagers.

In den 1950er Jahren wird es ruhig um den Bahnhof. Seine besten Zeiten waren wohl 1900 bis in die 1930er Jahre, denn es war der Bahnhof über den die Berliner und Ihre Gäste zu den Vergnüglichkeiten in die Schönholzer Heide kamen. In der Villa vor Schönholz aber auch im Schützenhaus , im Schloss Schönholz und später in den 1930er Jahren in Berlins größten Vergnügungspark „Traumland Schönholz“ lies es sich gut feiern. Wer kennt nicht den Gassenhauer „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“.

Am 13. August 1961 war schlagartig Schluss mit der Ruhe. Bewaffnete Organe der Nationalen Volksarme und Unterstützerkräfte errichteten eilig eine Personen- und Fahrzeugsperranlage mit Kontrollpunkten auf der Grenze zwischen Reinickendorf und Pankow. Die Stunde der Berliner Mauer hatte geschlagen. Damals noch eine Behelfsanlage aus allem was da war. Später wurde die ursprüngliche und uneinheitlich gebaute Berliner Mauer durch die heute noch bekannten weißen „L-Teile“ aus Beton ersetzt.

Hierbei gab es an der Einfahrt zum Güterbahnhof eine Besonderheit. Die erste Berliner Mauer wurde noch genau auf der damaligen Bezirksgrenze errichtet. Die DDR-Regierung ersetzte die Behelfsgrenzanlage mit den Weißen „L-Teilen“ aus Beton. Die Mauer sollte nicht nur ihres schäbigen Aussehens wegen ersetzt werden sondern auch, um Republikflüchtlinge vor dem weiß angestrichenen Betonhintergrund besser erkennen zu können.

In der Schützenstraße, an der Einfahrt zum Güterbahnhof, kam es zu einer Abweichung. Die Bezirksgrenze bildete hier eine so spitze Flucht, dass man sich dazu entschied, die weißen „L-Teile“ auf der Einfahrt zum Güterbahnhof vorzuziehen. Das machte den Grenzverlauf sicherer, da der Abschnitt jetzt mit weniger Personal und Technik noch besser überwacht werden konnte.

Während die ursprüngliche erste Berliner Grenzmauer verschwand und ersetzt wurde, blieb sie in Schönholz mitsamt ihrer technischen Erstaufbauten, wie Menschenfang und Meldedraht bis heute stehen. Für den Abriss Ressourcen einzusetzen, die im Aufbau Ost knapp waren, bestand kein Anlass, denn die schäbige „Ur-Mauer“ war ja hinter der neu errichteten Grenzanlage nicht zu sehen.

Luftaufnahme Berliner Mauer, „Ur-Mauer“ Schönholz, Januar 2018

Auch beim Abriss der Berliner Mauer, den ich als direkter Anwohner in meiner Kindheit miterleben durfte, gab es niemanden, der die alte Grenzanlage erkannte. Warum auch? Die DDR hatte das kleine Dreieck Pankow in den 80er Jahren an die BRD verkauft. Es lag eh seit Jahren ungenutzt hinter der Mauer. Die DDR brauchte Devisen und die BRD kaufte aus Prinzip jeden Quadratmeter DDR.

Zum Zeitpunkt des Mauerabrisses gab es also keinen Grund, auf Westberliner Territorium eine zweite Berliner Mauer, also eine „Ur-Mauer“ zu suchen. Um so größer war die weltweite Überraschung und das darauf schnellste Denkmalschutzverfahren, das mir in Deutschland bekannt ist. Heute ist die Berliner „Ur-Mauer“ akut bedroht und wartet darauf, aus Ihrem Dornröschenschlaf geweckt zu werden.

Als Güterbahnhof Schönholz kennen viele heute den Güterschuppen oben auf dem Bahndamm. Tatsächlich ist dieser aber nur ein kleiner Teil der Gesamtanlage. Ebenerdig entlang der Straße am Bürgerpark und der Schützenstraße verläuft ein fast rechteckiges Waldstück. Im Vorbeifahren kann man noch schemenhaft von Bäumen überwachsene Gleise und Prellböcke durch die dichte Vegetation erkennen.

Mit dem Mauerbau blieb auch hier die Zeit stehen. Die Nordgleisanlage verlief in 2 Meter Abstand zur Berliner Mauer. Heute noch gut durch den nachgepflasterten Mauerverlauf zu erkennen. Für den unteren Güterbahnhof war es das Aus, wie die inzwischen gut 50 bis 60 Jahre alten Bäume auf den Gleistrassen zeigen. Es sind gar keine Trassen mehr sichtbar, sondern Waldboden, in dem die Gleisanlage noch erhalten ist.

Zur Gleisanlage gehören heute noch drei Gebäude, wobei vom Hauptbau nur noch ein geklinkerter roter Pfeiler und die Reste der Fundamentstreifen übrig sind, einige Aussenwände und Pfeiler liegen noch so, wie sie vor Jahrzehnten umgefallen sind. Ende der 1990er Jahre war hier noch mehr zu sehen. Der Panzerschrank im kleinen Wiege- und Zahlhaus stand damals noch. Ich glaube mich zu erinnern, dass die Tür schon fehlte. Er ist von einfacher Bauart und die Wände mit Beton ausgegossen. Wohl auch der Grund, dass er nach Jahrzehnten unter freiem Himmel immer noch liegt, wo er 1877 abgestellt wurde. Neben der Kutschwagenwaage ragte damals ein etwa vier Zentimeter langes Rohrstück aus dem Boden.

Vorsichtig zog ich daran, doch es bewegte sich kein Stück. Ich wollte das Grundstück damals nur in Augenschein nehmen, also hatte ich nicht mehr als meine Hände. Die Neugier war geweckt und so fing ich an, das Rohrstück von Erde freizukratzen. Schnell entpuppte sich das kleine runde Rohrstück als Teil einer Kurbel und es sollte noch mehr dran hängen. Nach einer halben Stunde hatte ich keine Fingernägel mehr, aber einen gut 50 Kilo schweren Wagenheber um 1900 in der Hand. Ein schönes historisches Fundstück. Liegen lassen kam nicht in Frage, also kam der Wagenheber ins Magazin wo er bis heute darauf gewartet hat, dass seine Geschichte erzählt wird.

Einige Meter die Gleise entlang Richtung Kinderbauerhof verbirgt sich noch ein spektakuläres Geheimnis. Hier liegt der Eingang beziehungsweise von Osten kommend der Ausgang des ersten Berliner Fluchtunnels. Eine Liebesgeschichte wie aus dem Buch. Waltraut Niebank und ihr gerade geehlichter Mann werden durch den Mauerbau getrennt. Er gräbt sich vom Güterbahnhof unter der Straße durch und legt einen Fluchtunnel für seine geliebte Frau an. Am 18 Dezember 1961 flüchtet Frau Niebank vom gegenüberliegenden Friedhof am Bürgerpark. Der Tunnel bleibt tagelang unbemerkt. Dutzende, so erzählen es Zeitzeugen, sollen den Tunnel noch Stunden später benutzt haben. Die Grenztruppen bekamen Wind vom Fluchttunnel und stellten den nächsten vermeintlichen Republikflüchtlingen eine Falle die dann auch zuschnappte.

Den Bahndamm hinauf steht noch ein kleines Schmuckhäuschen. Die Unterkunft für Stellwerkschlosser. Da der Damm erst 1901 gebaut wurde, um den neuen Bahnhof darauf zu setzen, müsste auch die Unterkunft für Stellwerkschlosser auf 1901 bis 1903 zurück gehen. Trotz mehrerer Brandstiftungen ist das Haus in einem bemerkenswerten Zustand und schnell wieder herzurichten.

Das edle kleine Häuschen liegt mit dem Rücken zum Hang und der alten Anlage. Die Front hingegen verläuft parallel zum breiten Pflasterweg der von der Einfahrt Schützenstraße lang ansteigend den Damm bis zum Güterlockschuppen hinaufgeht. Die Ruine empfängt heute jeden, der vor dem Lokschuppen den alten Pflasterweg hinauf kommt.

Der altehrwürdige Güterschuppen ist für viele das Einzige was sie als Güterbahnhof Schönholz kennen. Das Gesicht des Güterbahnhofs ist er ohne Frage, aber eben nur ein kleiner Teil der noch erhaltenen Anlage. Die Feuerwehr kann ein Lied davon singen, zahlreiche Kleinfeuer löschten sie die letzten zehn Jahre. Heute ist das Gebäude versiegelt. Fast zu spät, aber auch im Güterschuppen haben sich Originale Ihrer Zeit erhalten und die Wiederherstellung der denkmalgeschützen Halle wäre schnell und günstig zu bewerkstelligen.

Doppelseitige Stahlschiebetüren mit Wellblech abgeblendet sind wohl noch original aus der Zeit. Was die Fenster anbelangt, so gibt es hier nicht eine einzige heile Scheibe. Es gibt gar kein Glas mehr. Auf dem inzwischen fast als historisch zu bezeichnendem Bild von 1998 hingegen sind die Fenstergläser fast alle intakt. Im Inneren haben Obdachlose lange genächtigt, das zeigen die verbliebenen Spuren, aber auch Kabeldiebe konnten hier scheinbar in Ruhe arbeiten.

Abgesehen vom vielen Müll, der in das Gebäude eingetragen wurde ist das Innere immer noch sehenswert. Es ist nahezu im Originalzustand was die Großeinbauten jener Zeit anbelangt. Da wäre zum Ersten der verschließbare Gütergepäckkäfig als Holzaufbau, scheinbar haben einige Halbstarke desöfteren dagegen getreten, um ihn zu Fall zu bringen, so dass er heute etwas schräg da steht. Ihm gegenüber steht der nächste Holzaufbau, hier standen vermutlich Schiebewagen oder Stapelsäcke.

Bei meiner Begehung des Güterschuppens 2014 war ich mit Nadine Kreimeier unterwegs, damals fanden wir einen originalen Umladeschein von 1890 mit der Aufschrift: „Von Schönholz-Reinickendorf nach Rummelsburg. Auch die Begehung im Mai 2023 brachte eine Überraschung zutage. Im Zahlschalterraum stieß ich auf zwei verschlossene Tresortüren. Kaum zu glauben, dass noch niemand sie aufgebrochen hat. ich habe mich auch gefragt, warum ich sie nicht schon viel früher gesehen habe.

Ich wollte es erst nicht richtig glauben und vermutete, dass es sich um Revisionsklappen oder eine ähnliche technische Einrichtung handelt. Aber nein. Es waren Panzertüren mit Tresorschloss. Zu gern wüsste ich, wie es im Inneren aussieht. Ich vermute aber, dass beide Fächer leer sind und die Schlüssel einfach bei der Übergabe des S-Bahnhofs verloren gingen.

Am 9. Januar 1984 übernahm die BVG den Personenverkehr am Bahnhof Schönholz von der Reichsbahn und stellte den Betrieb ein. Wenig später, am 1. Oktober 1984 ging er als S-Bhf Schönholz unter Leitung der BVG wieder ans Netz. Wobei der Güterbahnhof weiterhin der Reichsbahn unterstand. Die Tresorfächer waren spannend, aber aus historischer Sicht zu vernachlässigen. Im Denkmalkontext spannender ist der hintere Teil der Güterhalle.

Hier haben sich bis heute die zwei Güterwaagen erhalten. Mannsgroß sind ihre Anzeigespiegel. Die Waagen sind so massiv, dass sie bis heute allen Zerstörungsversuchen getrotzt haben.

Der Gesamteindruck der Halle ist auf den ersten Blick erschreckend. Das Dach ist marode und auf einer Fläche von knapp 20 Quadratmetern eingstürzt. Auf den zweiten Blick jedoch wird klar, dass die Schäden schnell zu beheben sind und es sich viel mehr um eine Vermüllung und kleinere Brandschäden handelt.

Es bleibt abzuwarten, was der geplante ICE-Parkplatz an Chancen oder Gefahren für den alten Güterbahnhof und die Reste der ersten Berliner Mauer bedeutet. Pankow hat hier ein einzigartiges Areal Berliner, deutscher und europäischer Geschichte auf engstem Raum.

Berliner Geschichte wird hier ab 1770 zu deutscher Geschichte und mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu Europäischer. Krieg, Frieden, Vergnügen, Tod, Trauer, Teilung und Wiedervereinigung sind hier als bauliche Zeitzeugen in Schönholz erhalten geblieben, wie nirgends anders in Berlin.

Den Bahndamm über den Pflasterweg wieder hinunter zum Tor kommen wir noch einmal linksseitig an der Personalunterkunft vorbei. Wer den Damm vom Pflasterweg hinabschaut, wird ein riesiges Betonbecken mit Wasser erkennen. Es gehört zur Pumpstation und ist nur eines von mehreren.

Die Pumpstation gibt es nicht mehr, einige Teilstücke der Berliner „Urmauer“ parallel zum Bahndamm sind Aussenwände dieser, wenn ich die Luftaufnahmen richtig deute. Zwischen Buddestraße und Bahndamm liegen noch die Reste der Wasserbecken.

Von einem Besuch des Güterbahnhof Schönholz auf eigene Faust ist abzuraten. Die Firma Siemens und andere arbeiten inzwischen täglich vor Ort, darüber hinaus steht hier relevante Infrastrukturtechnik, die gut überwacht ist. Wer hier spazieren geht, bekommt umgehend behördliche Begleitung.

Inzwischen ist der kleine Wald nicht nur historisch interessant, auch allerlei Tierarten haben sich das Biotop erobert. Kleiner Wermutstropfen, es ist davon auszugehen das das Erdreich immer noch kontaminiert ist.

Autor: Christian Bormann

red. Berbeitung: Martina Krüger

Fotos: Christian Bormann

Luftaufnahmen: Guido Kunze, Christian Bormann