U-Bhf Vinetastraße und die Hohenzollern-Berge in Schönholz

Seit 1913 betrieb die private Hochbahngesellschaft die „Centrumslinie“ vom Spittelmarkt bis Alexanderplatz, heute ein Teilstück der U2. Schon kurz darauf wurde die Linie bis zum Bahnhof Nordring, dem heutigen Bahnhof Schönhauser Allee weitergeführt. Die Dorfgemeinde Pankow forderte schon 1905 bei Bekanntwerden der Hochbahnpläne für Berlin eine Verlängerung bis zum Pankower Anger.

Christain Bormann, pankowerchronik
U-Bhf Vinetastraße 1959

Das Hochbahnviadukt zwischen U-Bhf Senefelder Platz und Bahnhof Nordring entstand mangels Kapitals. Es galt, die enormen Kosten vom Spreetunnel sowie der Tunnelanlagen Klosterstraße und Spittelmarkt zu kompensieren. Erst 1927 griff die Hochbahngesellschaft die Forderung der Pankower Gemeindevertreter nach einem eigenen U-Bahnhof auf. Die Bauarbeiten begannen noch im selben Jahr.

Christain Bormann, pankowerchronik
U-Bhf Vinetastraße 1960

Geplant war eine Verlängerung bis zur Pankower Kirche. Das Hochbahnviadukt wurde am Bahnhof Nordring von 12 Metern auf eine Stützenbreite zu 28,5 Meter erweitert und bis zur Bornholmer Straße verlängert. An der Berliner Straße begann die sogenannte Rampe, die in einen Erdtunnel führte. Die Strecke nach Pankow konnte nicht oberirdisch weitergeführt werden. Geplant war eine Verlängerung bis zum Pankower Anger, die U-Bahn hätte so den quer verlaufenden Damm der Stettiner Bahn am heutigen Bahnhof Pankow kreuzen müssen.

Christain Bormann, pankowerchronik
Hohenzollern-Berg Blickrichtung Sowjetisches Ehrenmahl Schönholz

Dies wäre nur unterirdisch möglich gewesen. Der U-Bhf Pankow-Vinetastraße nahm seinen Betrieb am 29.Juni 1930 auf. Die Planungen zum Zweiten Weltkrieg und die damit verbundenen Kosten verhinderten eine Weiterführung der U-Bahnlinie bis Pankow Kirche. Der Tunnel selbst reichte bis zur Masurenstraße hier befand sich unter der Berliner Straße die Kehranlage.

Christian Bormann
Auf dem Hohenzollern-Berg Schönholzer Heide 2015

So mussten sich die Pankower bis ins Jahr 2000 mit dem U-Bhf Vinetastraße zufrieden geben. Bei den Erdarbeiten 1927 entlang der Berliner Straße entstanden enorme Mengen an Abraum. Die Gemeinde war verantwortlich für die Entsorgung, so entschlos man sich kurzerhand, fast den gesamten Aushub in die Schönholzer Heide zu verbringen und für die Pankower Bevölkerung Rodelberge anzulegen. Am Ende der Heinrich-Mann-Straße sowie am Ende der Tucholskystraße befinden sich zwei Eingänge in die Schönholzer Heide.

Christain Bormann, pankowerchronik
Hohenzollern-Berg an der Friesenstraße Schönholzer Heide

Beide Eingänge liegen etwa 150 Meter voneinander entfernt. Die dort beginnenden Wege verjüngen ihren Abstand zueinander, bis sie an der Friesenstraße auf die höchste Erhebung in der Schönholzer Heide treffen. Zwischen beiden Wegen befinden sich abwechselnd große und kleine Erdhügel, zwischen ihnen befindet sich auch das versunkene Heide Theater. Dieser kleine „Bergkamm“ sowie die mit einer Steintreppe verzierte Erhebung an der Friesenstraße werden seit 1927 „Die Hohenzollern-Berge“ genannt.

Autor: Christian Bormann 23.11.2015
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 31.03.2016

Hoch auf dem gelben Wagen

Das Volkslied „Hoch auf dem gelben Wagen“ geht ursprünglich auf das 1879 von Rudolf Baumbach verfasste Gedicht „Der Wagen rollt“ zurück. Der Pankower Komponist und Apotheker Heinz Höhne vertonte das Gedicht 1922 unter dem Titel „Hoch auf dem gelben Wagen“.

Christian Bormann, pankowerchronik
Apotheker Heinz Höhne

Der 1892 geborene Heinz Höhne stammte aus einer musikalischen Familie. Als Kind bekam er Geigenunterricht und komponierte bereits mit 12 Jahren seine ersten Lieder. Nach dem Ersten Weltkrieg absolvierte er seine pharmazeutische Lehre und machte sein pharmazeutisches Staatsexamen in Berlin.

Christain Bormann, pankowerchronik
Adler-Apotheke um 1920

Ab 1923 arbeitete Höhne in der Pankower Adler-Apotheke. Die Apotheke kaufte er 1936. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Apotheken in Ostdeutschland verstaatlicht. Heinz Höhne wurde Leiter mehrerer Apotheken in und um Berlin bis er sich 1965 aus dem Berufsleben zurückzog und 1968 verstarb.

Christain Bormann, pankowerchronik
Tito 8.Juni 1965 Pankower Renner, im Hintergrund die Adler-Apotheke

In dem Volkslied ging es um das Leben und den Lauf der Dinge, beschrieben als Reise in einer Postkutsche. Deutschlandweite Bekanntheit erlangte das Lied erst 1973. Es war der Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, Walter Scheel, der es zu Gunsten wohltätiger Zwecke am 6. Dezember 1973 in der ZDF-Show „Drei mal Neun“ sang.

Christain Bormann, pankowerchronik
Adler-Apotheke 2015

Die von Polydor vermarktete Version wurde zum Kassenschlager. Ganze 15 Wochen hielt sich „Hoch auf dem gelben Wagen“ und erreichte als Bestplazierung Platz 5 der Deutschen Charts. Der 5 Jahre zuvor verstorbene Heinz Höhne erlebte diesen Durchbruch seiner Komposition nicht mehr.

Christain Bormann, pankowerchronik
Walter Scheel 1973 im Tonstudio

Hoch auf dem gelben Wagen

Hoch auf dem gelben Wagen
sitz ich beim Schwager vorn.
Vorwärts die Rosse jagen,
Lustig schmettert das Horn.
Berge und Wälder und Matten,
wogen des Aehrengold.-
Möchte wohl ruhen im Schatten,
Aber der Wagen rollt.

Flöten hör‘ ich und Geigen,
Kräftiges Baßgebrumm;
Lustiges Volk im Reigen,
Tanzt um die Linde herum,
Wirbelt wie Laub im Winde,
Jubelt und Lacht und rollt.-
Bliebe so gern bei der Linde,
Aber der Wagen rollt.

Pastillon an der Schenke
Füttert die Rosse im Flug;
Schäumendes Gärstengetränke
bringt uns der Wirt im Krug.
Hinter den Fensterscheiben
Lacht ein Gesichtchen hold.-
Möcht so gern noch bleiben,
Aber der Wagen rollt.

Sitzt einmal ein Gerippe
Hoch auf dem Wagen vorn,
Trägt statt Peitsche die Hoppe,
Stundenglas statt Horn-
Ruf’ich „Ade ihr Lieben,
Die ihr noch bleiben wollt;
Gern wär’ich selbst noch geblieben,
Aber der Wagen rollt.

Autor: Christian Bormann 21.11.2015
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 31.03.2016

Die Legende vom Kriegsschatz im Wilhelmsruher See

Das Seebad Grande, zumindest der Name und die zahlreichen historischen Postkarten, ist vielen Pankowern noch bekannt. Die Legende vom Kriegsschatz im Wilhelmsruher See kennen nur wenige. Bereits die Nationalsozialisten hatten Ende der 1940er Jahren vor, das alte Seebad in Wilhelmsruh auszubauen.

Christian Bormann
Frauen-Turn-Verein am Wilhelmsruher See 1931

Nachdem Deutschland immer mehr Kriegsschauplätze zu unterhalten hatte, wurden viele solcher Projekte gestoppt. Es galt, vorrangig die Fronten zu versorgen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieg lag Wilhelmsruh in der sowjetisch besetzten Zone. Auch unter den Kommunisten gab es Anfang der 1970er Jahre den Plan, das Seebad in Wilhelmsruh wieder herzustellen.

Autor Christian Bormann, Pankower Chronik,pankowerchronik,
Helfer des Nationalen-Aufbau-Werk 1956 Schönholzer Heide

Im Auftrag des Nationalen-Aufbau-Werks begannen Helfer am Wilhelmsruher See den Schlamm abzupumpen und in die Schönholzer Heide zu bringen. Im Rahmen dieser Arbeiten war mein Großvater mit einem LKW der Borsig-Werke unterwegs zu den Pankower Bauernhöfen und Äckern. Ihre Aufgabe war es, Findlinge einzusammeln und nach Schönholz in die Heide zu bringen.

Treppe Heide Theater Schönholz
Verfüllte Tanzfläche des Heide-Theaters

Während der Schlamm aus dem Wilhelmsruher See im gerade erst aufgegebenen Heide-Theater verteilt wurde, fanden die Helfer Unmengen an Schmuck und Wertgegenständen. Die Arbeiten wurden unterbrochen und durften erst unter Aufsicht der Volkspolizei wieder aufgenommen werden. Schnell war klar das die Funde Wilhelmsruher Bürgern zuzuordnen waren.

Heide Theater
Mit Schlamm aus dem Wilhelmsruher See verfülltes Heide-Theater

Kurz vor dem Einmarsch der Sowjets hatten viele Anlieger ihr wertvolles Hab und Gut im flachen Wilhelmsruher See versenkt, in der Hoffnung, es später bergen zu können. Auf die Volkspolizei folgten dann sowjetische „Zuständige“ die sich um die Funde kümmerten. Das versprochene Seebad gab es auch unter den Kommunisten nicht. Was genau geborgen wurde, wieviel es wert war, und wo es verblieben ist, ist in keinem Archiv verzeichnet. Und so bleibt der Kriegsschatz aus dem Wilhelsmsruher See für alle, die nicht dabei waren, eine Legende.

Autor: Christian Bormann 09.11.2015
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 31.03.2016

Der kleine Becher vom Kreuzgraben

Mein letzter Fund lag schon ein gutes Jahr zurück. Damals fand ich mit Nadine Kreimeier eine Muskete von 1640 in der Schönholzer Heide. Nach der Fundmeldung wurde das gute Stück von Dr. Uwe Michas, dem Leiter für archäologische Ausgrabungen in Berlin als Jägerstutzen bestimmt.

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Karte von Berlin und Umland um 1860
Wir verschenkten das Fundstück dann an das Museum Pankow in der Prenzlauer Allee. Im August 2015 war es endlich wieder soweit. Wer mich kennt, der weiß, dass ich an keiner Erdbaustelle vorbeigehen kann, ohne gleich reinzuspringen, oder mir wenigstens den Erdaushub anzuschauen.

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Muskete von Schönholz / richtige Bezeichnung Jägerstutzen
Entlang der oberen Dietzgenstraße wurden die alten Gehwege für Schachtarbeiten geöffnet. Ausser einigen Knochenfragmenten und neuzeitlichen Scherben war nichts zu finden.

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Fundort 1.5 Meter tief, Eichen Ecke Dietzgenstraße

Das Areal war geschichtlich auch recht übersichtlich. Bis 1802 lagen auf diesem Gebiet die Ackerflächen des Bauern Kraft. Hier lebten dann Madame Fetschow in ihrem Holländerhaus und ab 1850 der Kunstschlosser Hauschild keine 60 Meter vom Fundplatz entfernt. Auf der anderen Straßenseite gestaltete sich Brose seinen heute nach ihm benannten Brosepark.

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mittelalterlicher Töpferofen, liegend

Die Erdarbeiten waren so gut wie beendet. Die Schächte entlang der Dietzgenstraße waren wieder verfüllt und die Pflasterdecke wieder geschlossen. Übrig war nur ein kleiner ca. 3 Meter langer Erdschacht unter meinem Balkon.

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Halbsteinzeug / Braunware

Es war schon dunkel, als ich mit meinem Hund das Haus verließ. Beim routinemäßigen Blick sah ich, dass etwas die Straßenbeleuchtung reflektierte.

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Becher vom Kreuzgraben

Kurzerhand kletterte ich in den Schacht. Die Freude war groß, als sich die von mir erwartete Scherbe beim herausziehen als ganzer Becher entpuppte. Es war ein Keramikbecher aus Halbsteinzeug, auch bekannt als Braunware. Wie schon zuvor bei der Muskete aus Schönholz setzte ich mich mit dem Landesamt für Denkmalschutz und Archäologie in Verbindung, um den Fund zu melden.

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Fund vom Kreuzgraben Dietzgenstraße 2015

Keine 24 Stunden später erhielt ich bereits eine Antwort. Und so hieß es, Zitat Dr. Uwe Michas: „Sehr geehrter Herr Bormann, danke für die Information. Ich werde eine Fundplatznummer vergeben. Diese Gefäße stammen überwiegend aus dem 19. Jahrhundert, waren weit verbreitet und wurden in größeren Mengen hergestellt. Sie wurden für alles mögliche benutzt, von Schuhcreme bis Weichkäse, bis sie von anderen Materialien abgelöst wurden.“

Den Becher vom Kreuzgraben werde ich ebenfalls dem Museum Pankow schenken. Wenn es sich auch nicht um einen spektakulären Fund handelt, so freue ich mich dennoch sehr über die Vergabe einer Fundplatznummer. Wenn ich jetzt von meinem Balkon schaue, sehe ich nicht nur auf meinen Lieblingsitaliener „Trattoria Pasta degli Angeli“, sondern auch auf einen offiziellen archäologischen Fundplatz.

Autor: Christian Bormann 05.11.2015 / 06.03.2017
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 31.03.2016 / 06.03.2017

Bilder:1,3,Bormann/2,Mittelalterliche Keramik-Märkisches Museum Berlin