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Mörder und Verrückte im Gefängnis Buchholz

Die Geschichte des Buchholzer Gefängnisses beginnt 1874 mit einem kleinen Häuschen an der Berliner Straße. Erbaut hatte es der Grundstücksbesitzer Putzval in der Berliner Straße 24.

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Berliner Straße Ecke Schönhauser Straße 1914

Putzval ließ zu gewerblichen Zwecken 1879 ein weitaus größeres Gebäude längs der Berliner Straße errichten. Bis zur Errichtung verband eine kleine Gasse die Schönhauser Straße und die Berliner Straße, bevor beide aufeinander trafen.

Amtshaus Buchholz mit Sparkasse in den 1960er Jahren

Der längs errichtete Gewerbebau beherbergte ein Lokal, danach ein Erholungsheim. Keines der Gewerke trug sich wirtschaftlich. Putzval gab auf und verkaufte das Grundstück an die Gemeinde.

Altes Amtshaus als Nachbarschaftszentrum 2017

Die Gemeinde Buchholz ließ das Gebäude umbauen und richtete ein Amtshaus ein. Links in der Gebäudefassade ist noch die zugemauerte Toreinfahrt zu sehen. Vom Tor aus ging es in das Hofgebäude, in dem sich das kleine Gefängnis befand. Der Herkuleskopf über dem Portal, der eine Löwenhaut über den Kopf gezogen und Tatzen auf der Brust trägt, geht noch auf die Polizeistelle zurück.

zugemauerte Gefängniseinfahrt

Der inzwischen historische Treppenaufgang ist nicht original. Der Eingang ist zwar an seiner einstigen Stelle, jedoch betraten Besucher des Amtshauses den Vorgarten über die Durchfahrt und kamen über eine Balustrade ins Haus.

ehem. Gefängnis Buchholz

Bis auf die zugemauerte Einfahrt sind das Hofgebäude und der gepflasterte Hof noch erhalten. Auch die einstige Gasse, die beide Straßen verband, ist noch als rückwärtige Hofeinfahrt von der Schönhauser Straße erhalten.

Max Rieger Meistertür Schutzraumklappe 1936

Im ehem. Amtshaus war auch die Polizeiwache und das kleine Gefängnis. Der Polizeibezirk Buchholz war 1870 bis 1920 für die Gemeinden Blankenburg, Heinersdorf, Summt, Mühlenbeck und Schönerlinde zuständig.

Luftschutz Max Rieger Wilmersdorf 1936

Die Ordnungshüter waren nicht zu beneiden, für das gesamte Gebiet standen dem Gemeindevorsteher Schulze gerade eine handvoll Männer zur Seite. Es waren der Gemeindeschöffe A. Steeger, Wachtmeister Kramer, Polizeisergeant Steinhoff und der Nachtwächter und Totengräber Grün. Grün selbst wohnte im Hofgebäude des Amtshauses.

Kunst und Bauschlosserei Max Rieger 1936

Einige Geschichten über die Zelleninsassen erzählen sich Pankower heute noch. Eine Verrückte, die der Anstalt Herzberge entlaufen war, konnte vom Gendarmen aufgegriffen werden. Als die Frau in das Amtshaus eingeliefert wurde, erblickte sie den Sergeant Steinhoff in seiner schniecken Uniform.

Keller mit Gittertür zum Hofgebäude 2017

Die Gemütskranke glaubte, in ihm ihren Ehegatten zu erkennen. In ihrer Manie stürzte sie sich auf den Sergeant. Dem Polizist blieb nichts weiter übrig, als mit seiner vermeintlichen Braut im Hof auf und ab zu laufen bis das herbeigeeilte Anstaltspersonal die Frau abholte und ihn aus seiner misslichen Lage befreite.

Luftschutztür im Keller zum Nachbarhaus des ehem. Amtshaus

Am Aufsehen erregendsten waren wohl die jugendlichen Mörder, 20 und 25 Jahre alt. Ihr Opfer war der Landwirt und Fuhrunternehmer Otto Mützelburg aus Zerpenschleuse. Die jungen Männer witterten fette Beute, als der Landwirt auf seiner Rückfahrt aus Berlin die Schönerlinder Chaussee passierte. Und in der Tat, Mützelburg hatte gut Kasse gemacht, jedoch den größten Teil der Einnahmen unter der Leibwäsche versteckt. Als er am 29. Oktober 1892 ausgeraubt wurde, fanden die Diebe nur ein Säckchen mit Handgeld.

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Pankow Schönerlinder Chaussee

Das Fuhrwerk und der Leichnam wurden am nächsten Morgen entdeckt. Schnell konnten die Mörder überführt werden. Einer von ihnen war Mützelburgs Kutscher Kühn der andere hieß Hahn. Nach wenigen Tagen im Buchholzer Gefängnis war der Prozess beendet, Kühn wurde hingerichtet und Hahn gelang die Flucht. Wenig später wurde Hahn bei einem Diebstahl erwischt und erkannt. Er erhängte sich selbst in seiner Zelle im Untersuchungsgefängnis.

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ehem. Gasse heute rückwärtige Hofeinfahrt Schönhauser Straße

Nach der Eingemeindung von Buchholz nach Berlin 1920 wurde das Amtshaus städtisches Verwaltungsgebäude. Das Bezirksamt richtete hier eine Ortsteilamtsstelle mit Steuer-, Standes- und Wohlfahrtsamt ein. Aus dieser Zeit stammen die Luftschutzeinrichtungen, die Kellerklappen links vom Aufgang sind von Max Rieger Wilmersdorf laut Katalog 1936. Die Luftschutztür im Keller zum Nachbarhaus stammt wohl von 1934. Die Gittertüren im Keller im Haus und die Fenstergitter rings herum haben nichts mit dem kleinen ehem. Amtsgefängnis zu tun, sie gehen auf die Stadtsparkasse Berlin zurück.

Autor: Christian Bormann, 08.07.2017

red.Bearbeitung: Martina Krüger, 08.07.2017

Bilder: Christian Bormann, alte Ansichtskarten

Carl Maria von Weber in Pankow

Anlass für diese Geschichte ist ein kleiner, unscheinbarer Sockel. Genauer gesagt sind es zwei. Den zweiten kleineren Sockel konnte ich bei meinen Recherchen „Auf den Spuren von Schloss Schönholz“ zuordnen.

Das „Rettschlagtor“ empfing seine Gäste an der Hermann-Hesse-Straße, damals Bismarckstraße. Dahinter befand sich das ehemalige Gutshaus Schloss Schönholz. Hans Rettschlag betrieb hier seine Gastwirtschaft nebst erweitertem Tanzsaalanbau. Später stand hier das heute versunkene Heide Theater.

„Rettschlagtor“ 2017, heute rückwärtige Einfahrt vom Paul-Zobel-Sportplatz

Für die Geschichte habe ich mich mit meinem Bekannten, dem Künstler Christian Badel in der Schönholzer Heide verabredet. Ich schätze seine kolorierten Zeichnungen sehr. Die Kinderillustrationen ebenso sehr wie die historischen Pankower Ansichten. So verabredeten wir uns kurzerhand zu dieser und weiteren Geschichten.

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Rätselhafter Sockel am Heide Theater

Hinter dem Retschlagtor liegt das Heide-Theater und an seinem Foyer steht noch der mächtige Sockel einer überlebensgroßen Statue. Als Jugendlicher habe ich mich geradezu unter der Schönholzer Heide durchgewühlt. Bis Ende 2016 gelang es mir nicht, die fehlende Plastik zu bestimmen.

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Kleiner Pokalsockel der Schützengilde vom Schloss Schönholz 2017

Anders verhielt es sich bei dem zweiten, weitaus kleineren Sockel. Diesen konnte ich als Überrest des einstig als Schützenhaus genutzten Gutshauses Schönholz identifizieren. Altersbestimmung des Sockels und ein archivierter Zeitungsausschnitt machten es möglich. Auf dem Sockel, der im rückwärtigen Garten stand, befand sich noch bis in die 1940er Jahre ein Schützenpokal aus Steinzeug.

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Carl Maria von Weber-Plastik in der Schönholzer Heide

Im Februar 2017 traf ich mich mit dem Freundeskreis der Chronik Pankow e.V. zu einer Begehung in der Heide. Inhalt des Treffens war ein Gedankenaustausch anlässlich ihrer aktuellen Ausstellung über die Schönholzer Heide.

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Weberdenkmal vermutlich zur Einweihung

Es war Frau Mach vom Freundeskreis der Chronik Pankow die mich darauf hinwies, dass es sich einst um die Statue von Carl Maria von Weber handelte. Frau Mach war es auch, die mir diese historischen Aufnahmen gab. Sie selbst war als junge Frau Gast im einstigen Freilichttheater. Meine Neugier war geweckt.

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Weber-Sockel Christian Badel 25.06.2017

Und tatsächlich wurde ich in den Sammlungen der Deutschen Weber Stiftung fündig. Der am 18. oder 19.11.1786 in Eutin geborene Komponist, Dirigent und Pianist Carl Maria Friedrich Ernst von Weber war in Pankow. Das geht aus den Reise-Briefen Webers hervor.

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Historische Nachillustration Christian Badel 25.06.2017

In tagebuchähnlichen Eintragungen heißt es beispielsweise: „Sonntag 28. Juni 1812 Berlin, Pankow“ – nach Pankow zu Jord. Fried. gefahren, – mit Jettchen angezettelt, Kutscher Trinkgeld

Oder an anderer Stelle: „Mittwoch 22. Juli 1812 Berlin, Pankow“ – Mittag zu Hause, -Nachtische nach Pankow zu Kielemann und Hellwigs morgenden Geburts. gefeiert, gesungen, gespielt der arme Fuchs um 2 Uhr nach Hause fuhre.

Im Zusammenhang mit dem einstiegen Heidetheater stand Weber hier wohl goldrichtig. Frau Mach erzählte weiter, dass sich im Nachlass des Bildhauers eine Miniatur der Weber-Statue befand. Die Deutsche Weber Stiftung lehnte den Ankauf seiner Zeit ab. Der weitere Verbleib der Miniatur ist nicht bekannt.

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Christian Badel beim zeichnen des Weber-Sockels

Vielen Dank Christian für den schönen Nachmittag und die historische Illustration der Geschichte.

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Christian Badel (links), Christian Bormann (rechts) Juni 2017 Schönholz

Link zum Beitrag von Christian Badel

https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=1520016371394614&id=100001587964267

 

 

Video 22: Dreharbeiten mit der Drohne zum Dreiteiler Schönholzer Heide im April 2017.

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https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=1419531424784145&id=954046311332661

Autor: Christian Bormann, 05.06.2017

red.Bearbeitung: Martina Krüger, 26.06.2017

Illustrationen: Christian Badel, 25.06.2017

Fotos: Christian Bormann, Christian Badel, Jutta Mach (Freundeskreis der Chronik Pankow e.V.), Museum Pankow

Bürgerpark – Die erste Parkbücherei der DDR

Östlich der Teufelsbrücke, am Südrand der großen Liegewiese, steht die kleine Parkbücherei im Bürgerpark Pankow. Sie wurde 1955 als Musterprojekt gebaut und war somit die erste ihrer Art in der DDR. Die Parkbücherei war eine Zweigstelle der Bibliothek Pankow in der Mühlenstraße. Das Beispiel der kleinen Parkbücherei machte schnell Schule und so entstanden rasch weitere, erst in den Ostberliner Parkanlagen und später auch in der übrigen DDR.

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Parkbücherei um 1975

Ein Bibliotheksausweis reichte, um sich Bücher oder Zeitungen zu leihen. Mit einem Klappstuhl konnte sich der Leser ein lauschiges Plätzchen auf der großen Wiese suchen und entspannen.

pankowerchronik.blog.de
Parkbücherei 1977

Die Parkbücherei ist bis heute erhalten geblieben. Es sollen etwa 2.000 Bücher im Bestand sein. Hinzu kommen noch Brettspiele. Mit 1.500 Dauerlesern erfreut sich der kleine Pavillon immer noch großer Beliebtheit.

Pankow, Parkbücherei,pankowerchronik.blog,
Parkbücherei 1979

Als Anwohner habe ich meine halbe Kindheit im Bürgerpark verbracht. Ich freue mich jedes Jahr aufs Neue, wenn ich sehe, dass die Parkbücherei weiter betrieben und genutzt wird.

pankowerchronik.blog.de
Parkbücherei 2015

Autor: Christian Bormann
technische Leitung: Nadine Kreimeier
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 31.03.2016

Heinz Rühmann – Der Eiserne Gustav in Buchholz

Heinz Rühmann spielte 1958 eine seiner Glanzrollen als Gustav Hartmann, den alle nur den „Eisernen Gustav“ nannten. Gustav war der letzte Droschkenkutscher Berlins. Ende der 1920er Jahre eroberten die Automobil-Taxis die Stadt, doch Gustav hielt eisern an seiner Kutsche fest.

Heinz Rühmann, pankowerchronik.blog.de
Zeitungscover 1958 „Der Eiserne Gustav“

Als er schließlich zu verarmen drohte, wollte seine Familie ihn entmündigen lassen. Der strenge und in sich gekehrte Gustav ging noch einmal auf große Fahrt. Einmal Berlin – Paris und zurück. Ein pfiffiger Reporter begleitete ihn.

Heinz Rühmann, Chronik Pankow
Heinz Rühmann im Film vor der Buchholzer Kirche

Zurück in der Heimat, war der „Eiserne Gustav“ eine Berühmtheit. Die Erfahrungen seiner Reise hatten auch seinen Charakter verändert. Und so versöhnte sich Gustav wieder mit seiner Familie.

Heinz Rühmann
Filmausschnitt „Der Eiserne Gustav“ vor der Buchholzer Kirche

In Buchholz erinnert heute noch das Restaurant „Zum eisernen Gustav“ an die Dreharbeiten zum Film. Neben der Buchholzer Kirche die als Filmkulisse diente wurden auch Szenen im heutigen Restaurant „Zum eisernen Gustav“ aufgenommen.

Autor: Christian Bormann
technische Leitung: Nadine Kreimeier
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 30.03.2016

Der verschwundene Bismarck

Als sogenannte Gartenstadt war Pankow um 1900 geradezu übersät mit Plastiken. Unzählige Werke der Bildenden Kunst tummelten sich auf Gebäuden, Plätzen und in Parks. Viele dieser Werke überstanden den Zweiten Weltkrieg nicht, andere wurden in den Nachkriegsjahren nach Russland verschickt.

Plastik Bürgerehre zur 750 Jahrfeier Berlins wieder eingesetzt
Plastik „Bürgerehre“ wird 1987 wieder eingesetzt

Allein das Rathaus Pankow verlor gleich drei Plastiken. An der Fassade des Eingangs standen einst vier Plastiken symbolisch für die vier Bürgertugenden „Gerechtigkeit“,“Mildtätigkeit“,“Bürgerfleiß“ und „Bürgerehre“. Die Plastik „Bürgerehre“ wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und erst 1987 zur 750-Jahrfeier Berlins ersetzt.

Plastik Bürgerehre zur 750 Jahrfeier Berlins wieder eingesetzt
Der preußische Adler zierte die Rathausspitze

Der preußische Adler, der einst das Rathaus krönte, wurde offiziell in den Nachkriegsjahren eingeschmolzen. Wahrscheinlicher scheint es jedoch, dass er als Beutekunst nach Russland ging. Die dritte Rathausfigur war der Sämann.

Plastik Bürgerehre zur 750 Jahrfeier Berlins wieder eingesetzt
Der Sämann vor 1940 am Rathaus Pankow

Auf einem Kleinen Betonvorsprung in 6 Meter Höhe stand er direkt Breite Straße/ Ecke Neue Schönholzer Straße in der Fassade des Rathausanbaus. Der Bürgerpark Pankow verlor im Zweiten Weltkrieg fast ein Dutzend Plastiken, sie stammten noch vom Baron Killisch von Horn-Park.

Plastik Bürgerehre zur 750 Jahrfeier Berlins wieder eingesetzt
Bismarckplatz mit Bismarckhaus und Giebelfigur Bismarck

Am heutigen Pastor-Niemöller-Platz 2, damals Bismarckplatz steht bis heute noch das 1908 erbaute Bismarckhaus. Auf der Spitze des Hauses stand bis 1965 eine stattliche Bismarckfigur.

Plastik Bürgerehre zur 750 Jahrfeier Berlins wieder eingesetzt
Bismarckfigur 1965 auf dem Bismarckhaus, Pastor-Niemöller-Platz 2

Die Plastik überstand alle Kriege und politischen Umwälzungen. Nach 1965 fehlte das Kunstwerk über Nacht und bleibt bis heute spurlos verschwunden.

Autor: Christian Bormann 09.03.2015
technische Leitung: Nadine Kreimeier
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 10.04.2016