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Die Botschaft der Republik Irak in Pankow

Das Gebäude der ehemaligen Botschaft der Republik Irak in der DDR befindet sich in der Tschaikowskistraße 51 in Niederschönhausen. Die Republik Irak war das erste nichtsozialistische Land, welches die DDR anerkannte.

Botschaft der Republik Irak in der DDR 1990

Der für Pankow typische Botschaftsplattenbau des Typs IHB II – Bauart SK Berlin 72 wurde 1974 vom „IHB“ Bau-und Montagekombinat Ingenieurhochbau geplant und realisiert. Bereits in den 1980er Jahren wurden Botschaftsmitarbeiter unter Terrorverdacht festgenommen. Über die Jahre gab es immer wieder Gerüchte um die in Geheimdienstkreisen berüchtigte Irakische Botschaft.

Ruine auf dem Grundstück der Botschaft der Republik Irak, Oktober 2022

Die „Junge Welt“ berichtete 1990 über ein Sprengstofflager in der Botschaft, der „Spiegel“ zieht 1991 nach und nennt die Botschaft einen Unterschlupf für irakische Geheimagenten des „Mukhabarat“. Von hier aus soll die Republik Irak ihr Agentennetz unterstützt haben.

Warntafel, Exterritorialgelände, Eigentum der Botschaft Irak, Oktober 2022

Die Bundesrepublik Deutschland forderte 1991 vor dem Hintergrund des 2. Golfkrieges alle irakischen Diplomaten auf, das Land zu verlassen. Die Botschaft in der Tschaikowskistraße wurde praktisch über Nacht aufgegeben. Die Mitarbeiter nahmen nur ihre persönlichen Sachen aus dem Arbeitsgebäude mit und zogen die Türen hinter sich zu, als würden sie am nächsten Morgen wieder zur Arbeit erscheinen.

Überwachsene Gartentreppe ins Hochparterre, Oktober 2022

Doch nie sollte ein irakischer Diplomat die Botschaft wieder betreten. Dafür traten wir Kinder nur einige Tage nach dem Verschwinden der Iraker auf den Plan. Wir Kinder, das waren Gordon, Mattie und ich. Es war 1991 und wir waren 10 und 11 Jahre alt. Unseren Lieblingsort im alten Ballhaus an der Grabbeallee mussten wir aufgeben. Nachdem wir im Ballhaus einige Wochen lang unsere Nachmittage verbracht hatten, waren die Nachbarn aufmerksam geworden und es wurde Zeit, sich ein neues Hauptqartier zu suchen.

Bewachsene Originalbank aus 1974, Oktober 2022

So liefen wir die Grabbeallee ein Stück runter, bis zum Zingergraben, direkt hinter dem damaligen Grabbe-Club, heute Kurt-Lade-Club. Wir sprangen über das kleine Ziergeländer und zogen den Graben in Richtung Schönholzer Heide weiter, bis wir am rückwärtigen Garten der Botschaft ankamen. Mattie wohnte in der Tschaikowskistraße, fast gegenüber der Botschaft und war der Meinung, das Gebäude stünde schon tagelang leer.

Brandherd im Kellergeschoss, Oktober 2022

Gordon war der Ältere von uns Dreien. Er traute sich als erstes in den Garten der Botschaft. 1991 war der Garten noch gepflegt und von allen Seiten einsehbar. Wir mussten also erstmal ungesehen vom Zaun am Zingergraben durch den Botschaftsgarten in Deckung gelangen. Am Ende der Steintreppe zur Terrasse lag ein Schlüssel unter der letzten Stufe.

Verschlossener Botschaftshaupteingang, Oktober 2022

Wir waren frech genug, den Schlüssel auszuprobieren. Vorsichtig schlichen wir geduckt die Treppe rauf zur ersten Tür, er passte, aber drehte sich nicht. Die zweite Tür war nur wenige Meter entfernt und hier funktionierte der Schlüssel. Wir hofften, dass uns noch kein Nachbar gesehen hatte und betraten die Botschaft, mein Herz schlug bis zum Hals.

Sicherheitseingang mit Passkontrolle, Oktober 2022

Plötzlich standen wir in einem Büro. Es sah aus, als wären die Mitarbeiter nur kurz zur Mittagspause gegangen. Vom Flur aus erkundeten wir das Erdgeschoss Raum für Raum. Ich erinnere mich noch an einen kleinen Raum voll mit Schlüsselbrettern. Mit Hilfe der Schlüssel kamen wir jetzt überall rein.

Botschaftsfoyer, Oktober 2022

Im Erdgeschoss, was mehr einem Hochparterre entsprach, gab es einen merkwürdigen Raum, den wir als Kinder nicht verstanden. Es war eine Art Technikraum, die Wände kahl und mittig zu zwei Dritteln mit Schalttafeln, die vom Boden bis zur Decke reichten ausgestattet. Heute weiß ich, dass es sich um einen alten Computer gehandelt haben muss.

Botschaftsfoyer Holzschiebewand, Oktober 2022

Wir betraten jeden Raum und jedes Büro im Erdgeschoss. Durch die Sichtschutzwände aus Keramik von Hedwig Bollhagen konnten wir uns auf dem Flur fast frei bewegen. Die HB-Werkstätten für Keramik haben für mehrere Pankower Botschaften dieses Bautyps Sichtschutzwände in verschiedenen Ausformungen angefertigt. Sie fügen sich heute noch zeitlos in die Carrara-Waschbeton-Fassaden ein.

Eingangsbereich der Botschaft, Oktober 2022

Nach dem Erdgeschoss wollten wir die Tiefgarage im Untergeschoss erkunden. Damals schien noch viel Sonne in die großzügigen Glasfenster, so dass wir trotz fehlendem Strom genug Licht hatten, um in die Tiefgarage zu gelangen. Wir staunten nicht schlecht. Die voll intakten Büros mit Ihrem Interieur machten schon mächtig Eindruck auf uns.

Haupttreppenhaus der Botschaft mit Kunstmosaiken, Oktober 2022

Überall in den Büros hing das Konterfei von Saddam Hussein, auf den Fluren waren überlebensgroße Poster vom arabischen Führer. In der Garage angekommen zog es uns fast die Schuhe aus, wir konnten es gar nicht fassen. Im Restlichtschein des Treppenaufganges sahen wir zwei dunkle Mercedes S-Klassen stehen.

Personalraum der Eingangskontrolle, Oktober 2022

Im Halbdunkel liefen wir um die Limousinen herum und bestaunten die prächtigen Standarten, verchromte Wimpelstangen mit Irakischer Flagge. Für den ersten Tag hatten wir genug gesehen und waren uns einig, die Erkundung am nächsten Tag im ersten Obergeschoss fortzusetzen. Still und heimlich wie wir gekommen waren, verschwanden wir auch wieder.

Flurstück in der Botschaft, Oktober 2022

Am zweiten Tag schlichen wir uns wieder hinein. Wir hatten die Schlüssel und genug Mut, den Rest der Botschaft in Augenschein zu nehmen. Das 1. Obergeschoss unterschied sich nicht wesentlich vom Erdgeschoss. Ein Büro nach dem anderen, Besprechungsräume, eine Teeküche und ein blau gefliestes Bad. Am Ende allerdings befand sich eine Aufbewahrungskammer mit Regalen und einer fest installierten Leiter, die gleichzeitig als Dachausstieg diente.

Konferenzraum mit Stabparkett, Oktober 2022

Der hintere kleine Personaltreppenaufgang ging nur bis ins 1.OG, also mussten wir den Flur wieder zurück. Hier gab es nicht wie im Erdgeschoss Keramiksichtschutzwände, sondern großflächige Fenster. In den gegenüberliegenden Gebäuden herrschte reger Betrieb und einmal in der Stunde fuhr ein Funkwagen zur Kontrolle vor. Wir schlichen also geduckt Meter um Meter in Richtung Haupttreppe, als der besagte Funkwagen vor der Botschaft hielt.

Kleine Teeküche, als einziges erhaltenes Inventar im Gebäude, Oktober 2022

Diesmal stieg die zweiköpfige Besatzung aus und schaute etwas genauer in die Fenster unseres Flurs. Ich habe nicht vergessen, wie wir starr vor Angst zu dritt auf dem Flur lagen. Saddam grinste uns von einem risiegen Plakat am Ende des Flures an. Es hat bestimmt zwanzig Minuten gedauert, bis wir uns trauten aufzustehen. Das 2.OG lag noch vor uns.

Gerätekammer mit Leiter zur ersten Dachebene, Oktober 2022

Wir hatten uns schnell vom Schreck erholt und liefen die Treppen ins letzte Stockwerk hoch. Hier hatte der Botschafter sein Zimmer und davor einen riesigen Konferenzraum. Holzgetäfelte Wandverkleidungen, soweit das Auge reichte. Chrom, Leder und wunderschöne arabische Teppiche. Unsere Entscheidung stand fest. Hier lassen wir uns nieder, hier können wir schön hausen. Das neue Hauptquartier war gefunden.

Mit Essigbäumen bewachsenes Dach, Oktober 2022

Im Vergleich zur Ruine vom alten Ballhaus hatten wir ein großen Schritt gemacht. Ich nahm sofort am Schreibtisch des Botschafters Platz. Die lederne Tischauflage und den dazu passenden Stifthalter nahm ich mit nach Hause, wo sie umgehend ihren neuen Platz auf meinem Schreibtisch einnahmen.

Nasszelle für mehrere Duschen, Oktober 2022

Tag drei das gleiche Ritual, den Zingergraben entlang über den Zaun und ab in die Botschaft. Diesmal war alles anders. Wir hatten am Vortag vergebens die Botschaft nach Schlüsseln für die Tresore abgesucht. Es waren gut ein Dutzend verteilt über Büros und Botschafterzimmer. Als wir ins Botschafterzimmer eintraten, war der Tresor geöffnet worden. Das konnte nur über Nacht geschehen sein.

Einzelbad mit Wanne, Oktober 2022

Uns wurde ganz schön unwohl bei dem Gedanken, dass wir nicht die Einzigen im Haus waren. Wir schauten auch in den Büros auf den anderen Etagen nach und jeder einzelne Tresor war über Nacht geöffnet worden. Aber sie waren nicht leer. Ich trug den verbliebenen Inhalt der Tresore zusammen. Da waren ein gutes Dutzend irakischer Pässe mit Diplomatentankkarten von Shell. Ein Fotokatalog der Botschaft zu Ihrer Eröffnung. In der Mappe war die komplette Botschaft katalogisiert und dokumentiert.

Hauptaufgang im Obergeschoss mit zerstörter Wanddekoration, Oktober 2022

Die Fotos waren etwa A4-Größe und zeigten die Botschaft in all ihren Details. Auffällig war ein Fotokatalog mit arabischen Teppichen, mit denen die Botschaft ausgestattet war, darunter wirklich wertvolle Stücke. Im Tresor des Botschafters befanden sich Fotos, aber ganz anderer Art. Die harmlosesten zeigten Politiker wie Günther Mittag beim Besuch der Botschaft. Das Gros der Fotos aber waren Aufnahmen von Saddam Hussein im Golfkrieg, wie er in Schützengräben steht, Luftaufnahmen von Raketen vor dem Einschlag, Satellitenbilder von Orten vor und nach einem erfolgten Angriff.

Blick vom Obergeschoss nach unten. Links und rechts ist die Wanddekoration zu sehen, Oktober 2022

Als Zugabe lag noch eine VHS-Kassette im Tresor. Sie war arabisch beschriftet. Video, Fotos und Pässe nahm ich in einem Koffer mit, der leer herumstand. Beim späteren Ansehen des Videos stellte sich raus, es waren Golfkriegsszenen, aufgenommen von irakischen Streitkräften.

Ausschnitt der beidseitigen Wandmosaike vom Hauptaufgang der Botschaft, Oktober 2022

Wir kamen auch am nächsten Tag noch einmal wieder. Durch eine Bürotür zum Garten betraten wir die Botschaft wie auch in den drei Tagen zuvor. Als wir gerade auf den Flur wollten, um ins 2.OG zu gelangen, sahen wir, dass der Flur und das Foyer akkurat mit Löschpulver ausgesprüht worden waren. Selbst als Kinder verstanden wir gleich, dass das keine Vandalen gewesen waren. Das Löschpulver war beim Verlassen des Gebäudes ausgebracht worden, um Fußspuren beim Betreten sichtbar zu machen.

Gartenseite des Gebäudes mit Untergeschossparkplatz, Oktober 2022

Woher wir wussten, dass es beim Verlassen des Gebäudes versprüht wurde? Es gab nicht eine Fußspur. Unsere waren jetzt die ersten und absolut verräterisch. Ich weiß nicht mehr, wer von uns auf die Idee kam, den Gebäudestrom wieder einzuschalten aber wir taten es tatsächlich.

Treppe in den alten zugewachsenen Botschaftsgarten, Oktober 2022

Diesmal hatten wir Taschenlampen, als wir in den Keller gingen. Hier standen die zwei Mercedes S-Klassen, mit denen wir als führerscheinlose Kinder so gar nichts anstellen konnten. Wir wandten uns jetzt einem wirklich großen Hebel zu. Zwei von uns waren nötig, um den an der Wand montierten Hebel umzulegen.

Stifthalter vom Schreibtisch des Botschafters der Republik Irak in Deutschland 1991

Mit dem Strom kam auch der Alarm. Ein ohrenbetäubener Gebäudealarm. Spätestens jetzt wußte jeder, dass in der Botschaft etwas nicht stimmte. Wir legten den Schalter wieder auf „Aus“ und rannten, was das Zeug hielt. Ich verschloss die Botschaft hinter uns und wir betraten sie nie wieder.

Blick in den Botschaftsgarten, Oktober 2022

Nach über 30 Jahren war ich wieder in der inzwischen versiegelten Botschaftsruine. Ein trauriger Anblick, in meiner Kindheitserinnerung war die Botschaft ein Ort der Schönheit und des Staunens. Jetzt laufe ich durch einen ausgebrannten Keller, die Mosaikkunstwerke im Hauptreppenhaus sind bis zur Unkenntlichkeit zerstört. Das gesamte Gebäude ist bis auf zwei Bäder und eine Teeküche entkernt. Plötzlich fühle ich mich sehr alt. Mehr als ein Vierteljahrhundert war ich nicht mehr hier und der Sprung von meiner Kindheit 1991 in dem Gebäude zu meinem Besuch 2022 fühlt sich beklemmend an. Ich mache das Beste draus und freue mich darauf, mit den Fotos endlich die Geschichte der Botschaft erzählen zu können. Ach ja, der Stifthalter vom Schreibtisch des Botschafters steht seit 1991 bis heute auf meinem Schreibtisch und erinnert mich an dieses Kindheitsabenteuer in der Nachwendezeit. Auch wer die nächtlichen Besucher waren, ist heute bekannt. Es waren die Amerikaner, die nachts die Tresore geöffnet hatten und auch in den nächsten Nächten noch die Botschaft durchsuchten. Wir hatten also die Tagschicht und der amerikanische Geheimdienst die Nachtschicht.

Autor: Christian Bormann

Red. Bearbeitung: Martina Krüger

Fotos: Christian Bormann, Bundesarchiv

Das vergessene Kaisergrab in Buchholz

Schon vor dem Ende des 19. Jahrhunderts florierte in Pankow das Vereinswesen. Beispielhaft hierfür ist der Gründer und 1. Präsident des 1. FC Bayern München, Franz John. Der Pankower Fotograf aus der Kreuzstraße war keine Ausnahme.

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Vorplatz der Kirche in Buchholz 2017

Auch in Buchholz existierten um 1890 zahlreiche Vereine. Zu den einflussreichsten Gesellschaften gehörten oft die Schützenvereine. So hatte der Buchholzer Schützenverein sein Heim zentral am Dorfplatz neben der Kirche.

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Kaiserdenkmal Buchholz 1914

Ein weiterer war der Männerturnverein Buchholz. Dieser war es auch, der auf die Idee kam, auf dem Kirchenvorplatz ein Denkmal für Kaiser Wilhelm I. errichten zu lassen. Kaiser Wilhelm I. war ab 1861 König von Preußen und ab 1871 Kaiser von Deutschland.

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Kaiserdenkmal Wilhelm I. Buchholz 1904

Gesagt getan, im Handumdrehen hatten die Vereinsmitglieder einen nicht unerheblichen Spendenbeitrag aufgebracht. Und so lud die Gemeinde Buchholz schon am 22. März 1897 zur Einweihungsfeier auf den Kirchenvorplatz.

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Kaiserdenkmal Buchholz 1914

Nach dem 1. Weltkrieg hatten die Deutschen genug vom Kaisertum. Nach 23 Jahren sollte Wilhelm vom Dorfplatz verschwinden. Das gesamte prächtige Kaiserdenkmal wurde 1920 abgetragen und an Ort und Stelle vergraben. Bis heute ruht das Denkmal knappe 2 Meter unter seinem einstigen Standort und wartet auf seine Wiederentdeckung.

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Die Kirche aus der Luft, 2018

Buchholz Kirche 360° Panorama

https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=1795997560470861&id=954046311332661

Autor: Christian Bormann, 01.10.2017

red.Bearbeitung: Martina Krüger, 01.10.2017

Luftbild: Guido Kunze, 09.02.2018

Fotos: Christian Bormann, historische Postkarten, Freundeskreis der Chronik Pankow e.V (1)

Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee

Mit steigender Geburtenrate Anfang des 20. Jahrhunderts nahm auch die Sterberate von Säuglingen zu. Als Gegenmaßnahme wurden in Preußen Säuglingskrankenhäuser errichtet. Das Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee war das erste seiner Art in Preußen. Initiator war der von Dr. Julius Ritter gegründete Verein „Säuglingskrankenhaus Berlin“.

Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee

Mit Unterstützung des Kreises Niederbarnim konnte die Gemeinde Weißensee 375.000 Mark für den Krankenhausbau aufbringen. Auf dem 28.000 Quadratmeter großen Grundstück erfolgte 1909 die Grundsteinlegung. Mit Planung und Aufsicht der Arbeiten war der Gemeindebaurat Carl James Bühring beauftragt. Am Vormittag des 8. Juli 1911 wurde das Haus mit Parkanlage an der heutigen Hansastraße eingeweiht.

Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee

Das Haus hatte Kapazität für 60 Säuglinge. Zu den Besonderheiten gehörte die ebenfalls erste und einzige „Milchkuranstalt“ in Preußen. Die im Krankenhauskomplex integrierte „Milchkuranstalt“ umfasste neben einem Kuhstall für 38 Kühe und einer Molkerei auch Anlagen zur Milchverarbeitung.

Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee

Für den Transport und die Lagerung der Milch war ebenfalls gesorgt. Neben dem Kuhstall gab es auch ein Pferdestall für 6 Rösser samt Knechtstube und Remise für drei Wagen. Eine weitere Besonderheit war der im Park gelegene Isolierpavilon. Hier wurden Keuchhusten und Diphtherie behandelt.

Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee

Das Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee war das führende seiner Art in ganz Europa. So richtete es vom 11. bis 15. September 1911 den 3. Internationalen Kongress für Säuglingsschutz in Berlin aus. Die von der Gemeinde Weißensee gestiftete Figur „Caritas“ ist verschwunden, erhalten ist nur der Sandsteinsockel.

Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee

Im Rahmen der Berliner Gebietsreform 1920 erfolgte die Eingemeindung von Weißensee nach Berlin. In deren Folge wurde die „Milchkuranstalt“ herausgelöst. Sie ging an die „Berliner Stadtgüter“ über und bildete die Basis des 1965 gegründeten „Milchhof Heinersdorf“. Die letzte Großinvestition war das neue Bettenhaus als ergänzender Anbau an der Rückseite der historischen Klinik.

Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee

Die Grundsteinlegung erfolgte 1985, Einweihung war im Oktober 1987. Schon 10 Jahre später am 1. Januar 1997 wurde das Säuglings- und Kinderkrankenhaus geschlossen. Das Land Berlin ließ sich 2005 von der Bio Resonanz GmbH um das Grundstück betrügen, 2011 trat Berlin vom Kaufvertrag zurück.

Säuglings- und Kinderkrankenhaus Weißensee

Seither beschäftigen sich die Gerichte mit der Rückabwicklung. Inzwischen hat es dutzende Male gebrannt. Die Gebäudesubstanz ist nicht mehr zu retten. So verliert das Krankenhaus auch seinen Denkmalschutz.

Autor: Christian Bormann 25.01.2015
technische Leitung: Nadine Kreimeier
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 30.03.2016

Bilder: Hintze CPS

Schönholz: Der Heide-Bunker

In der Schönholzer Heide gibt es immer noch einen Bunker, einige Besucher verwechseln auch heute noch das versunkene Heide-Theater mit einer Bunkeranlage.

Schönholzer Heide Theater
Heide Theater

Den noch erhaltenen oberirdischen „Heide-Bunker“ kennt so ziemlich jeder Pankower. Er liegt an der Ziegelsteinmauer des Schützenhauses „Schloss Schönholz“, gut sichtbar zwischen Hermann-Hesse-Straße und geschottertem Fußballplatz.

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Heide- bzw. Luna Bunker

Nach verstärkten Luftangriffen auf Pankow diente er zunächst als öffentlicher Schutzbunker, bevor aus Platzmangel Luftschutzbunker in den Kellern der Wohnhäuser angelegt wurden.

Schönholzer Heide Bunker von Innen
Bunker Inneres

Später gehörter der Bunker zum Zwangsarbeiterkomplex „Luna Lager“. Nur sehr Wenige kennen noch die zwei alten Geschütztürme mit ihren Schießscharten, diese dienten wohl der Bewachung des sogenannten „Luna-Lager“. Sie liegen südlich und nördlich der Straße vor Schönholz.

Geschützturm
Geschützbunker Straße vor Schönholz

Den Namen bekam das Lager von den Pankowern, da es auf dem Gelände des ehemaligen „Luna Park“-Nachfolger „Traumland“ stand. In Pankow gab es zahlreiche Zwangsarbeiterlager, das „Luna-Lager“ war das zweitgrößte in Berlin. Zahlreiche Baracken standen auf dem Gelände des alten Vergnügungsparks „Traumland“. Auch die „Thiemannschen Festsäle vor Schönholz“ sowie das „Schloss Schönholz“ dienten zur Unterbringung.

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Restaurant Schloss Schönholz

Die Zwangsarbeiter wurden unter anderen in den Deutschen Waffen und Munitionsfabriken AG Berlin Borsigwalde, in den Argus Motorenwerken Berlin Reinickendorf sowie den Bergmann Elektrizitätswerken eingesetzt.

Kriegsgräbergedenkstätte
Ehrenhain für die Kriegsopfer

Ein kleiner eingezäunter Ehrenhain mit Gedenktafeln erinnert heute noch an die Opfer des II. Weltkrieges. Ein weiterer Bunker soll sich laut einem „NVA Forum“ angeblich unter einem der zwei „Knochenberge“ befinden.

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Kimpostierpkatz Bezirksamt, Knochenberge

Diese sind die abgetragenen Reste des Friedhofs VI, der 1943 aus Platzmangel für innerstädtische Bombenopfer angelegt und bereits 1946 teilweise wieder geschlossen wurde. Ein Bunker befindet sich darunter nicht. Wer abseits der Wege etwas stöbert, findet große Betonbrockenansammlungen, viele schon überwachsen.

Betonreste Schönholzer Heide
Fundamrntbrocken Luna Lager

Hierbei handelt es sich um eine Mischung aus Fundamentbrocken der Zwangsarbeiterbaracken. Hinzu kommen noch abgetragene Reste von zerbombten Mietshäusern sowie Hausmüll, den anliegende Bewohner zu DDR Zeiten hier deponierten.  Die noch existierenden unterirdischen Zugänge gehören zu Versorgungsräumen und Schächten von „Traumland“, „Luna-Lager“ und „Heidetheater“. Aber auch diese sind inzwischen teilweise oder ganz mit einer Mischung aus militärischen Überresten und Steinschutt verfüllt.

Autor: Christian Bormann, 27.07.2014
technische Leitung: Nadine Kreimeier
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 06.02.2016

Bilder:
Hintze CPS
Nadine Kreimeier
NVA-Forum
historische Ansichten Pankow
Wikipedia