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Die Villa vor Schönholz

In Pankow gibt es viele alte Gebäude, bei dessen Anblick dem Betrachter das Herz aufgeht und man sich unweigerlich fragt, welche Geschichte sich hinter der Fassade verbirgt.

Max Rudolph’s Borussia Park, 1901-1908

Eines dieser Objekte ist die Villa Langheinrich, später auch Villa Bollenbach, die Leichenvilla oder Villa vor Schönholz genannt. Sie steht in der Provinzstraße 23 in Pankow-Niederschönhausen.

Restauration Schaller’s „Tivoli“ mit Terrasse rechts im Bild, 1907-1914

Das Gründerzeithaus aus den 1880ern mit seinem klassischen Historismusschmuck aussen wie innen ist ein Hingucker und echtes Juwel. Der erste Besitzer soll ab 1886 Dr. Phil. Ernst Langheinrich gewesen sein. Langheinrich war Direktor der „Preußischen Lebens- und Garantie- Versicherung AG Friedrich Wilhelm“ und wohl auch dementsprechend vermögend. Ernst Langheinrich verstarb 1898 und die Villa wurde 1902 von der Terraingesellschaft Schönholz gekauft, die bis 1918 Eigentümerin blieb.

Einstige Rückseite der Villa, heute Eingang Villa vor Schönholz, November 2022

Schon aus dieser Zeit ist bekannt, dass Max Rudolph in Villa und Garten das Restaurant „Borussia Park“ von 1901 bis 1907 betrieb. Von 1907 bis 1914 betrieb dann der Gastwirt Eduart Schaller seine Gastwirtschaft „Tivoli“. Der dritte Gastwirt war G. Eggert, der seinen Schankbetrieb von 1914 bis 1918 im Hause führte. Der Ingenieur Heinrich Bollenbach erwarb 1918 die Villa vor Schönholz, Bollenbach hatte gleich in der nahegelegenen Buddestraße eine Maschinenbaufabrik.

Villa vor Schönholz, Eingang zum Untergeschoss in die Pseudokrypta, und Podest der ehem. Steintreppe, November 2022

Ab 1920 wurde die Villa von Bollenbach als Mehrfamilienhaus vermietet. Auch das Polizeirevier 291 mietete sich von 1927 bis 1934 in das Haus ein. Als Altersheim wurde es unter dem Namen „Bergpredigt“ das erste Mal von 1934 bis 1938 genutzt. Das Kommando hatte damals Oberin G. Schabel. 1938 erbte die Witwe Martha Bollenbach die Villa und vermietete sie an die Altersheimbetreiberin Martha Richter bis 1945.

Fensterschmuck Muschel mit Blütenband

Wie zahlreiche andere Objekte in Pankow wurde auch die Villa vor Schönholz zum Kriegsende 1945 von den Sowjets in Beschlag genommen. Von 1945 bis 1947 befand sich damals das Polizeirevier 283 Niederschönhausen, Revierzweigmeldestelle Schönholz im Anwesen. Bollenbach wurde dann 1949 offiziell enteignet. Die letzte Gaststätte soll H. Jahn von 1951 bis 1952 im Haus betrieben haben. Das wirklich letzte Gewerbe hatte Marta Markowski inne. Sie betrieb das „Blumenhaus Marta“ auf dem Grundstück.

Leere Kartusche mit Arkantusschmuck

Von 1955 bis 1978 gastierte wieder ein Heim in der Villa. Die DDR hatte hier das Städtische Alters- und Pflegeheim eingerichtet, bevor 1978 bis 1985 die Zentrale Feierabendheim-Verwaltung Pankow einzog. Die letzten fünf Jahre bis zum Mauerfall unterstand die Villa dem Kreisvorstand Pankow der Gesellschaft für Sport und Technik. Das Gewerbeamt übernahm ab 1990 bis zum gelegten Großbrand 1992. Schon hier begann der Untergang des altehrwürdigen Hauses nach über 100 Jahren bewegter Geschichte.

Muschel in Lorbeer gebettet

Von 1992 bis 1998 steht die Villa mit zugemauerten Fenstern im Hochparterre und abgebranntem Dach da. Ich bin 1992 kurz nach dem Feuer als Elfjähriger, angelockt von Aktenbergen im gut einzusehenden Heizhaus, auf dem Grundstück gewesen. Meine Erinnerung beginnt mit dem damals noch vor dem Haus stehenden Heizhaus. Durch eine Lücke im Zaun betrat ich damals den Garten und lief die wenigen Meter zum kleinen einstöckigen Heizhaus hinüber. Mein erster Blick fiel gleich auf den für mich damals riesig wirkenden Ofen. Aus der offenen Luke quollen nur zum Teil verbrannte Aktenordner und Mappen hervor. Ich sah mich weiter um und überall lagen kniehohe Berge von Unterlagen.

Ehemalige Haupttreppe zum Biergarten

Meine Neugier war schon von der Straße aus geweckt worden, jetzt brach das Entdeckerfieber in mir aus. Die zum Teil vermauerte Villa mit ihrem abgebrannten Dach war gespenstisch, aber sie zog mich auch magisch an. Ich lief ein paar Mal um das Gebäude, es war einfach kein Schlupfloch zu entdecken. Der Blitzableiter links vom Balkon weckte meine Aufmerksamkeit. Aus dem Garten heraus war zu sehen, dass die Balkontüren nur angelehnt waren. Es waren gute acht Meter, den Blitzableiter hoch, bis zum Balkon. Es half alles nichts, die abgesteppte Putzfassade ließ sich zusammen mit dem Blitzableiter gut als Kletterhilfe nutzen.

Bauschild von 1998, Botschaft der Republik
Sambia

Das Risiko, von der Straße aus gesehen zu werden, war damals sehr hoch. Ein ordentlicher Adrenalinschub verhalf mir im Nu auf den Balkon. Ich hockte mich hin, um nicht gesehen zu werden und schob vorsichtig die Flügel der Balkontür auf. Bevor ich mich versah, stand ich in einem Dienstzimmer, in dessen Mitte sich drei aneinander geschobene Schreibtische befanden. Ich stand mitten im nur wenige Wochen zuvor abgebrannten Gewerbeamt.

Rest des mächtigen Steintreppenaufgangs in den Biergarten

Im Augenblick meines Besuches war mir nicht klar, wo ich mich befand. Die Schreibtischschubladen waren aufgerissen und überall lagen Dokumente. Ich verlies das Dienstzimmer und betrat den Hausflur, hier dämmerte es mir allmählich. Der gesamte Treppenaufgang war in voller Breite und Höhe mit Akten ausgelegt, vom Erdgeschoss bis unter das Dach, auf dem Dachboden waren sie zu kleinen Bergen aufgetürmt. An verschiedenen Stellen hatte es gebrannt und in Verbindung mit den verbrannten und unverbrannten Akten im Heizhaus war klar, dass hier Dokumente vernichtet werden sollten.

Verschliesbare Drehschränke für Aktenordner im Garten der Villa, November 2022

Vom Dachboden aus war der Himmel durch das offene Dach zu sehen und ich beschloss, mir mal den Keller anzuschauen. Vorsichtig versuchte ich den Treppenaufgang wieder hinunter zu gehen. Nicht so einfach, weil die Stufen mit kiloweise Akten überdeckt waren. So rutschte ich also mehr oder weniger den Ruß geschwärzten Treppenaufgang hinunter bis ins Erdgeschoss. Wärend das erste Obergeschoss und der Dachboden noch lichtdurchflutet waren, wurde es im Erdgeschoss duster. Durch die vermauerten Fenster drang kein Licht.

Reste der Vorlandsicherung der Berliner Mauer im Garten der Villa, November 2022

Vorsichtig tastete ich mich im Restlicht des großen Hausaufgangsfensters voran. Das Erdgeschoss war relativ uninteressant, da es nichts anderes als die erste Etage zu bieten hatte. Aber da war noch der Keller. Schon am Eingang, als ich unter dem Rundbogen zur Kellertreppe stand, war die Hand kaum noch vor Augen zu sehen. Kalte, feuchte Luft strömte die breiten Steinstufen aus dem Keller herauf, es roch furchtbar modrig.

Autor Bormann auf dem Balkon der Villa

Ich nahm all mein Mut zusammen und tastete mich an der Wand entlang die Stufen hinunter. Die Kellerfenster waren alle verhangen, nur ganz selten drang etwas Tageslicht durch einige Spalten. Ich wagte mich einige Meter in den Hauptgang des Kellers. Hier standen einige Sofas und ich erinnere mich an rote und blaue Wandzeitungen zum Wohlgefallen des sozialistischen Bruders. Der Rest des Kellers war zu dunkel, bis hier drang nicht einmal Restlicht. Ein weitergehen hätte keinen Sinn gemacht, wo nichts mehr zu sehen war gab es folglich auch nichts mehr zu entdecken. Gottseidank wusste ich nicht, dass einige Jahrzehnte zuvor hier die für den Ausbau des Todestreifens exhumierten Leichen zwei Wochen lang gelagert wurden. Laut Zeitzeugen beschwerten sich die Anwohner über den Verwesungsgeruch bis die Leichname über Nacht verschwunden waren. Es wurde vermutet das die Gebeine nachts in der Schönholzer Heide vergraben wurden.

Bekrönung der Balkontür, Kartusche umrahmt von Arkantus

Langsam tastete ich mich wieder Richtung Treppenaufgang. Der Keller war mir nicht geheuer. Mein Entdeckerhunger war fast gestillt und so wollte ich zügig wieder raus aus der Villa. Im Balkonzimmer angekommen schaute ich mir nochmal einige Ordner an. Sie begannen zum Teil in der Kaiserzeit und wurden nahtlos von den Nazionalsozialisten und später den DDR-Behörden weitergeführt. Für mich als Elfjährigen waren es wohl damals die Siegel und Stempel in den Akten die mich beeindruckten. Auf Preußische Adlerstempel folgten dann die Adler mit Hakenkreuz. So packte ich ein halbes Dutzend zusammen und betrat den Balkon wieder. An der Villa rollte der Verkehr vorbei und der ein oder andere hatte mich bestimmt schon gesehen.

Heutiger Eingang der Villa im Hausaufgang, früher auch rückwärtiger Wirtschaftseingang

Jetzt musste es schnell gehen. Vorsichtig ließ ich meine Akten an der Fassade hinunter fallen, kletterte über den damaligen Betonsims und griff nach dem Blitzableiter. Die Fassade hochzuklettern war ein Klacks, hinunter half nur die Angst vor der Polizei und den eigenen Eltern, die diese Aktion bestimmt bei Kenntnis ensprechend gewürdigt hätten. Ein beherzter Abschlusssprung in den Garten, dann schnappte ich mir die Akten und sah zu, dass ich nach Hause kam. Beim späteren Betrachten der Dokumente fiel mir so einiges auf.

Eingangsportal zum Hausaufgang

Es handelte sich um Gewerbeunterlagen, teilweise noch vor 1900 angelegt. Von dem halben Dutzend das ich mitnahm, enthielten einige Personendossiers der Staatsicherheit. So gab es da eine Akte über eine Gastwirtschaft oder Kneipe in der Brehmestraße, im hinteren Teil war diese mit einem Anhang versehen. Dem Anhang war sinngemäß zu entnehmen, dass der Wirt eine Vorliebe für junge Männer habe. Da dies im persönlichen Umfeld des Wirtes nicht bekannt war, ließen sich diese Erkenntnisse im Bedarfsfall zur Förderung einer Zusammenarbeit mit den Behörden der DDR nutzen.

Stuckarbeiten im Eingangsbereich des Treppenaufgangs

Schlagartig war mir klar, was es mit dem Feuer auf sich hatte. Die Unterlagen sollten in einer Nacht und Nebelaktion alle mit dem Haus verbrennen. Nur gut, dass die Feuerwehr zu schnell war. Man beließ den Tatort wie er war und vermauerte einfach das Erdgeschoss. So stand das ehemalige Gewerbe- oder Wirtschaftsamt dann bis 1998 als Ruine ohne Dach an der Straße vor Schönholz. Die Botschaft der Republik Sambia kaufte 1998 die Villa und sanierte sie zwar, aber zog nie ein. Seit meinem letzten Besuch im Haus sind gute dreißig Jahre vergangen. Ich fahre fast täglich an der Villa vorbei und habe den Garten und die Fassade im Blick. Mir sind in den letzten zwei Jahren schon von außen Veränderungen am Gebäude aufgefallen, die nur von innen vorgenommen worden sein konnten. Am auffälligsten waren Rollläden, die hochgezogen wurden, obwohl das Gebäude verschlossen und seit Jahren nicht betreten worden war.

Stuckarbeiten im Eingangsbereich

Für mich Grund genug, mal nach dem Rechten zu schauen. In der ersten Novemberwoche war es soweit. Durch das heute noch erhaltene Haupttor zur Provinzstraße 23 betreten wir zu zweit den Garten. Als erstes schaue ich mir die drei grauen runden Tonnen an, die seit Jahren im Garten stehen und liegen. Es sind alte Aktendrehschränke. Sie sind etwa 180 Zentimeter hoch und haben eine Schiebetür. Im Inneren ließen sich Akten auf Drehtellern verstauen. Einige Meter weiter befinden sich Reste der ehemaligen Vorlandsicherung der Berliner Mauer. Sie liegen über einer Senke und wurden über die Jahrzehnte hier vergessen.

Bekrönung des Treppenaufgang

Als nächstes schaue ich auf die Fassade. Wo heute vier Säulen auf einem Betonpodest stehen, war einst der gekrönte Haupteingang mit einer enorm ausladenden Steintreppe. Auch das Dach war gespenstisch bekrönt. Heute sind nur einige wenige leere Kartuschen und Muschelverzierungen mit Arkantusschmuck erhalten geblieben. Auf einer zeitgenößischen Postkarte von Schaller’s „Tivoli“ sind die ursprüngliche Fassade mit Treppe, rechtsseitiger Terrasse und das Dach noch zu sehen. Der Besucher trat also die Treppe hinauf, durch das Gartenzimmer gehend stand er dann am Treppenaufgang des Hauses. Wenn der Aufstieg der Gartensteintreppe dem Besucher noch nicht den Atem genommen hatte dann spätestens der Blick auf den mit Säulen gekrönten Treppenaufgang und seinen pompösen Stuckverzierungen.

Eingang zum Gartenzimmer

Auch mir raubte es den Atem. Vor dreißig Jahren war es im vermauerten Erdgeschoss so dunkel, dass der Deckenschmuck nur zu erahnen war. Die damals rußgeschwärzten Wände des Treppenhauses wurden geweisst und durch die hochgezogenen Rollläden dringt Licht in die gesamte Villa. Erst jetzt erschloss sich mir die volle einstige, auf den Besucher fast einschüchternd wirkende Pracht des gesamten Eingangsbereiches. Die steinerne Eingangstreppe vom Garten wurde im Laufe der Geschichte des Hauses abgetragen und der Außenbereich zu einem Balkon degradiert. Seither wird der ursprüngliche Wirtschaftseingang, historisch gesehen die Hintertür, als einziger Eingang benutzt.

Gartenzimmer mit Ausgang zum Gartenbalkon, ehemaliger Haupteingang, November 2022

Nachdem ich den Anblick von überbordenden Stuckelementen verdaut hatte, sah ich mich im Erdgeschoss um. Vieles war noch im Zustand meines ersten Besuches 1992. Die sanitären Einrichtungen waren saniert, kleine Büros ausgebaut und die Böden waren mit Estrich abgezogen oder man hatte das Parkett saniert. Schon im Erdgeschoss waren die Zerstörungen von Buntmetalldieben zu sehen. Die sanierten Fliesenspiegel waren großflächig eingeschlagen, um an die dahinter befindlichen paar Gramm Kupferrohre zu kommen. In den Büros waren die Rigipswände eingeschlagen und sämtliche Elektroinstallationen rausgerissen. Übriggeblieben waren nur die Reste der Gummiumantelungen der Kupferkabel.

Altes Sofa aus den 1940ern, November 2022

Ernüchtert ging ich den Treppenaufgang hinauf. Ein altes Sofa, das hier vermutlich schon seit Jahrzehnten stand begrüßte mich zerfetzt auf dem Treppenabsatz. Ich schob mich an den Sofaresten vorbei und wie ich befürchtet hatte, sah es im ersten Obergeschoss noch schlimmer aus. Bis zu 20 Personen bewohnen unbemerkt die Villa, sie haben die Büros und Aufenthaltsräume im 1. OG bezogen. Auch hier das gleiche Bild, eingeschlagene Wände und die Reste der Buntmetalldiebe. Im Unterschied zum Erdgeschoss kommen hier noch die Spuren der Bewohner hinzu. Im Haus verbliebenes Büromobiliar ist komplett zerschlagen, die Wände beschmiert und Türen eingetreten.

1992 verbrannte Hausflurmauer unter der Gasbetonwand, November 2022

Überall Schlafplätze, soweit das Auge reicht. Ich wollte mir die Südzimmer anschauen, die hatten wunderschöne Fischgrätenparkettböden als ich sie dreißig Jahre zuvor betreten hatte. Ihr wunderschönes Parkett hatten sie noch sogar aufwendig restauriert. Ich wollte es einfach nicht glauben als ich sah, dass die heimlichen Bewohner die mit Parkett ausgelegten Zimmer als Toilette benutzten. Jeder einzelne Zentimeter war mit Fäkalien überzogen. Warum das Parkett dran glauben musste und nicht der benachbarte, gekachelte Sanitärraum, erschloss sich mir nicht.

Eingang zum Balkonzimmer

Im Flur vor dem Treppenaufgang lagen die Reste mehrer Abendessen. Hier wurde bei offenem Feuer im Hausflur gegrillt. Angewidert gehe ich die Treppe zum Dachboden hinauf. Der Dachboden ist von innen noch nicht zu Ende ausgebaut. Auf der beplankten Seite sind die Dachschrägen und Wände schon fertig. Auch hier befinden sich mehrere Schlafplätze, an deren Kopfende die Wände auf etwa einem Meter Höhe kreisrund eingeschlagen wurden. Der Grund hierfür, die Löcher in den Wänden dienen zur Verrichtung des großen Geschäfts in die Wand. Unglaublich, ich hatte genug gesehen.

Balkonzimmer mit Fischgrätenparkett, und angebrannter Balkontür, November 2022

Ich lief noch einmal die Zimmer ab, um alles fotografisch festzuhalten. Im Balkonzimmer ist immer noch die angebrannte Balkontür mit ihrer zerplatzten Scheibe, hier ist das Parkett noch heil. Die Steinbalustrade, über die ich 1992 auf den Balkon kletterte, wurde durch Metallgeländer ersetzt. Durch die Löcher, die auch im Hausflur in die Gasbetonwände der Versorgungschächte geschlagen wurden, ist noch das verbrannte schwarze Mauerwerk zu sehen. Ich freute mich, dass viele der Bodenkacheln unten im Hausflur sowie in den alten Bädern noch erhalten waren.

Autor Bormann nach 30 Jahren wieder auf dem Balkon der Villa vor Schönholz

Zu guter Letzt wollte ich mir den Keller anschauen. Vor dreißig Jahren kam ich nicht weit, der schlichte Mangel an Licht beendete meine Erforschung schon im ersten Kellergang. Mehr als ein paar alte Wandzeitungen und Sofas waren damals nicht zu erkennen. Seit der Sanierung der Villa waren die Kellerfenster wieder lichtdurchlässig. Somit stand einer erneuten Erkundung nichts im Weg.

Originaler Kachelboden in dem sonst komplett zerstörten sanierten Bad, 2022

So stand ich nun als 41-jähriger wieder unter dem Rundbogen zur Kellertreppe, an dem ich mit 11 Jahren bereits stand. Und wie damals zog kalte, feuchte Luft die Steintreppe hinauf. Der alte modrige Geruch war noch genau derselbe. Ich ging die Treppe hinab und sah als erstes wieder den Hauptgang. Inzwischen war er komplett beräumt.

Mit Fäkalien verschmiertes Parkett im großen Südzimmer, 2022

Am Ende des Hauptganges bemerkte ich eine Rundbogentür, sie fiel mir sofort auf unter den anderen typischen Standardtüren. Im Keller war es so hell, dass ich nicht einmal eine Taschenlampe brauchte. Das Tageslicht schien in die kleinen Kellerfenster und verschaffte dem Ort gerade genug Licht, um alles zu erkennen. Ich schob die Tür etwas auf und dachte, mich trifft der Schlag. Damit hatte ich nicht gerechnet. Hinter der Rundbogentür befand sich eine kleine Halle im Stil einer Pseudokrypta.

Dachboden der Villa vor Schönholz, November 2022

Beim Blick auf die Gewölbedecke, die an zwölf mit Muschelkapitälen verzierten Säulen, endet ging mir fast das Herz über. Ich lief einige Schritte bis in die Mitte der kleinen Halle, drehte mich um und erspähte eine Altarnische. Spätestens jetzt war der traurige Anblick der über mir liegenden Etagen vergessen. Was mag sein Besitzer Besitzer Dr. Ernst Langheinrich hier unten getrieben haben? Gegenüber der Altarnische befindet sich ein Kellerausgang, der sicher seit der Gastwirtschaft von Max Rudolph ab 1901 als Wirtschaftszugang zur Küche diente.

Steintreppe in den Keller, November 2022

Bis auf die von mir so genannte Pseudokrypta befindet sich noch eine große Küche im Keller. Den Bodenkacheln nach zu urteilen war die Küche spätestens seit 1901 hier untergebracht und wurde als solche bis zur Schließung des letzten Alters- und Pflegeheims Schönholz genutzt. Der historische Speiseaufzug ist bis heute erhalten. Der Schacht wurde lediglich in den Ausgabezimmern verblendet.

Kellertür zum Gewölbe, November 2022

Nachdem ich Küche und Speiseaufzug dokumentiert hatte, zog es mich noch einmal in die kleine Säulenhalle. Ich schaute mir die hinterste Ecke genauer an. Hier lagen dutzende Telefone, Drucker und einige Unterlagen mit der Aufschrift „Botschaft der Republik Sambia“. Der Fund ließ den Schluss zu, dass hier wenigstens kurzzeitig Büros der Botschaft von Sambia betrieben wurden. Offiziell aber hat die Botschaft das Haus nie bezogen.

Gewölbekeller mit Säulen und Kappelennische

Genau wie dreißig Jahre zuvor zwei Etagen über mir, schnappte ich mir eine Aktenhülle für mein Archiv und verließ meine geliebte Villa vor Schönholz. Diesmal aber durch die Kellertür und nicht über den Balkon.

Eine von zehn Säulen mit Kapitel

Was sich einst als Rettung für das Haus erwies, der Kauf durch die Republik Sambia, stellt sich heute als fragwürdige Rettung dar. Seit 1992 steht es leer. Wenn auch das neue Dach erst dafür sorgte, dass die Villa bis heute durchhielt, so ist sie spätestens jetzt der Zerstörung durch Mensch und Natur ausgesetzt.

Kleine Altarniesche

Das Haus wäre ein tolles Schulungs- und Übernachtungszentrum für Schulklassen aus ganz Europa. Wir haben hier mit dem Ehrenmal Schönholz, der alten Maulbeerplantage von Schloss Schönhausen, dem größten Vergnügungspark Berlins zur Olympiade 1936, dem Zwangsarbeiterlager Lunalager in der Schönholzer Heide sowie der Berliner Mauer deutsch-europäische Geschichte ab 1760 bis zur Wiedervereinigung auf wenigen Quadratkilometern. Die gesamte Infrastruktur in Schönholz wäre geradezu ideal dafür.

Dokumentenmappe der Botschaft der Republik Zambia, November 2022

Die Zukunft für die Villa vor Schönholz ist ungewiss und sie sollte zu Ihrem Schutz wenigstens beräumt und erneut versiegelt werden. Über die Entdeckung der Pseudokrypta freue ich mich noch immer. Sie wurde bisher nie erwähnt und stellt neben dem pompösen Treppenaufgangstor die zweite architektonische Auffälligkeit dar, die bis heute erhalten geblieben ist.

Kleine Kellerkapelle in der Villa vor Schönholz, November 2022
Tür zum Kelleraufgang
Gekachelter Küchenboden im Keller, 2022
Speiseaufzug im Keller
Schacht vom Speiseaufzug Blick vom Keller hoch zum Dachboden
Lars Bocian (links) und Autor Christian Bormann (rechts), 2021

https://www.berliner-woche.de/niederschoenhausen/c-politik/cdu-will-leerstehende-villa-vor-schoenholz-fuer-den-bezirk-sichern_a333698

Autor: Christian Bormann

Red. Bearbeitung: Martina Krüger

Fotos: Christian Bormann

Auf den archäologischen Spuren der Elisabeth Christine

An der Hermann-Hesse-Straße 80 liegt der der Paul-Zobel-Sportplatz auf dem Gebiet der Schönholzer Heide. Direkt hinter dem Sportplatz und parallel zur Außenmauer verlaufend liegt ein etwa 120 Meter langes Pflaster, das in seiner Art noch fast spätmittelalterlich wirkt. Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit den archäologischen Resten, die sich hier in Schönholz aus einer Zeit ab 1660 bis heute quer durch die verschiedenen Epochen erhalten haben.

Gepflasterte Allee Schloss Schönholz, Weg von Schönhausen nach Schloss Charlottenburg, Postkarte um 1880

Seit vielen Jahren gehe ich davon aus, dass es sich bei dem sichtbaren Restpflaster um den Weg von Schönhausen nach Schloss Charlottenburg handelt, die heutige Tschaikowskistraße, die an Ihrem Ende in der Schönholzer Heide verschwindet. Ich bin mir sicher, dass diese gepflasterte Allee auf das Jahr 1753 zurück geht. Es dürfte sich wohl um einen der ältesten, wenn nicht den ältesten noch existierenden Pflasterweg in Pankow handeln. Aber mehr noch vermute ich, dass sich die Allee nach Schönholz nicht nur auf den sichtbaren 120 Metern hinter dem Sportplatz erhalten hat, sondern noch in Ihrer vollen Länge auf dem Gebiet von Schönholz in der Erde verborgen ist.

Sichtbarer Rest des gesuchten Pflasterweges von Schönhausen nach Schloss Charlottenburg, Foto Juni 2021

Ich habe mich mit meiner Vermutung an die Revierleiterin Cornelia Wagner vom Straßen- und Grünflächenamt Pankow gewandt. Zu meiner Freude unterstützt Frau Wagner die nötigen Sondierungsarbeiten im öffentlichen Interesse. Sollte die originale Pflasterung von 1753 noch in Gänze vorhanden sein, wäre das nicht weniger als eine kleine Sensation. Es dreht sich alles um die Plantage der Königin Elisabeth Christine.

Cornelia Wagner, Revierleiterin Straßen- u. Grünflächenamt Berlin-Pankow (links), Autor Christian Bormann (rechts), Foto Juni 2021

Bereits 2014 gelang mir und Nadine Kreimeier auf dem Gebiet der Königlichen Plantage ein spektakulärer Waffenfund. Die Geschichte erschien unter dem Titel „Die Muskete von Schönholz“. Es handelt sich dabei um einen seltenen Jagdstutzen, wie er ab 1640 gebaut wurde. In den historischen Inventarlisten, die nach dem Siebenjährigen Krieg von Schloss Schönhausen erstellt wurden wird beschrieben, dass im Schloss 3 Büchsen des Königs geraubt wurden und die Soldaten zur Plantage weiter zogen.

Muskete v. Schönholz 05.02.18 bei ZIBB RBB

Hier soll es auf dem Weg von Berlin nach Schönholz, wobei es sich um die Kreuzachse zu unserer Pflaster-Alle nach Schönholz handelt, zu einem schweren Überfall auf der Plantage gekommen sein. Der Fundort stimmt überein und auch waren diese Büchsen sehr seltene Waffen zu dieser Zeit. Es ist also gar nicht so unwahrscheinlich, dass es sich um eine der beschriebenen geraubten Büchsen des Königs handelt. Ich habe den Bodenfund 2015 dem Museum Pankow überlassen.

Karte 1 der Feldmark um 1720 zeigt die Allee nach Schloss Charlottenburg ohne Plantage

1662 erwarb Gräfin Sophie Theodore zu Dohna-Schlobitten das heutige Schloss Schönhausen als Landgut, wo sie 1664 ein Herrenhaus, eine Meierei und einen Park errichten liess. Schon 1680 übernahm der kurfürstliche General Joachim Ernst von Grumbkow die Ländereien. Er ließ 1685 bis 1689 das heute im Grundzug noch erhaltene Schloss errichten.

Karte 2 von 1852

Grumbkows Witwe wiederum verkaufte das Grundstück 1691 an den Kurfürst Friedrich III., auch er liess hier Umbauten, diesmal von Johann Arnold Nehring vornehmen. Erst 1704 beauftragte König Friedrich I. Johann Friedrich Erosander mit der Erweiterung der Anlage. Hier beginnt unsere Geschichte. Karte 1 zeigt die Allee bereits mit Bäumen flankiert. Schnurgerade verläuft sie von der Mitteltür des Schlosses Schönhausen, bis sie kurz vor der heutigen Straße vor Schönholz endet und als abknickender Weg durch die Feldmark Reinickendorf weiter nach Charlottenburg verläuft.

Karte 3 von 1668

Es handelt sich hierbei um den Charlottenburger Weg, damals höchstwahrscheinlich noch ungepflastert aber bereits mit Bäumen fest als Empfangsallee angelegt. 1752 kaufte Elisabeth Christine einen Teil der Schönhauser Fichten, die damals vom nördlichen Pankeufer des heutigen Bürgerpark bis zur Jungfernheide reichten. Schon im selben Jahr wird die Plantage eingezäunt. Der Weg nach Charlottenburg weicht jetzt in Höhe Tschaikowski-/Ecke Hermann-Hesse-Straße in einem leichten Bogen ab und verläuft heute als Hermann-Hesse-Straße vor dem Paul-Zobel-Sportplatz, dann weiter über die Straße vor Schönholz in die heutige Provinzstraße.

Karte 4 von 1872

Ab jetzt heißt der Pflasterweg auf dem Gebiet der Heide Allee nach Schönholz, während der Weg nach Charlottenburg bis etwa 1900, leicht verändert vor die Plantage verlegt, weiter existiert. Auf den Karten 2, 3 und 4 ist die Königliche Plantage und der jetzt herum führende Weg nach Charlottenburg in seiner neuen Form gut zu erkennen. Auf 62 Morgen sollte eine Maulbeerplantage zur Seidenraupenzucht entstehen.

Rot: gesuchter Pflasterweg, grüne Punkte: Schloss Schönhausen oben, Schloss Schönholz unten

Das sogenannte Schloss Schönholz war ein Planteurhaus und wurde auf Grund seiner pompösen Innenausstattung von der Bevölkerung als Schloss bezeichnet. Es enstand ebenfalls 1753 auf den Resten einer alten Besitzung König Friedrich I. Ich gehe davon aus, dass in diesem Jahr auch der Pflasterweg zwischen Schloss Schönhausen und der Königinnenplantage enstand.

Autor Bormann (rechts), Unterstützer Marvin Fleischer (links) beim Graben in der Schönholzer Heide, Foto Juni 2021

Die Kolonie Schönholz war eine 1763 gegründete Siedlung von Leinewebern am Rand außerhalb der Plantage, wie auf den Karten 2, 3 und 4 zu erkennen. Bis in die 1840er Jahre existierten die Königinnenplantage und der Pflasterweg noch in Gänze. Um 1880 kaufte die Berliner Schützengilde das Areal der ehemaligen Plantage. Mit dem Bau des Schützenhauses auf einem Teil der Plantage wurde der Pflasterweg mit der Umgebungsmauer überbaut.

Indiana-Jones Junior schaut sich Papas Arbeit an. Foto Juni 2021

Danach wurde die Schönholzer Heide zu Erholungsort und Partymeile, die Ihren Höhepunkt 1936 im Traumland Schönholz findet. Damals Berlins größter Vergnügungspark und schon wenige Jahre später Zwangsarbeiterlager und sogar Schlachtfeld beim Ausbruchsversuch der Deutschen Armee am 1. Und 2. Mai 1945. Nach dem Krieg wurden dann die als Reparationen erbeuteten Industrieanlagen aus Wilhelmsruh und Reinickendorf hier von der Roten Armee für Ihren Abtransport in die Sowjetunion gesammelt. So reichten 150 Jahre Geschichte, um den Pflasterweg im wahrsten Sinne des Wortes unter die Erde zu bringen und aus der Erinnerung zu tilgen.

Marvin Fleischer beim Freilegen des über 250 Jahre alten Pflasters, Foto Juni 2021

Am 19.06.2021 habe ich die ersten Sondierungen mit Marvin Fleischer durchgeführt. Der von mir vermutete Pflasterweg wurde in drei Suchabschnitte eingeteilt. Die noch vorhandenen 120 Meter sind Bereich 0. Die gesuchten drei Abschnitte sind Teil A, der Abschnitt zwischen Sportplatz und Schützenmauer, Teil B, der Abschnitt zwischen Tschaikowskistraße und Sportplatz und Teil C, das Gelände des Schützenhauses.

Autor Bormann beim Abfegen der Pflastersteine, Foto Juni 2021

Die Abschnitte sind absteigend nach der Wahrscheinlichkeit ihrer Existenz angeordnet. Samstag vormittag gegen 10 Uhr bei 30° hieß es mit Hacke und Spaten „Nu mal Butter bei die Fische“. Und schon die erste vorsichtige Sondierung war ein voller Erfolg. Das Schwitzen im Dickicht sollte sich lohnen. Für Abschnitt A konnte der Pflasterweg schon nach 2 Stunden als vollständig erhalten nachgewiesen werden.

Marvin Fleischer beim Lokalisieren des Pflasters an der Mauer Schützenhaus Schönholz, Foto Juni 2021

Wie vermutet verschwindet er unter der Umgebungsmauer des Schützengeländes. Während wir uns zu zweit mit Hacke, Spaten Erdnägeln und Handfeger durch die Büsche schlugen, stießen wir auf die nächste Entdeckung. Zwei Platanen, die den im Erdreich verborgenen Pflasterweg links und rechts parallel begrenzen. Sie gehören nicht zu den Baumbeständen der letzten 150 Jahre.

Befund, erhaltenes Pflaster in Forschungsabschnitt Teil A nachgewiesen, Foto 2021

Ihr Standort und die Anordung lassen mich vermuten, dass es sich noch um erhaltene Alleebäume der ursprünglichen Plantage handelt. Sie stehen wie natürliche Torwächter je nach Sichtweise am Anfang oder Ende der Allee von Schönholz. Um das belegen zu können ist bereits eine Inaugenscheinnahme mit Frau Wagner vom zuständigen Straßen- und Grünflächenamt vereinbart.

Abgebrochener Sondierungsversuch Forschungsabschnitt B, Foto Juni 2021

In den nächsten zwei Wochen geht es an Teil B, der Abschnitt zwischen Tschaikowskistraße und Sportplatz. Sollten Abschnitt A und auch B von mir nachgewiesen werden, so wird die Existenz des gesamten Pflasterweges erstmal amtlich erfasst und dann auch bei zukünftigen Bauvorhaben oder Landschaftsgestaltungen berücksichtigt werden.

Zwei erhaltene Riesenplatanen (Originalbestand) am Ende der Plantage begrenzen den alten Pflasterweg nach Charlottenburg

Darüber hinaus ist es auch vorstellbar, den Pflasterweg wieder freizulegen und mit entsprechender Schautafel vor Ort zu ergänzen. Das ganze Projekt ist von mir auf sechs Monate angelegt und diesmal wird der Leser noch während des Geschehens in mehreren Teilen mit auf die Reise genommen. In zwei Wochen erfolgt schon die Sondierung auf Teil B. Ich bin gespannt auf das Ergebnis und die Fortsetzung dieser Geschichte.

Link zum Video „Zirkeltag im rbb: Zu Gast: „Mauerentdecker“ Christian Bormann: https://youtu.be/IN2BFUmfOKg

Vielen Dank an Uwe Dziomba, der unsere ehrenamtlichen Aktivitäten immer mit Arbeitsgerät unterstützt.

Autor: Christian Bormann

Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger

Bilder: Christian Bormann, Bauaktenarchiv Bezirksamt Pankow, Marvin Fleischer

Das Bürgerparktor in Pankow

Das Bürgerparktor gehört zu den Wahrzeichen Pankows und die Mehrheit der Pankower wird wohl schon ein- oder mehrmals hindurchgeschritten sein.

Autor Bormann bei Drohnenaufnahmen vom Tor, Luftaufnahme Juni 2021

Der römische Triumphbogen im Stil der italienischen Neorenaissance ist ein typischer Historismusbau und ein Glück für Pankow. Zum Gesamtensemble gehört auch das alte Kastellanhaus.

Sonntäglicher Spaziergang des Fräulein Johanna, Foto 1914

Dr. Hermann Theodor Killisch v. Horn, der Herausgeber der Berliner Börsenzeitung, ließ das Tor 1865 als Prachteingang zu seinem englischen Landschaftspark an der Spandauer Straße, dem alten Triftweg nach Jungfernheide und heute Wilhelm-Kuhr-Straße errichten. Das Tor soll damals zu Festlichkeiten angeleuchtet worden sein.

Bäckerei Karl Hartmann aus der Wollankstraße 130 mit Pferdegespann vor dem Torensemble, Foto um 1930

Der Parkeingang lag am westlichen Ende des Angerdorfes und war für die Bevölkerung bis 1906 tabu. Nach der Aufgabe des Landschaftsparks sollte das Gelände verkauft, parzelliert und von einer Straße durchtrennt werden. Es war der damalige Dorfbürgermeister Wilhelm Kuhr, der sich für den Gesamterhalt als Parkanlage einsetzte. Für diesen Einsatz bedankten sich die Pankower mit der Umbenennung des Straßennamens von Spandauer Straße in Wilhelm-Kuhr-Straße.

Die Gemeinde erwarb den Grundbesitz und schon 1907 konnten die Bürger Pankows durch Ihren Bürgerpark flanieren. Zu dieser Zeit hatte der Park noch einen üppigen Figurenbestand und war weitgehend im Original vorhanden. Der Vorplatz am Tor wurde 1925 umgestaltet und das große schmiedeeiserne Tor unter dem Hauptbogen schloss sich für immer. Die Straße und der Gehweg wurden gepflastert und eine Mittelinsel umschloss die damals hier stehende kleine Baumgruppe vor dem Tor.

Beschädigtes Bürgerparktor, Foto Ende der 1990er Jahre

Der Krieg hat die historischen Gebäude weitgehend zerstört. Mangel an Baustoffen und schlechte Planung kosteten den Park auch noch den restlichen Bestand an historischer Ausstattung. Der Bürgerpark sollte wieder hergerichtet und die Erinnerungen an den Krieg getilgt werden.

Gesamtensemble Bürgerparktor und Kastellanhaus, Luftaufnahme Juni 2021

Aus Mangel an Geld, Material und Expertise ging Abriss vor Wiederaufbau. Ein Wunder, dass die Teufelsbrücke über die Höllenschlucht noch erhalten ist. Aus heutiger Sicht ist ein solches Vorgehen kaum mehr vorstellbar. Aus Kostengründen wurden viele dieser Objekte nicht komplett enfernt sondern liegen heute noch als Sockel und Trümmerreste im Boden des Parks. Gewonnene Klinker wurden an anderer Stelle wieder verbaut. Hierzu sind bereits einige Sondierungen im Park von mir und Frau Cornelia Wagner vom Straßen- und Grünflächenamt Pankow geplant.

Das Tor hatte keinen Bombentreffer, war aber von leichter Artillerie beschädigt worden. Die Hauptfiguren auf der Attika wurden bereits 1953 vom Tor abgenommen und gesichert, die ersten Instandsetzungsarbeiten am Tor erfolgten 1966. Nach langem hin und her und diversen Fehlplanungen war es dann 1975 soweit. Der Rat des Stadtbezirks Berlin-Pankow beauftragte den Bildhauer Günther Gohlke mit der Wiederherstellung der Figuren.

Saniertes Bürgerparktor in Pankow, Luftbild Juni 2021

Hier kam es zu einer Besonderheit, wie ein Gutachten von 2005 feststellt. Aus Sorge, die Rundbögen könnten die schweren Sandsteinfiguren statisch nicht tragen, wurden die Kopien aus glasfaserverstärktem Kunstoff hergestellt. Die überlebenden Originalteile sollen sich im Depot des Museum Pankow befinden. Auch hier setzten sich Materialmangel und Fehlplanungen fort. So dauerte der Abschluss der Restaurierungen noch bis 1978.

Bürgerparktor, oberer Teil der Rückseite, Luftbild Juni 2021

Die Jahrzehnte vergangen und das Tor war in den 1990er Jahren wieder in einem erbärmlichen Zustand. Als am 10. Juli 2002 während eines Sturms der musizierende Torengel herabstürzte, reichte es den Pankowern. Der gefallene Engel stand ein halbes Jahrzehnt auf dem Hof des Kastellanhaus. Hier sah auch ich ihn mit blutendem Herzen noch stehen. Für die Sanierung wurden 300.000 Euro veranschlagt.

Bürgerparktor, Rundungen von unten, Foto Juni 2021

Organisiert von engagierten Pankowern wie Willy Manns und dem Verein für Pankow rollte die Rettungsaktion an. Am 27. August 2005 fand das erste vom Verein für Pankow organisierte Benefizkonzert statt. Im Jahr darauf, 2006, genau 12 Monate später noch das zweite. So konnte die letzte Restaurierung im September 2006 beginnen.

Bürgerparktor, Säule zum Triumphbogen, Foto Juni 2021

Pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum des Bürgerparks am 25. und 26. August 2007 wurde ein Bürgerfest ausgerichtet. Jetzt konnten die Pankower das für diesen Zweck geöffnete historische Mitteltor durchschreiten und ihr saniertes Bürgerparktor bewundern.

Schmiedeeisernes Originaltor von 1868, Foto Juni 2021

Bei der Bestandsaufnahme des Tores im Juli 2021 musste ich schwere Wasserschäden feststellen. Scheinbar dringt Wasser ungehindert durch die Attika und sackt durch das Tor, bevor es seitlich durch den porösen Putz wieder austritt.

Originaldurchgang von 1868, Foto Juni 2021

Ich werde in den nächsten Wochen die verantwortlichen Ämter informieren und zum unverzüglichen Handeln auffordern. Noch sind die Schäden übersichtlich und behebbar. Schauen Sie bei Ihrem nächsten Parkspaziergang mal etwas genauer hin.

Autor: Christian Bormann

Red. Bearb.: Martina Krüger

Bilder: Christian Bormann, Guido Kunze, Bundesarchiv, Ralph Hoppe

Bodenfund im Bürgerpark

Am 5. Juni 2017 hieß unser Beitrag „Carl Maria von Weber in Pankow“. Anlass war die jahrelange Recherche zu einem historischen Sockel als Rest einer Statue in der Schönholzer Heide.

Fundstelle Wirtschaftshof Straßen- und Grünflächenamt. Die kleinen Gewächshäuser sind abgeräumt u. die historischen Tennisplätze überpflastert

Nach einer Ortsbegehung mit dem Freundeskreis der Chronik Pankow e.V. anlässlich der Austellung „Schönholzer Heide“ konnte Frau Jutta Mach die fehlende Statue mit Bildern belegen. Sie selbst hatte noch das „Heidetheater„, wo der Sockel stand, als junge Frau besucht.

Bauareal Wirtschaftshof Straßen- und Grünflächenamt April 2021

Der am 18. oder 19.11.1786 in Eutin geborene Komponist, Dirigent und Pianist Carl Maria Friedrich Ernst August von Weber besuchte tatsächlich Pankow. In seinen tagebuchähnlichen Aufzeichnungen beschreibt er seine Besuche bei „Jord. Fried. am 28. Junie 1812“ oder „die Geburt bei Kielemann und Hellwigs am 22. Juli 1812“.

Cornelia Wagner, Revierleiterin Straßen- und Grünflächenamt Pankow (re.) und Christian Bormann, Autor (li.) April 2020

Bis auf drei historische Bilder und eine Markierung auf dem Bauplan des Heidetheaters gab es nur noch eine Miniatur, die sich im Nachlass des Bildhauers befand, von der Deutschen Weberstiftung aber nicht angekauft wurde und heute als verschollen gilt.

Geborgener Bodenfund. Vermisste Weber-Statue im Bürgerpark 2020

So war die Bestimmung der Statue zwar erfolgreich, der Verbleib aber unbekannt. Seit Januar 2020 treffe ich mich regelmäßig mit Frau Wagner, der Revierleiterin vom Straßen- und Grünflächenenamt Pankow. In Ihr Ressort fällt auch die Umgestaltung der Schönholzer Heide, die Sanierung vom ehemaligen Friedhof 1 und der Bürgerpark. Eine ausgesprochen engagierte Frau, die zu meiner Begeisterung ein Auge für historische Sachverhalte und ein Händchen für ihren Erhalt hat.

Verwaister Sockel der Weber-Statue am alten Freilichttheater, Schönholzer Heide 2016

Im Januar wies sie mich auf einen Bodenfund im Bürgerpark hin, der Ähnlichkeiten zu Fotos in einer meiner Geschichten aufwies. Bei dem Fund handelte es sich um eine etwa lebensgroße Figur, der Kopf, Hände und Füße abgeschlagen waren. Der Fund wurde im Januar 2020 auf dem Wirtschaftshof des Straßen und Grünflächenamt im Bürgerpark gemacht, nicht weit entfernt von der alten Meierei auf den alten Tennisplätzen. Die Abt. Straßenentwicklung und Bürgerdienste ist nach Fertigstellung der neuen Personalunterkünfte seit Oktober 2020 mit dem Neubau der Zufahrten und Straßen auf dem Wirtschaftshof befasst. Zur Vorbereitung der aktuellen Bauarbeiten kam es zu Erdarbeiten, bei denen die unbekannte Statue entdeckt wurde.

Weber-Statue, Foto: Museum Pankow (R.Dörrier), vermutlich zur Einweihung des Heidetheaters in Schönholz

Ich verabredete mich mit Frau Wagner zur Inaugenscheinnahme und konnte es kaum glauben. „Weber im Bürgerpark gefunden“. Schon auf den ersten Blick war klar, dass es sich um die vermisste Weber-Statue handelt. Am Fuße eines betonierten Gewächshauses aus den 1960er Jahren war sie in geringer Tiefe vergraben. Die Überaschung war um so größer, da vermutet wurde, dass die Statue in Einzelstücken im Erdreich der Schönholzer Heide verteilt liegt. Hier habe auch ich seit 2014 nach ihr gesucht.

Foto der bereits beschädigten Weber-Statue bevor sie „spurlos“ verschwand, Foto Museum Pankow (R.Dörrier)

Das die Statue fast in Gänze im Bürgerpark vergraben wurde, geschah zu Ihrem Schutz. Die damaligen Arbeiter hätten sie ohne Mühe in der Heide verscharren können. Der Abtransport und das Verstecken der Reste im Bürgerpark war eine Rettungsaktion für die nachfolgenden Generationen. Hierfür gibt es weitere Beispiele. In der Geschichte „Das Geheimnis von Friedhof 1“ wird beschrieben, wie die DDR-Regierung Grabsteine von Berühmtheiten als Diplomatengeschenke weitergab. Zur Rettung verbrachten Mitarbeiter einige der gefährdeten Grabsteine auf den Friedhof 1 und versteckten Sie zwischen den anderen Grabstellen.

Eingelagerter Bodenfund Weber-Statue im Mai 2021

So kam der ehemalige Friedhof 1 im Laufe der Jahre an Grabsteine, dessen Gräber er gar nicht beherbergte. Die versteckte Weber-Statue reiht sich hier nahtlos ein. So schließt sich der Kreis um eine mehrjährige Recherche. Für mich ein Glücksfall, dass es diese beherzten Mitarbeiter gab und heute noch gibt.

Autor: Christian Bormann

Red. Bearbeitung: Martina Krüger


Bilderquellen: Jutta Mach (Freundeskreis der Chronik Pankow), Museum Pankow (R.Dörrier) Christian Bormann, Bezirksamt Pankow von Berlin, Bormann Pankowerchronik TV

Das letzte Stück Schloss Schönholz

Anlass für diese kleine Geschichte war ein Besuch in der Schönholzer Heide mit Christian Badel. Zu meinem Entsetzen musste ich feststellen das der Sockel, auf dem einst der Schützenpokal stand, zerschlagen wurde.

Zeitungsauschnitt 1936

Es hat einige Jahre gedauert, die zwei Sockel zu bestimmen, die heute noch am versunkenen Heide-Theater stehen. Auch der Sockel der Weberstatue wurde beschädigt. Was den kleineren der Beiden angeht, so war es jahrelange Recherche bis ich ihn eindeutig dem Schloss Schönholz zuordnen konnte. Der Pokal wurde von der Schützengilde installiert, als sie das alte Planteuerhaus als Vereinsheim übernahm.

Christian Badel an den Resten der Weißen Säule 2017

Letztendlich war es ein Zeitungsartikel, der mich auf die Spur brachte. Mit Lageplänen des Lunalagers und vom Traumland Schönholz machten wir uns daran, den einstigen Standort von Schloss Schönholz noch einmal auszumessen. In alten Zeitzeugenberichten war oft die Rede von einer „Weißen Säule“.

polnische Teilnehmer an einer Fortbildung, Schloss Schönholz 1940

Ich hatte von Anfang an die Vermutung, dass es sich bei der sogenannten „Weißen Säule“ am Schloss um den Steinpokal handeln könnte. Auf einem Foto vom Museum Pankow sind die Teilnehmer eines Fortbildungslehrganges von 1940 vor der Säule zu sehen. Deutlich zu erkennen ist das P-Abzeichen auf Ihrer Kleidung.

Badel beim Zeichnen am Heide Theater 2017

Auch im Schloss Schönholz waren bis Kriegsende Zwangsarbeiter untergebracht. Der Steinpokal war tatsächlich sehr hoch, vor allem war er aber prächtig verziert. Er stand vermutlich, wenn auch in beschädigter Form, noch bis zum Abriss von Schloss Schönholz nach dem Zweiten Weltkrieg. In den Bauamtakten vom Heide-Theater ist die Weberstatue im Ganzen zu sehen und als Statue bezeichnet. Der Pokal aber ist nur als unbestimmtes Qadrat im handgezeichneten Lageplan zu finden.

Illustration Christian Badel 2017

Nachdem es nun so lange dauerte die Herkunft zu erforschen, schmerzt mich der Anblick des zerschlagene Sockels ganz besonders. Über hundert Jahre und zwei Weltkriege blieb er stehen, um dann in einer Nacht zerschlagen zu werden. Ich habe Christian Badel gebeten, die Reste noch einmal für mich zu zeichnen. Die nächsten zwei Winter wird der Sockel nicht überstehen und so verschwindet das letzte Stück Schloss Schönholz.

Autor: Christian Bormann, 12.07.2017

red. Bearbeitung: Martina Krüger, 12.07.2017

Bilder: Christian Bormann, Museum Pankower

Illustration: Christian Badel

Carl Maria von Weber in Pankow

Anlass für diese Geschichte ist ein kleiner, unscheinbarer Sockel. Genauer gesagt sind es zwei. Den zweiten kleineren Sockel konnte ich bei meinen Recherchen „Auf den Spuren von Schloss Schönholz“ zuordnen.

Das „Rettschlagtor“ empfing seine Gäste an der Hermann-Hesse-Straße, damals Bismarckstraße. Dahinter befand sich das ehemalige Gutshaus Schloss Schönholz. Hans Rettschlag betrieb hier seine Gastwirtschaft nebst erweitertem Tanzsaalanbau. Später stand hier das heute versunkene Heide Theater.

„Rettschlagtor“ 2017, heute rückwärtige Einfahrt vom Paul-Zobel-Sportplatz

Für die Geschichte habe ich mich mit meinem Bekannten, dem Künstler Christian Badel in der Schönholzer Heide verabredet. Ich schätze seine kolorierten Zeichnungen sehr. Die Kinderillustrationen ebenso sehr wie die historischen Pankower Ansichten. So verabredeten wir uns kurzerhand zu dieser und weiteren Geschichten.

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Rätselhafter Sockel am Heide Theater

Hinter dem Retschlagtor liegt das Heide-Theater und an seinem Foyer steht noch der mächtige Sockel einer überlebensgroßen Statue. Als Jugendlicher habe ich mich geradezu unter der Schönholzer Heide durchgewühlt. Bis Ende 2016 gelang es mir nicht, die fehlende Plastik zu bestimmen.

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Kleiner Pokalsockel der Schützengilde vom Schloss Schönholz 2017

Anders verhielt es sich bei dem zweiten, weitaus kleineren Sockel. Diesen konnte ich als Überrest des einstig als Schützenhaus genutzten Gutshauses Schönholz identifizieren. Altersbestimmung des Sockels und ein archivierter Zeitungsausschnitt machten es möglich. Auf dem Sockel, der im rückwärtigen Garten stand, befand sich noch bis in die 1940er Jahre ein Schützenpokal aus Steinzeug.

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Carl Maria von Weber-Plastik in der Schönholzer Heide

Im Februar 2017 traf ich mich mit dem Freundeskreis der Chronik Pankow e.V. zu einer Begehung in der Heide. Inhalt des Treffens war ein Gedankenaustausch anlässlich ihrer aktuellen Ausstellung über die Schönholzer Heide.

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Weberdenkmal vermutlich zur Einweihung

Es war Frau Mach vom Freundeskreis der Chronik Pankow die mich darauf hinwies, dass es sich einst um die Statue von Carl Maria von Weber handelte. Frau Mach war es auch, die mir diese historischen Aufnahmen gab. Sie selbst war als junge Frau Gast im einstigen Freilichttheater. Meine Neugier war geweckt.

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Weber-Sockel Christian Badel 25.06.2017

Und tatsächlich wurde ich in den Sammlungen der Deutschen Weber Stiftung fündig. Der am 18. oder 19.11.1786 in Eutin geborene Komponist, Dirigent und Pianist Carl Maria Friedrich Ernst von Weber war in Pankow. Das geht aus den Reise-Briefen Webers hervor.

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Historische Nachillustration Christian Badel 25.06.2017

In tagebuchähnlichen Eintragungen heißt es beispielsweise: „Sonntag 28. Juni 1812 Berlin, Pankow“ – nach Pankow zu Jord. Fried. gefahren, – mit Jettchen angezettelt, Kutscher Trinkgeld

Oder an anderer Stelle: „Mittwoch 22. Juli 1812 Berlin, Pankow“ – Mittag zu Hause, -Nachtische nach Pankow zu Kielemann und Hellwigs morgenden Geburts. gefeiert, gesungen, gespielt der arme Fuchs um 2 Uhr nach Hause fuhre.

Im Zusammenhang mit dem einstiegen Heidetheater stand Weber hier wohl goldrichtig. Frau Mach erzählte weiter, dass sich im Nachlass des Bildhauers eine Miniatur der Weber-Statue befand. Die Deutsche Weber Stiftung lehnte den Ankauf seiner Zeit ab. Der weitere Verbleib der Miniatur ist nicht bekannt.

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Christian Badel beim zeichnen des Weber-Sockels

Vielen Dank Christian für den schönen Nachmittag und die historische Illustration der Geschichte.

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Christian Badel (links), Christian Bormann (rechts) Juni 2017 Schönholz

Link zum Beitrag von Christian Badel

https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=1520016371394614&id=100001587964267

 

 

Video 22: Dreharbeiten mit der Drohne zum Dreiteiler Schönholzer Heide im April 2017.

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https://m.facebook.com/story.php?story_fbid=1419531424784145&id=954046311332661

Autor: Christian Bormann, 05.06.2017

red.Bearbeitung: Martina Krüger, 26.06.2017

Illustrationen: Christian Badel, 25.06.2017

Fotos: Christian Bormann, Christian Badel, Jutta Mach (Freundeskreis der Chronik Pankow e.V.), Museum Pankow

RAKATAK

Als Idee aus einer Trommelgruppe heraus entstand 1994 das „Trommelfest Pankow“. Schon das 1. Fest, damals noch im Bürgerpark, lockte zahlreiche Besucher. Im Jahr darauf erschienen die Besucher noch zahlreicher.

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Poster 2016

Zum Schutz der Bürgerpark Anlage suchte das Bezirksamt einen neuen Veranstaltungsort. Mit Erfolg. Im Juli 1996  wurde das „Trommelfest Pankow“ unter dem Namen „RAKATAK“ auf dem bezirkseigenen, historischen Schützensport-Gelände Schloss Schönholz gefeiert.

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Christian u. Zakrya beim Aufbau 2016

Der Name „RAKATAK“ stammt vom gleichnamigen Instrument. Neben den inzwischen 2 Festbühnen gibt es zahlreiche Bastelstände für Jung und Alt. Mit einer großen Bar und verschiedenen Köstlichkeiten ist für das leibliche Wohl der Besucher gesorgt.

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RAKATAK 2015

Auf einem internationalen Markt können Instrumente und Waren aus aller Welt bestaunt werden. Mit 150 ehrenamtlichen Helfern ist „RAKATAK“ vermutlich die größte jährliche Leistung dieser Art in Pankow.

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RAKATAK 2015

Für das Jahr 2000 konnten die Veranstalter bereits 5000 Besucher aus Berlin und Brandenburg vermelden. Das erinnert an historische Zeiten, als Pankow und Schönholz um die Jahrhundertwende jedes Wochenende von Tausenden feierlustigen Berlinern besucht wurde.

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hintere Festwiese 2016

Durch die Bezirksreform zum Großbezirk Pankow wuchs mit Prenzlauer Berg und Weißensee auch der Verbund der Jugendkulturzentren.

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vordere Festwiese 2016

Inzwischen gibt es auch eine eigenständige Musikgruppe Rakatak. Diese Gruppe trägt ihren Namen mit freundlicher Genehmigung der RAKATAK Veranstalter.

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Internationaler Markt

Zu den Ausrichtern von „RAKATAK“ zählen heute der Lade Club, die Garage Pankow, die Mühlenstraße 24, die Königsstadt und Maxim. Schirmherrin der Veranstaltung ist Christine Keil Bezirksrätin und Leiterin der Abt. Jugend und Immobilien.

 

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https://youtu.be/J2VLtaXLZgY

Autor: Christian Bormann, 16.07.2016
red. Bearbeitung: Martina Krüger, 06.08.2016
Bilder: Christian Bormann

Erholungsstätte Schönholz

Im 19. Jahrhundert kämpfte Berlin noch gegen die Tuberkulose. Kinder und geschwächte Menschen waren besonders anfällig für diese Krankheit.

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Eingang um 1904

Zur Behandlung der Tuberkulose gehörte die Luftkur. Aus diesem Grund wurden Ende des 19. Jahrhundert zahlreiche Lufterholungsheime um Berlin errichtet.

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Luftkurheim Schönholzer Heide

Eine dieser für diese Zeit typischen Einrichtungen war die Wald- Erholungsstätte Schönholz. So schlug man gleich zwei Fliegen mit einer Klappe.

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Besucher u. Patienten in der Heide

Die Patienten entkamen der durch Fabriken stark verschmutzten Stadtluft und gleichzeitig waren sie isoliert. So minderte sich auch die Übertragungsgefahr.

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Frischkuftkur in Schönholz

Die Wald-Erholungsstätte wurde vom Volksstättischen Verein des Roten Kreuz und dem Vaterländischen Frauen Verein Pankow-Niederschönhausen-Schönholz betrieben.

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Patientinnen vor ihrer Baracke

In der Erholungsstätte wurden auch Nervenschwäche, Blutarmut, Rachitis und Magenkrankheiten behandelt. Später befanden sich auf dem Areal Rasentennisplätze und eine große Sportwiese.

Autor: Christian Bormann
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 31.03.2016

Vergnügungspark Traumland in der Schönholzer Heide

Bereits seit Eröffnung der Berliner Nordbahn 1877 entwickelte sich die Schönholzer Heide zu einem beliebten Ausflugsziel. Das Fliegenfest der Raschmacher und die Schützengilde trugen ebenfalls zur Bekanntheit bei.

Traumland Schönholz 1936
Riesenrad 

Nachdem 1936 der „Luna Park“ in Halensee geschlossen wurde, suchte die Schaustellergemeinschaft einen neuen Festplatz. Überregional bekannt, mit Bahn und Vorstadtwagen gut zu erreichen waren ideale Voraussetzungen. So fiel die Wahl auf die Schönholzer Heide.

Traumland Schönholz 1936
Festplatz Traumland Schönholz

Von der Berliner Schützengilde mietete sich die Schaustellergemeinschaft ein großes Areal für ihren neuen Festplatz. Pankow bekam einen Vergnügungspark, wie ihn Berlin noch nicht gesehen hatte. Das Traumland war geboren.

Traumland Schönholz 1936
Tanz-Pavillon Traumland

Im gleichen Jahr richtete Deutschland die Olympischen Spiele aus. Der Vergnügungspark Traumland war zur Olympiade 1936 der größte seiner Art in Berlin. Die Hauptattraktion war die 18 Meter große Himalaya-Bahn.

Traumland Schönholz 1936
Himalaya-Bahn Schönholz

Weitere Attraktionen waren das Riesenrad, die Wasserrutsche, Tanzpavillons, das Varieté und die Traumstadt Liliput. Das Zurschaustellen von kleinwüchsigen Menschen war damals eine Attraktion. Heute undenkbar.

Traumland Schönholz 1936
Darsteller in Liliput

Legendär für ihre Trinkgelage war die Bayernhalle. Nicht weniger beliebt war die Ochsenbraterei, bei der ganze Ochsen am Spieß gedreht wurden. Getanzt wurde in der Restauration „Thiemanns Festsäle“ an der Straße vor Schönholz.

Traumland Schönholz 1936
Liliputaner Varieté

Mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde der Vergnügungspark Traumland von den Nationalsozialisten zum Zwangsarbeiterlager umfunktioniert.

Traumland Schönholz 1936
Traumstadt Liliput

Auf den Fundamenten des Festplatzes wurde ein Barackenlager errichtet, von den Pankowern Luna-Lager genannt.

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Zwangsarbeiterinnen vor ihren Baracken im Luna-Lager Schönholzer Heide

Thiemanns Festsäle und das Schloss Schönholz dienten ebenfalls der Unterbringung von Zwangsarbeitern.

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Gelände ehem. Traumland in Schönholz

Das Areal des ehemaligen Traumland liegt heute hinter dem Paul Zobel Sportplatz parallel zur Hermann-Hesse-Straße.

Autor: Christian Bormann 18.02.2015
technische Leitung: Nadine Kreimeier
Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 10.04.2016

Schönholzer Heide – Das versunkene Heide-Theater

Bis zur Gründung der Kolonie Schönholz war die Heide Teil des Waldgebietes „Schönhauser Fichten“, das Gelände erstreckte sich vom nördlichen Pankeufer im Bürgerpark bis in die Jungfernheide. Nach Ende des 2.Weltkrieges umfasste die Schönholzer Heide noch 35 Hektar. Es erfolgte eine Aufteilung in 3 Areale.

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NAW beim Bau der Freilichtbühne, Johanna Hirte (rechts)

So entstand im Rahmen des NAW ein Ehrenhain für 13.200 gefallene Sowjetsoldaten, ein großer Spielplatz mit Rodelbahn und der Volkspark mit Freilichtbühne.

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Heide Theater zur Eröffnung 1956

Mit Volkspark und Freilichtbühne wollte die DDR-Regierung an die 1930er Jahre anknüpfen, als sich in der Schönholzer Heide das Traumland, Nachfolger des Lunaparks befand.

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Tanzabend nach neuesten Amiga Schallplatten

Besonders beliebt bei den Berlinern war die Ochsenbraterei, bei der ganze Ochsen am Spieß gedreht wurden.

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Aufführung im Heide Theater 1959

Zur Ausrichtung der Olympischen Spiele 1936 war das Traumland der größte Vergnügungspark Berlins.

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Heide Theater 1957
Zu den Attraktionen gehörten eine Wasserrutsche, Gebirgs- und Geisterbahn, Varietés und eine Freilichtbühne.

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Steinabsätze und Geländer Westeingang 2016

Große Gastwirtschaften wie das Oberbayern und das Alt-Berlin waren weit bekannt. Vom einstigen Traumland ist nichts mehr zu sehen. Auch das umgebaute Schloss Schönholz und der Festsaal sind dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer gefallen. In die Reste des rückwärtigen Biergartens des Tanzsaals Schloss Schönholz wurde das kleine Freilichttheater gebaut.

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Mast für die Licht und Lautsprecheranlage

So sollte in den 1950er Jahren im Rahmen des Nationalen Aufbau Werk (NAW) wieder eine Freilichtbühne entstehen. Wie beim Bau des Pankower Freibades erfolgten die Arbeiten durch Freiwillige.

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Eingang Versorgungsräume Luna Lager und Heide Theater
Eine besonders erwähnenswerte Helferin war Johanna Hirte, die mit 81 Jahren auf über 35.000 freiwillig geleistete Arbeitsstunden zurückblicken konnte.

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Nordtreppe 2016

Zur Eröffnung am 17. August 1956 waren alle 2.500 Plätze des Heide-Theaters gefüllt. Besonders beliebt bei den Gästen waren die Tanzabende nach neuesten Amiga-Schallplatten. Solange die Sektorengrenze offen war, lief der Theaterbetrieb gut. Besucher kamen aus Ost und West.

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Reste der Bühne 2016

Namhafte Theaterhäuser gaben hier ihr Gastspiel, so das Hans-Otto-Theater Potsdam, der Friedrichstadt Palast, die Staatsoper bis hin zum Kabarett „Die Distel“ und das Erich Weinert Ensemble der Volksarmee. Mit der Schließung der Sektorengrenze fand leider auch der Kulturbetrieb des Heide Theaters ein Ende.

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Sockel vom Weberdenkmal 2015

Die Gesellschaft für Sport und Technik nutzte die Anlage noch einige Jahre. Bei Führungen in der Schönholzer Heide berichteten Zeitzeugen davon, wie die Betonstelen der Bühnenreste zum Zielwerfen für Übungsgranaten benutzt wurden.

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Carl Maria von Weber

Der zweite kleinere Sockel ist der letzte Rest von Schloss Schönholz. Auf ihm stand ein in Stein gehauener Schützenpokal.

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fehlende Figur Südseite

Das endgültige Aus für das ehemalige Heide Theater soll die Verbrennung einer DDR-Staatsflagge gewesen sein. Heute gleicht die einstige Freilichtbühne einem versunkenen Märchenort.

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Treppenaufgang Süd mit Ziermauer

An den Betonsäulen, die den Wegrand säumen, lässt sich noch die Rückseite der Bühne erkennen. Dahinter liegt vertieft der Zuschauerplatz, unter einem Meter Erdreich verschüttet. Treppen und Geländer sind zu erkennen, die im Boden verschwinden.

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Tanzfläche des Heide Theater 2016

Ringsum stehen die alten Masten der Licht- und Lautsprecheranlage. Hinter Büschen und Bäumen findet der aufmerksame Beobachter verzierte Steinabsätze.

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Reste der Südmauer 2016

Unter alten Fundamentbrocken lässt sich noch der Zugang zu den unterirdischen Versorgungsräumen des Theaters finden. Diese stammen noch aus der Zeit des Luna-Lagers für Zwangsarbeiter.

Das versunkene Heide-Theater

Autor: Christian Bormann, 26.02.2017

technische Leitung: Nadine Kreimeier

Redaktionelle Bearbeitung: Martina Krüger, 06.02.2016/26.02.2017

Bilder: J.Mach/Freundeskreis der Chronik Pankow eV, Christian Bormann, hist.Zeitung,