Auf dem Mirbachplatz in „Neu Weißensee“ erhebt sich der 65 Meter hohe „Bethanienturm“. An kalten Jahrestagen wirkt die Kirchenruine gespenstig und abweisend.
Das Gegenteil ist der Fall an Sommertagen. Der weisse Kalksandstein reflektiert die Sonnenstrahlen vom Kellergeschoss bis über die Dächer der am Mirbachplatz liegenden Wohnhäuser.
Auf Grund der starken Bevölkerungszunahme reichten die Kirchenplätze in Weißensee nicht mehr. So wurde zwischen 1900 und 1902 die Bethanienkirche im Neugotischen Stil errichtet.
Turmsockel und Hals sind mit weißem Kalksandstein verblendet, das Glockengeschoss ist rot geklinkert.
Die Architekten waren Geheimrat Ludwig von Tiedemann und Robert Leibnitz. Den Altar und die Kanzel baute die Firma Gustav Kuntzsch aus Wernigerode. Der Berliner Steinmetzmeister Otto Plöger schuf den Kanzelfuß. Das Kaiserpaar Wilhelm II. und Auguste Viktoria war 1902 persönlich zur Taufe der Bethanienkirche gekommen. Eine der Glocken wurde zu Ehren der Kaiserin in „Auguste Viktoria“ benannt.
Nach einem verheerenden Angriff mit Luftminen am 26. Februar 1945 blieb der „Bethanienturm“ als einziges stehen. Mit ihm überlebte das Geläut und die „Kaiserin Viktoria Glocke“.
Bei meinen Recherchen zum Bethanienturm stieß ich auf einen Absatz zum Altar. Dem Zufall der Geschichte ist es zu verdanken, dass es heute noch den 1902 eingeweihten Originalaltar zu sehen gibt.
Die Retabel des Altar war zu hoch, wodurch das mittlere Chorfenster verdeckt wurde. Schon 1905 gab die Bethanienkirche den Altar nebst Retabel an die Glaubenskirche in Berlin-Lichtenberg ab.
Die Spurensuche begann. Wo ist der Altar heute? Existiert er noch? Bekomme ich ein aktuelles Bild? Auf meiner Suche besuchte ich die ehemalige Glaubenskirche in Lichtenberg.
Nachdem ich vor Ort feststellen musste, dass die Kirche aufwendig saniert wird und nicht zugänglich ist, packte mich der Ehrgeiz. Ich wollte den Altar sehen. Und ich brauchte ein Foto für meine Geschichte. Ich klinkte mich von Tür zu Tür bis ich nach dreißig Minuten einen kleinen Raum mit Menschen fand. Auf meine Fragen auf Deutsch bekam ich nur freundliches Achselzucken zur Antwort.
Es war zum Schreien. Es musste doch möglich sein, eine Person zu finden, die mir wenigstens ein Hinweis auf den Verbleib des Altars geben kann. Ich startete einen letzten Versuch auf englisch.
Und siehe da. Aus einem kleinen Nebenraum trat ein älterer Herr in schwarzem Gewand. Ihm zur Seite stellte sich ein Dolmetscher mit einem Säugling im Arm. Der Mann im Gewand war „Mankaryos Bischof der Eritreisch-Orthodoxen-Tewahedo-Kirche“.
Ich wurde herzlich vom Bischof und anwesenden Gemeindemitgliedern empfangen. Nachdem ich mein Anliegen dargestellt hatte, erklärte sich der Bischof bereit, mir den Zugang zu gewähren. Nur wenige Meter weiter öffnete er eine kleine, unscheinbare, weiße Tür. Es war ein versteckter Seiteneingang zum Gebetsraum.
Ich trat vor den Altar und konnte es kaum glauben. Da war er. Das einzige noch erhaltene Originalinterieur der Bethanienkirche.
Beides, Altar und Retabel sind heute noch in Lichtenberg zu finden. Seit 1998 baut die Koptische Gemeinde Berlin die Kirche zu ihrem Zentrum aus. Seit mehreren Jahren wird die 1903 bis 1905 gebaute Kirche aufwendig von der Koptischen Gemeinde Berlin restauriert.
Das im Bethanienturm verbliebene Geläut ist samt Turm und Grundstück Eigentum eines Wohnungsbau-Investors.
Zu besonderen Anlässen darf die Gemeinde Weißensee das Geläut mit „Viktoria Auguste“ erklingen lassen.
Der Mirbach Platz trägt seinen Namen zu Ehren des Oberhofmeister Ernst Freiherr von Mirbach er war maßgeblich für die Finanzierung der Bethanien Kirche verantwortlich.
Bis heute habe ich den Bethanienturm immer mit einer ganz besonderen Freundin verbunden die am Mirbachplatz wohnt. Ivonne diese Geschichte soll deine sein.
Herzlichen Dank an Bischof Mankaryos und die Koptische Gemeinde Berlin für ihre freundliche Unterstützung.
Autor: Christian Bormann, 02.07.2016
red. Bearbeitung: Martina Krüger, 03.07.2016
Bilder: Ansichtskarten, Christian Bormann
Luftbild: Guido Kunze
Schöner Artikel über eine Kirchenruine, an der man sonst immer nur vorbeifährt! Aber seid ihr sicher, daß es sich bei dem abgebildeten Altar um den Altar der Bethanienkirche handelt? Das, was man auf dem Foto sieht, ist ja eine Ikonostase, eine Chorschranke, die den Altarraum vom restlichen Kirchenraum trennt, wie sie in orthodoxen Kirchen verwendet wird (wie der äthiopische-orthodoxen Kirche). Sie ist im neobyzantinischen Stil ausgeführt. Beides paßt, soweit ich es beurteilen kann, nicht zur Bethanienkirche, denn die war/ist doch eine protestantische Kirche im neogotischen Stil. Ich würde daher vermuten, daß diese Ikonostase neueren Datums ist und erst von der äthiopischen Kirche eingebaut wurde – vielleicht befindet sich der Altar der Bethanienkirche ja dahinter, aber da dürfen nur die Priester hin…
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Vielen Dank für den Hinweis. Wir haben den Artikel sofort nachgearbeit. LG
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Vielen Dank für den interessanten und aufklärenden Beitrag zur Bethanienkirche. Ich kann mich noch gut daran erinnern, das ich als Kind mit vielen anderen zu gesehen habe ,wie die einsturzgefährdeten Mauern der Kirche mittels Stahlseil und Handkurbel entfernt wurden. Danach wurde ein Stahlträger zur Stabilisierung des Turmes horizontal montiert der bis heute das Gebäude stützt. Da ich in der Schönstraße wohne ,frage ich mich jedes Mal beim Vorbeifahren ob ein Statiker schon einmal überprüft hat, wie lange dieser Träger dem Rost noch standhält.
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Vielen Dank für das positive Feedback. LG chris
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